Wettbewerbstätigkeit nach außerordentlicher Kündigung und anhängiger Kündigungsschutzklage zulässig?

Wird ein Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt, so bringt der Arbeitgeber damit zum Ausdruck, die Arbeitsleistung ab sofort nicht mehr entgegen nehmen zu wollen. Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall dem Arbeitgeber nicht noch einmal ausdrücklich seine Arbeitsleistung anbieten, um diesen in Verzug zu setzen. Obsiegt der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung, so schuldet der Arbeitgeber den sog. Verzugslohn ab dem Zeitpunkt der Kündigung. Mit anderen Worten hat der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf die monatliche Vergütung vom Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung an. Hierbei kann es sich je nach Verfahrensdauer um mehrere Monatsgehälter handeln. Allerdings muss der Arbeitnehmer sich etwaiges bezogenes Arbeitslosengeld anrechnen lassen. Insofern geht der Anspruch auf die Bundesagentur für Arbeit über, die die Arbeitslosengeldzahlungen erbracht hat.

Während des Verzugs des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer eine Erwerbsobliegenheit, § 615 S.2 BGB. Dies bedeutet u.a.: Unterlässt er böswillig eine anderweitige Erwerbstätigkeit, die sich auf Grund des Freiwerdens seiner Arbeitskraft bietet, so muss er sich die deshalb entgangene Vergütung anrechnen lassen. Diese Situation bringt den Arbeitnehmer oftmals in ein Dilemma, auf der einen Seite erstrebt er mit der Kündigungsschutzklage die Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber, auf der anderen Seite muss er sich bietende Erwerbschancen grundsätzlich nutzen. Noch prekärer wird die Situation, wenn  sich eine Erwerbschance bei einem Konkurrenzunternehmen oder sogar als eigene unternehmerische Tätigkeit in der Branche des Arbeitgebers bietet.

Das BAG hat klargestellt, dass selbst nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung die Aufnahme eine Konkurrenztätigkeit ein vertragswidriges Verhalten darstellt, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt und das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Allerdings bedarf es daneben einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Konkurrenztätigkeit erst nach der Kündigung aufgenommen wurde und, ob die Tätigkeit auf Dauer ausgerichtet ist, oder nur einzelne Aufträge umfasste. Das BAG hielt in einer aktuellen Entscheidung vom 23.10.2014 - 2 AZR 644/13 - dem Arbeitnehmer im Kern zu Gute, dass die Wettbewerbstätigkeit nach ihrem Gesamtbild auf eine nicht dauerhafte Überbrückung ausgerichtet war. Der Arbeitnehmer hatte im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit einzelne Aufträge eines Konkurrenzunternehmens angenommen. Dies reichte dem BAG noch nicht aus, um eine Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit für den Arbeitgeber anzunehmen, so dass die Kündigung unwirksam war. Andererseits wäre allerdings im Einzelfall wohl zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn die Wettbewerbstätigkeit zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden beim Arbeitgeber geführt hat.

Dr. Christian Velten
Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gießen

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