Das Statusverfahren zur Klärung der ordnungsgemäßen Besetzung des Aufsichtsrats
In den letzten Jahren haben Verfahren über die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats die Gerichte wieder vermehrt beschäftigt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften bei den Schwellenwerten für das Eingreifen der Mitbestimmung nach dem DrittelbG oder dem MitbestG mitzuzählen sind, waren deutschlandweit zahlreiche Verfahren anhängig.
Die Durchführung eines Statusverfahrens nach § 97ff. AktG ist obligatorisch, wenn der Aufsichtsrat zukünftig nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt sein soll.
Sei es, dass der Vorstand der Auffassung ist, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats richte sich auf Grund einer Verringerung der Arbeitnehmerzahl nicht mehr nach dem MitbestG, sondern nach dem DrittelbG, oder dass eine Arbeitnehmervertretung (z.B. der Gesamtbetriebsrat oder Gesamtsprecherausschuss) umgekehrt geltend macht, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats richte sich nicht mehr nach dem DrittelbG, sondern nach dem MitbestG. Wird die Durchführung eines Statusverfahrens unterlassen, so ist die Aufsichtsratswahl nichtig (BAG vom 16.04.2008 – 7 ABR 6/07)
Nach Auffassung des BAG geht das Statusverfahren nach § 97, 98 AktG auch der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 AktG vor, wenn Streit darüber besteht, nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat zu besetzen ist, oder ob überhaupt ein Aufsichtsrat bei einer GmbH zu bilden ist. Eine gleichwohl ohne vorherige Durchführung eines Statusverfahrens durchgeführte Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 104 AktG ist nichtig (BAG vom 16.04.2008 – 7 ABR 6/07) .
Bis zum Abschluss des Statusverfahrens bleibt der bestehende Aufsichtsrat im Amt, sog. Status-quo-Prinzip.
Einleitung des Statusverfahrens
Ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH der Meinung, dass der bestehende Aufsichtsrat nicht nach den geltenden gesetzlichen Regelungen zusammengesetzt ist, so hat er dies gem. § 97 Abs. 1 AktG unverzüglich in den Gesellschaftsblättern und gleichzeitig durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen bekannt zu machen. In dieser Bekanntmachung hat der Vorstand darzustellen, nach welchen Vorschriften seiner Auffassung nach der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein muss. Es bedarf außerdem eines Hinweises, dass der Aufsichtsrat gem. § 97 Abs. 2 AktG nach diesen Vorschriften zusammengesetzt wird, wenn nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger von einem der in § 98 Abs. 2 AktG genannten Antragsberechtigten das zuständige Gericht angerufen wird.
Achtung! Für die Frist kommt es auf die Veröffentlichung im Bundesanzeiger an. Dessen Datum muss nicht zwingend mit demjenigen der betriebsinternen Veröffentlichung übereinstimmen!
Wer kann den gerichtlichen Antrag stellen?
Der Kreis der Antragsberechtigten ist sehr weit gefasst neben dem Vorstand, jedem Aufsichtsratsmitglied und jedem Aktionär gehören die im Unternehmen gebildeten Arbeitnehmervertretungen wie Gesamtbetriebsrat, Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss sowie die Gewerkschaften oder ihre Spitzenorganisationen, sofern ihnen ein Vorschlagsrecht nach den gesetzlichen Regelungen zu stehen würde, deren Anwendung streitig ist. Daneben sind gem. § 98 Abs. 2 Nr. 8 AktG mindestens ein Zehntel oder einhundert, der nach den streitigen Regelungen wahlberechtigten Arbeitnehmer antragsberechtigt.
Ablauf der Frist ohne fristgerechte Anrufung des Gerichts
Wird das zuständige Gericht nicht fristgerecht angerufen, etwa weil die Antragsberechtigten sich von der Auffassung des Vorstands überzeugen lassen oder die Frist versäumt wird, ist der neue Aufsichtsrat nach den vom Vorstand bekanntgemachten Vorschriften zusammenzusetzen. Die Folge ist sodann, dass auch die Satzungsvorschriften über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in dem nach § 97 Abs. 2 S. 2 AktG vorgesehenen Verfahren angepasst werden müssen. Der Aufsichtsrat ist neu zu wählen. Konsequenz für die derzeitigen Aufsichtsratsmitglieder ist, dass ihr Amt mit Beendigung der ersten Hauptversammlung, spätestens jedoch sechs Monate nach Ablauf der Anrufungsfrist endet. Es ist folglich denkbar, dass die Gesellschaft für einen Übergangszeitraum keinen wirksam bestellten Aufsichtsrat hat.
Ob das im Statusverfahren gefundenen Ergebnis inhaltlich zutreffend ist, ist dagegen unerheblich. Unterliegt der Vorstand bei seiner Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG einer rechtlichen Fehleinschätzung hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, wird aber innerhalb der Frist des § 97 Abs. 2 AktG nicht das zuständige Gericht angerufen, ist die Bekanntmachung verbindlich.
Gerichtliches Verfahren, § 99 AktG
Wird gegen die Bekanntmachung des Vorstands nach § 97 Abs. 1 AktG fristgerecht das zuständige Gericht angerufen, so entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat gem. §§ 98, 99 AktG über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Auf das Verfahren sind die Vorschriften des FamFG anzuwenden, sofern in § 99 Abs. 2 – 5 AktG nicht abweichendes geregelt ist. Das Gericht hat den Antrag in den Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen, § 99 Abs. 2 S. 1 AktG.
Die Entscheidung des Gerichts erfolgt durch Beschluss, der vom Gericht ebenfalls in den Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen ist. Der Beschluss kann mit der Beschwerde angefochten werden.
Der Antrag nach § 98 Abs. 1 AktG kann von den in § 98 Abs. 2 AktG genannten Antragsberechtigten auch ohne Rücksicht darauf gestellt werden, ob der Vorstand durch Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG das Statusverfahren nach § 97 AktG eingeleitet hat. Sie können vielmehr über § 98 Abs. 1 AktG selbst ein Verfahren einleiten, wenn sie der Meinung sind, dass der Aufsichtsrat nicht mehr nach den eigentlich anwendbaren gesetzlichen Regelungen zusammengesetzt ist.
Rechtsfolgen
Die Wahl eines Aufsichtsrat unter Berücksichtigung eines anderen Mitbestimmungsstatuts als bei der letzten Wahl, ohne vorherige Durchführung eines Statusverfahrens nach §§ 97ff. AktG führt zur Nichtigkeit der Aufsichtsratswahl gem. §§ 250 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 96 Abs. 2 AktG. Ausschlaggebend für die Nichtigkeit ist alleine das Unterlassen der gesetzlich verpflichtenden Einleitung eines Statusverfahrens.