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Heimliche Aufnahmen von Personalgesprächen

In der Praxis - leider - immer wieder anzutreffen, ist das Mitscheiden von Personalgesprächen mittels eines versteckten Diktiergerätes oder eines Voice-Recorders auf dem Smartphone. Arbeitnehmer, die überraschend zu einem Personalgespräch geladen werden, sehen sich oft mehreren Vertretern des Arbeitgebers gegenüber. Aus diesem Grund meinen sie dann dazu berechtigt zu sein, das Gespräch auf Band aufnehmen zu dürfen. Ansonsten, so wird befürchtet, würde der Gesprächsinhalt von der Arbeitgeberseite falsch dargestellt und man selbst habe keinen Zeugen für das Gegenteil.

Andererseits ist die verdeckte Aufnahme von Personalgesprächen auch bei Arbeitgebern durchaus beliebt, insbesondere um in der Überraschungssituation dem Arbeitnehmer Aussagen zu entlocken und auf Band festzuhalten, die er später so nicht mehr machen würde, etwa ein Eingeständnis einer Pflichtverletzung.

Vor einem solchen Vorgehen ist - sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite - strikt abzuraten. Das heimliche Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes erfüllt den Straftatbestand des § 201 StGB. Das BAG (Urt. v. 19. 7. 2012 – 2 AZR 989/11)  hat festgestellt, dass ein solches Verhalten zudem an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Maßgeblich ist hierbei, inwieweit der Arbeitnehmer durch die heimliche Aufnahme des Gesprächs gegen seine Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsvertrag, § 241 II BGB, verstoßen hat. Zudem ist eine abschließende Interessenabwägung vorzunehmen. Ob eine Notsituation in gewissen Fallkonstellationen als Rechtfertigungsmöglichkeit anzusehen sein könnte, musste das BAG nicht entscheiden. Einem Arbeitnehmer, der befürchtet, in einem Personalgespräch vom Arbeitgeber überrumpelt zu werden, ist aber dringend zu raten, anstatt einer Aufnahme des Gesprächs möglichst einen Rechtsbeistand oder ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen.

Der Auffassung des BAG haben sich mittlerweile auch die Landesarbeitsgerichte angeschlossen. So hat etwa das LAG Hessen mit Urteil vom 23.08.2017 (Az. 6 Sa 137/17) entschieden:

"Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung „an sich“ zurechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 II BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch den Arbeitnehmer ist rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das durch Art. 2 I iVm Art. 1 II GG gewährleistete Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folgt."

Ein Arbeitgeber, der heimlich ein Personalgespräch aufnimmt, wird sich - sollte es einmal auf den Inhalt des Gesprächs ankommen - nicht auf den Mitschnitt zu Beweiszwecken berufen können, da dieser unter Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zustande gekommen ist. Dem Arbeitnehmer steht zudem ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB und ggf. sogar ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB i.V.m. § 241 II BGB zu.

Unzulässig ist selbstredend auch die heimliche Videoaufzeichnung eines Personalgesprächs.

Zulässig ist die Aufnahme eines Personalgesprächs nur mit ausdrücklicher Einwilligung des jeweiligen Gegenübers!

Bezugnahme auf Tarifvertrag und Befristungsabrede

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Befristung Tarifvertrag

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) lässt grundsätzlich nur eine sachgrundlose Befristung für die Dauer von maximal zwei Jahren zu. Innerhalb dieser zwei Jahre kann der befristete Arbeitsvertrag insgesamt dreimal verlängert werden.

Die Tarifvertragsparteien können allerdings in einem Tarifvertrag regeln, dass eine sachgrundlose Befristung auch für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre zulässig ist und/oder eine größere Anzahl von Verlängerungen möglichen sein soll. Findet ein solcher Tarifvertrag nicht kraft Verbandszugehörigkeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber Anwendung, so können die Arbeitsvertragsparteien seine Anwendung vereinbaren, sofern sie ansonsten seinem Anwendungsbereich unterliegen.

Eine solche Inbezugnahme des Tarifvertrages muss allerdings transparent sein. Lediglich die Aufzählung der Tarifverträge, auf denen das Arbeitsverhältnis "basieren" soll, genügt nach Auffassung des LAG Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung vom 28.03.2013 nicht. Es sei bei einer solchen Formulierung nicht erkennbar, ob die Tarifverträge tatsächlich einbezogen werden sollten oder nur eine Orientierung an diesen beabsichtig gewesen ist.

Damit war die Befristungsabrede, die den Zeitraum von zwei Jahren bei einer sachgrundlosen Befristung überschritt, unwirksam. Die Konsequenz ist einem solchen Fall, dass das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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Neuer Auftsatz zum Thema "Interim Management"

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Interim Management

Mein Aufsatz zum Thema "Interim Management" ist im aktuellen Heft des "Arbeitsrechtberaters" erschienen! Mehr unter der Adresse http://www.arbrb.de/aktuelles_heft.html

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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Ausbildungsverhältnis keine Vorbeschäftigung iSv § 14 II 2 TzBfG

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Ausbildung Vorbeschäftigung

Eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages kommt gem. § 14 II 2 TzBfG nur dann in Betracht, wenn zuvor noch kein Arbeitsverhältnis zum vertragschließenden Arbeitgeber bestanden hat. Während die Rechtsprechung früher den Wortlaut des § 14 II 2 TzBfG ernst nahm und es nicht darauf ankam, wann in der Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist nunmehr nach der neuen Rechtsprechung des BAG nur noch zu prüfen, ob innerhalb von drei Jahren vor Abschluss des befristeten Vertrages ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Das BAG (Urt. v. 21.09.2011 - 7 AZR 375/10) hat mittlerweile auch entschieden, dass ein Berufsausbildungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 14 II 2 TzBfG ist. Dieses Ergebnis leitet das Gericht aus § 10 II BBiG ab, wonach es bei der Frage, ob ein Berufsausbildungsverhältnis als Arbeitsverhältnis anzusehen ist, auf den jeweiligen Gesetzeszweck ankommt. Der Gesetzeszweck des § 14 II 2 TzBfG ist nach Auffassung des BAG, Kettenbefristungen zu verhindern. Dieser Zweck erfordere es gerade nicht, Ausbildungsverhältnisse im Rahmen des § 14 II 2 TzBfG mit Arbeitsverhältnissen gleichzustellen. Auf Grund des Ausbildungszwecks des Berufsausbildungsverhältnisses bestünde die Gefahr des Mißbrauchs der sachgrundlosen Befristung zu Kettenbefristungen nicht. Vielmehr betont das Gericht, den Auszubildenden solle über die Möglichkeit einer befristeten Einstellung der Weg in das Arbeitsleben geebnet werden und eine Beschäftigungsbrücke in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschaffen werden.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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Änderung von Versorgungszusagen für Versorgungsempfänger durch abändernde Betriebsvereinbarung?

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Änderung Versorgungszusage


Die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre sowie der tendenziell erheblich gestiegene Dotierungsrahmen in Systemen der betrieblichen Altersversorgung, veranlassen immer mehr Arbeitgeber dazu, über Eingriffe in ein bestehendes Versorgungssystem nachzudenken.
Hierbei stehen sich primär zwei Gruppen von Begünstigten aus den Versorgungssystemen gegenüber. Zum einen aktive Beschäftigte als ggf. Anwartschaftsberechtigte und die Ruheständler als Versorgungsempfänger. Die juristischen Maßstäbe für Eingriffe in ein Versorgungssystem unterscheiden sich bei diesen beiden Gruppen sehr stark. Im Folgenden soll die Gruppe der Versorgungsempfänger im Mittelpunkt stehen.

1. Kündigung der bestehenden Betriebsvereinbarung

Ordentliche Kündigung

Will der Arbeitgeber die Ablösung eines durch Betriebsvereinbarung geregelten Versorgungssystems auch für die Versorgungsempfänger erreichen, so steht er vor die Frage, wie er dies rechtstechnisch umsetzen kann. Betriebsvereinbarungen sind regelmäßig kündbar. Es liegt daher nahe, die alte Betriebsvereinbarung über das Versorgungssystem zu kündigen und mit dem Betriebsrat eine neue, ablösende Betriebsvereinbarung abzuschließen. Die ordentliche Kündigung einer Betriebsvereinbarung ist grundsätzlich möglich, vgl. § 77 Abs. 5 BetrVG. Ist keine andere Kündigungsfrist vereinbart, gilt gem. § 77 Abs. 5 BetrVG eine Kündigungsfrist von 3 Monaten.

Nachwirkung der Betriebsvereinbarung über das Versorgungssystem?

Eine Betriebsvereinbarung, deren Inhalt sich auf einen Gegenstand der zwingenden Mitbestimmung bezieht, wirkt gem. § 77 Abs. 6 BetrVG nach einer Kündigung solange nach, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird.
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung kann der Arbeitgeber zwar frei über das Ob der Gewährung einer Altersversorgung, die Höhe des Dotierungsrahmens, den begünstigten Personenkreis sowie den Durchführungsweg entscheiden. Der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen dagegen Regelungen über die konkrete Ausgestaltung der Versorgungsregelung, insbesondere im Hinblick auf die Verteilung des Dotierungsrahmens, vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Nr. 10 BetrVG. Da die Frage des Ob der Leistungsgewährung allerdings mitbestimmungsfrei ist, geht das BAG davon aus, dass Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung regelmäßig keine Nachwirkung entfalten, es sei denn, der Arbeitgeber will die alte Versorgungsregelung durch eine neue ersetzen. 

Besitzstandsschutz

Selbst in den Fällen, in denen keine Nachwirkung eintritt, führt die Rechtsprechung des BAG aber zu einer faktischen Nachwirkung der Betriebsvereinbarung im Hinblick auf unantastbare Besitzstände:
Die auf Grund der Betriebsvereinbarung erworbenen Besitzstände der Arbeitnehmer sind nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gegen Eingriffe geschützt. Rechtsgrundlage dieser unantastbaren Besitzstände, ist dann weiterhin die alte Betriebsvereinbarung.
Wann und in welchem Umfang in erdiente Anwartschaften noch eingegriffen werden kann, ist durch eine ausdifferenzierte Rechtsprechung des BAG in den letzten Jahrzehnten konkretisiert worden. Das BAG geht hierbei davon aus, dass die Gründe für einen zulässigen Eingriff umso gewichtiger sein müssen, je stärker in Besitzstände eingegriffen wird. 

Die Rechtsprechung orientiert sich am sog. Drei-Stufen-Modell. Danach unterliegt ein zum Zeitpunkt der Änderung der Versorgungszusage erdienter Teilbetrag dem stärksten Schutz. Der erdiente Teilbetrag bezeichnet den Betrag, den der Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mitnehmen und im späteren Versorgungsfall verlangen kann bzw. den der Pensionssicherungsverein im Insolvenzfall zu übernehmen hätte. In diesen kann nur im Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder einer planwidrigen Überversorgung eingegriffen werden. Geht es um Eingriffe in Zuwachsraten für die Versorgungsbezüge, ist danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer die Gegenleistung hierfür bereits erbracht hat. In eine erdiente Dynamik darf nur aus trifftigem Grund eingegriffen werden, etwa bei dringenden betrieblichen Bedürfnissen ohne Schmälerung des Gesamtaufwandes oder einer langfristige Substanzgefährdung des Unternehmens. Sind die Zuwachsraten dagegen noch nicht mit der Erbringung einer gewissen Betriebstreue erdient, so ist ein Eingriff aus sachlich-proportionalen Gründen zulässig.

2. Veränderung auch der Versorgungsregelung für Versorgungsempfänger?

Die juristischen Konsequenzen einer ablösenden Betriebsvereinbarung für Versorgungsempfänger sind allerdings hoch umstritten. Ein Versorgungsempfänger ist bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden. Ein Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr. Hier stellt sich die grundlegende Frage, ob dem Betriebsrat überhaupt noch eine Regelungskompetenz im Hinblick auf die Versorgungsregelung des ausgeschiedenen Mitarbeiters zukommt. Schließlich ist dieser nicht mehr in den Betrieb eingegliedert und auch nicht mehr an der Wahl des Betriebsrats beteiligt, so dass insofern ein Legitimationsdefizit bestehen könnte.

Entscheidung des Großen Senat des BAG v. 16.03.1956

Der Große Senat hat zunächst in einer grundlegenden Entscheidung vom 16.03.1956 folgenden Leitsatz aufgestellt:

„Eine Betriebsvereinbarung über betriebliche Ruhegelder, die eine Veränderung der betrieblichen Ruhegeldleistungen gegenüber dem bisherigen Stand vorsieht, wirkt nicht hinsichtlich derjenigen früheren Arbeitnehmer, die beim Inkrafttreten der neuen Betriebsvereinbarung bereits im Ruhestand leben und bisher Bezüge nach der früheren Regelung erhielten.“

Der Große Senat ging in seiner Entscheidung davon aus, dass eine Betriebsvereinbarung in ihrem normativen Teil nur Regelungen für die Ordnung und die Rechtsverhältnisse im Betrieb treffen könne. Es hielt damals fest:

„Ist der Arbeitnehmer aber während der Geltungsdauer einer Ruhegeldvereinbarung aus dem Betrieb ausgeschieden und hat er zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung von Ruhegeld erfüllt, so können die entsprechenden Bestimmungen hinsichtlich seiner Person nicht mehr gegen seinen Willen geändert werden. Mit diesem Augenblick ist auf Grund der betrieblichen Ruhegeldvereinbarung der Anspruch des bisherigen Arbeitnehmers gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber auf Zahlung von Ruhegeld nach den Bestimmungen dieser Ruhegeldvereinbarung existent geworden. Auf Grund der kollektivrechtlichen Regelung der Betriebsvereinbarung hat der ausscheidende Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen der betrieblichen Ruhegeldregelung erfüllt hat, mit seinem Ausscheiden einen individuellen Einzelanspruch gegen den Arbeitgeber erworben, der zwar in der Betriebsvereinbarung wurzelt, aber nunmehr zu einem selbständigen schuldrechtlichen Anspruch geworden ist. Dieser Anspruch besteht nach seinem Sinn und Zweck schlechthin als Daueranspruch auch über die Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung hinaus weiter und dauert normalerweise bis zum Tode des Ruhegeldempfängers, gegebenenfalls - z.B. wenn mit dem Ruhegeld eine Witwen- oder Waisenrente verbunden ist - noch darüber hinaus. Eine Beendigung oder Änderung der Betriebsvereinbarung ist auf diese Ansprüche ohne Einfluß.“

Der Große Senat des BAG bemühte in seiner damaligen Entscheidung damit die Fiktion eines schuldrechtlichen Anspruchs, um den Anspruch auf die Versorgungsbezüge quasi in den Ruhestand hinüber zu retten. Dadurch vermied er, dass durch den Legitimationsverlust der Betriebsparteien, der von ihm mit Eintritt in den Ruhestand, angenommen wurde, zum Wegfall der Rechtsgrundlage für die Versorgungsbezüge führte.

Jüngere Entwicklungen

Dieser Rechtsprechung ist das BAG über Jahre hinweg gefolgt. Das Schrifttum hat sich dagegen vielfach kritisch geäußert. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass das BAG auch in früheren Entscheidungen zu Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats über den Kreis der betriebsangehörigen Arbeitnehmer hinausgegangen sei, etwa beim Mitbestimmungsrecht aus § 99 BetrVG im Bezug auf die Eingliederung von leitenden Angestellten.

Im Ergebnis hält aber wohl auch der zuständige Senat des BAG – trotz zwischenzeitlicher Zweifel – an seiner älteren Rechtsprechung fest. In neueren Entscheidungen betont er wiederholt fest, für diese sprächen trotz der Kritik in der Literatur die besseren Argumente.

Praxishinweis:
Sind tatsächlich Eingriffe in ein Versorgungssystem beabsichtigt, sollte auf Basis der Rechtsprechung des BAG zugrundegelegt werden, dass eine ablösende Betriebsvereinbarung keine Wirkung für die Versorgungsempfänger entfaltet. Eingriffe sind bei dieser Personengruppe lediglich im Falle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage über §313 BGB möglich. Hierzu müsste eine sog. Äquivalenzstörung vorliegen. Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung liegt eine solche Äquivalenzstörung erst dann vor, wenn der ursprüngliche Dotierungsrahmen auf Grund von Änderungen der Rechtslage um mehr als 50 % überschritten wird. Bei der Ermittlung der prozentualen Veränderung  ist auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Belastung im Zeitraum zwischen der Schaffung des Versorgungssystems und dem Zeitpunkt, zu dem eine Anpassung verlangt wird, abzustellen und ein unternehmensbezogener Barwertvergleich durchzuführen.

3. Praktische Konsequenzen

Da nunmehr sehr wahrscheinlich erscheint, dass das BAG auch weiterhin die Regelungskompetenz der Betriebspartner für ausgeschiedene Versorgungsempfänger verneinen wird, muss nach praktischen Wegen gesucht werden, die Arbeitgeber und Betriebsrat ermöglichen, auch bei Versorgungsempfängern Anpassungen vorzunehmen. Über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in die Versorgungsansprüche der Versorgungsempfänger einzugreifen, ist nur in Ausnahmefällen möglich und erfordert einen hohen Begründungsaufwand. Der von der Rechtsprechung des BAG geforderte Barwertvergleich zur Ermittlung der Überschreitung des Dotierungsrahmens, wird ohne versicherungsmathematisches Gutachten nur selten vorgenommen und dargelegt werden können.

Entscheidung des BAG v. 18.09.2012 zur Jeweiligkeitsklausel

Insofern lohnt sich ein Blick auf die Entscheidung des BAG vom 18.9.2012. In ihr weist das BAG zunächst auf seine ständige Rechtsprechung hin, nach der die Betriebspartner nicht berechtigt sind, für ausgeschiedene Arbeitnehmer Rechte und Pflichten zu begründen.
Das Gericht gelangt dann aber über einen Umweg doch zu einer Regelungskompetenz der Betriebspartner. Im Arbeitsvertrag des Klägers fand sich nämlich im Hinblick auf die Alterversorgungsansprüche eine Verweisung auf die „für die Werksangehörigen jeweils geltenden Richtlinien“. Eine solche dynamische Verweisung erstreckt sich nach Auffassung des BAG nicht nur auf die Anwartschaftsphase, sondern auch auf die Rentenbezugsphase. Das BAG hält sodann fest:

„Mit der „Jeweiligkeitsklausel“ haben die Parteien die zudem die Möglichkeit für eine Ablösung auf kollektivvertraglicher Grundlage und damit auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung geschaffen.“

Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen sind nach Auffassung des BAG regelmäßig dynamisch und erstrecken sich damit auf die Rentenbezugsphase. Nur so werde die regelmäßig vom Arbeitgeber gewollte einheitliche Anwendung der Regelungen des Versorgungssystems auf alle Betroffenen erreicht.

Praxishinweis:
Für die Praxis der Vertragsgestaltung ist daher die Aufnahme einer solchen Jeweiligkeitsklausel in die Arbeitsverträge anzuraten. Sie erleichtert in Zukunft Änderungen am Versorgungssystem gegenüber Versorgungsempfängern immens.

Rechtsfolgen der Jeweiligkeitsklausel

Ist auf Grund einer vertraglichen Jeweiligkeitsklausel eine Ablösung des Versorgungssystems durch eine zeitlich nachfolgende Betriebsvereinbarung grundsätzlich möglich, so wird die neue Betriebsvereinbarung zwar nicht am Günstigkeitsprinzip gemessen, sie muss aber einer Überprüfung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes standhalten.
Die Rechtsprechung nimmt insofern eine Abwägung der wechselseitigen Interessen vor. Auch hier gilt – ähnlich der vorstehend genannten Drei-Stufen-Theorie des BAG – je schwerwiegender die Eingriffe in die Versorgungsansprüche sind, desto gewichtiger müssen die Gründe des Arbeitgebers, die zu diesen Eingriffen geführt haben, sein. Eine Rolle spielt deshalb auch an dieser Stelle wieder, ob lediglich Eingriffe in zukünftige Entwicklungen vorgenommen werden, also etwa Steigerungsraten gekürzt werden, oder ob die laufenden Leistungen gekürzt werden.

Praxishinweis:
Im Vergleich zur arbeitsvertraglichen Jeweiligkeitsklausel, ist eine Jeweiligkeitsklausel in einer Betriebsvereinbarung nicht weiterführend. Das BAG ist der Auffassung, dass jede Betriebsvereinbarung unausgesprochen eine Jeweiligkeitsklausel enthält. Es gelte das Zeitkollisionsprinzip. Dies ändert aber nichts am Fehlen der Regelungsmacht der Betriebspartner.

4. Fazit

Es steht derzeit zu erwarten, dass BAG seine Rechtsprechung zur fehlenden Regelungsmacht der Betriebspartner für Versorgungsempfängern nicht ändern wird. Ein Eingriff in laufende Versorgungsleistungen ist daher nur unter sehr hohen Voraussetzungen möglich. Die Gestaltungspraxis sollte hierauf reagieren, indem in Arbeitsverträgen hinsichtlich der Altersversorgung auf die jeweils geltenden Regelungen verwiesen wird. Dies ermöglicht im Ernstfall größere Gestaltungsspielräume bei beabsichtigten Änderungen durch Betriebsvereinbarung.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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Die Frage nach der Schwerbehinderung

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Fragerecht Schwerbehinderung

Bereits seit vielen Jahren wird die Zulässigkeit einer Frage des Arbeitgebers nach einer bestehenden Schwerbehinderung eines Bewerbers oder Arbeitnehmers kontrovers diskutiert.

Noch in den 90er Jahren wurde auch vom BAG die Frage nach einer Schwerbehinderung für grundsätzlich zulässig erachtet. Erst nach der Einführung des § 81 II SGB IX, der eine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung ausdrücklich verbietet, wurde die Frage nach der Schwerbehinderung überwiegend  für grundsätzlich unzulässig erachtet. Insoweit hat auch das AGG im Jahr 2007 keine bedeutenden Neuerungen gebracht. Im Rahmen von Bewerbungsgesprächen und Bewerbungsfragebögen führt die Frage nach der Schwerbehinderung zum einen dazu, dass der Arbeitgeber ein Indiz für eine Diskriminierung im Sinne des § 22 AGG schafft. Zum anderen ist der Bewerber nicht verpflichtet, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Verschweigt er eine bestehende Schwerbehinderung, so berechtigt dies den Arbeitgeber nicht zur Anfechtung des in der Folge geschlossenen Arbeitsvertrages.

Nicht zu verkennen ist allerdings, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran haben kann, nach einer Schwerbehinderung zu fragen. Eine Diskriminierung wäre etwa dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alleine deshalb nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung fragt, weil er den Arbeitsplatz mit einem Schwerbehinderten besetzen möchte. Hierbei würde es sich um eine positive Maßnahme im Sinne von § 5 AGG handeln, die dazu dienen soll, eine bestehende Benachteiligung auszugleichen oder abzumildern.

Ist ein Mitarbeiter bereits eingestellt worden, ist die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung jedenfalls dann zulässig, wenn das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Ab diesem Zeitpunkt hat der schwerbehinderte Mitarbeiter den Sonderkündigungsschutz nach § 85ff. SGB IX. Dies gilt nach Auffassung des BAG (Urt. 16.02.2012 - 6 AZR 553/10) insbesondere dann, wenn die Frage zur Vorbereitung einer Sozialauswahl im Rahmen eines Personalabbaus gestellt wird. Beantwortet der Arbeitnehmer in diesem Fall die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig mit "Nein", kann er sich in einem späteren Kündigungsschutzprozess nicht mit Erfolg darauf berufen, die Sozialauswahl sei fehlerhaft, weil seine Schwerbehinderung nicht berücksichtigt worden sei. Hierin liegt ein unbeachtliches widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers.

Auch datenschutzrechtliche Bedenken griffen im von BAG (a.a.O) entschiedenen Fall nicht durch.
Die Datenerhebung war gem. § 28 VI Nr. 3 BDSG zulässig, da sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich war und kein Grund zur Annahme bestand, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen einem Ausschluss der Datenerhebung überwogen haben könnte. § 28 VI Nr. 3 BDSG umfasse gerade auch den Fall, dass die Datenerhebung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Arbeitgebers Rechnung zu tragen. Hier ging es dem Arbeitgeber insbesondere darum, seine gesetzlichen Pflichten gegenüber Schwerbehinderten zu erfüllen.
 

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