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Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Kündigungsschutzrecht

Betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung liegen vor, wenn durch eine unternehmerische Entscheidung die Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer weggefallen ist. Die Beschäftigungsmöglichkeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer auf Grund betrieblicher Umstände nicht mehr vertragsgerecht eingesetzt werden kann.

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Risiko, den Arbeitnehmer vertragsgemäß beschäftigen zu können. Das bedeutet, dass bei betriebsbedingten Kündigungen grundsätzlich die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten werden muss. Betriebsbedingte Kündigungen sind daher regelmäßig nur als ordentliche Kündigung möglich. Auch das BAG (Urt. v. 24.01.2013 - 2 AZR 453/11) hat jüngst wiederholt betont, dass eine außerordentliche Kündigung bei einem ordentlich kündbaren Mitarbeiter grundsätzlich nicht in Frage kommt und ausgeführt:

"Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich 
kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten."

Nur in eng umrissenen Ausnahmefällen kommt eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung in Betracht. Relevant wird dies insbesondere bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern. Ordentliche Unkündbarkeit kann sich etwa aus tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften ergeben. So enthalten zum Beispiel die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes eine altersbedingte Unkündbarkeit.

Will der Arbeitgeber nun einen Betrieb oder Betriebsteil schließen und ist eine Versetzung in einen anderen Betrieb nicht möglich, so könnte der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu dem Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber trotz Wegfall des Beschäftigungsbedarfs das Arbeitsverhältnis nicht beenden könnte. In diesen Ausnahmefällen kommt eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Der Arbeitgeber muss diese jedoch unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist, die der längsten gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist entsprechen muss, aussprechen.

Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist kann nach Auffassung des BAG grundsätzlich auch in Betracht kommen, wenn in der betroffenen Einheit  - Betrieb oder Betriebsteil -  ein hoher Prozentsatz von ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern beschäftigt ist und sich der Arbeitgeber entschließt Tätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben und dadurch der Beschäftigungsbedarf entfällt.

Noch höhere Anforderung an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung sind dann zu stellen, wenn keine Betriebsschließung geplant ist, sondern der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs sich nur auf einen konkreten Arbeitsplatz bezieht. Hier hat der Arbeitgeber eine quasi Sozialauswahl mit anderen vergleichbaren Arbeitnehmern zu treffen. Sind andere vergleichbare Arbeitnehmer ordentlich kündbar, so diese ggf. vorrangig zu kündigen und der ordentlich unkündbare Mitarbeiter auf diesen Arbeitsplatz zu versetzen. Der Arbeitgeber ist - allgemein gesprochen - verpflichtet, mit allen ihm zumutbaren Mitteln eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Erst wenn tatsächlich keinerlei Möglichkeit besteht, kann eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist in Betracht gezogen werden.

Ist der Mitarbeiter befristet beschäftigt und eine ordentliche Kündigung deshalb nicht möglich, ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Befristung zugemutet werden kann. Hierfür reichen Zahlungsschwierigkeiten alleine nicht aus. Regelmäßig wird in einem solchen Fall eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nicht in Frage kommen.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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Social Media und Direktionsrecht des Arbeitgebers

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Social Media Direktionsrecht

Social Media wird auch im Arbeitsleben und damit auch im Arbeitsrecht immer wichtiger und gleichzeitig auch brisanter. Nicht nur Kündigungen wegen negativer Äußerungen über den Arbeitgeber in sozialen Netzwerk sind insofern praxisrelevant, sondern auch die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Bereich Social Media.

Das Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsvertrags Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen festzulegen. Weisungen, die Social Media betreffen sind in mehrerer Hinsicht denkbar. Zum einen kann der Arbeitgeber ein Interesse daran haben, die Nutzung von sozialen Netzwerken zu verbieten, etwa weil er eine Rufschädigung oder eine Vernachlässigung der Arbeitspflicht fürchtet. Andererseits kann der Arbeitgeber auch ein Interesse daran haben, dass Mitarbeiter soziale Netzwerke für ihn zu PR- und Werbezwecken nutzen. Man denke nur an die weit verbreiteten Facebook-Fanpages.

Einfach zu beantworten ist die Frage, ob der Arbeitgeber die Nutzung von Social Media außerhalb der Arbeitszeit verbieten darf. Da es sich hier nicht um Arbeits- sondern Freizeit handelt, ist insofern ein Verbot nicht möglich.

Während der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber grundsätzlich generell die Nutzung des Internet zu privaten Zwecken verbieten und damit auch die private Nutzung von Facebook, Xing und Co.
Besteht kein derartiges Verbot, so ist der Arbeitnehmer auch während der Arbeitszeit grundsätzlich zur Nutzung von sozialen Netzwerken berechtigt. Es gelten die Grenzen, die die Rechtsprechung allgemein für die Internetnutzung am Arbeitsplatz aufgestellt hat.

Quasi spiegelbildlich stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine bestimmte Nutzung von Social Media zu dienstlichen Zwecken anordnen kann. Problematisch erscheint hier, dass der Arbeitnehmer dann typischerweise einen Account anlegen und dort seine persönlichen Daten ggf. nebst Foto eingeben muss. Hier gilt der Grundsatz, dass die Nutzung von Social Media Diensten nur dann einseitig angeordnet werden kann, wenn sich eine entsprechende Pflicht aus dem Vertragsverhältnis herleiten lässt. Dies dürfte etwa bei Mitarbeitern im PR-Bereich typischerweise der Fall sein, oder bei Mitarbeitern einer Personalberatung, die sich auf die Internetsuche von potentiellen Bewerbern spezialisiert hat.

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Freiwilligkeitsvorbehalt und Transparenzkontrolle - BAG bestätigt Rechtsprechung

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Freiwilligkeitsvorbehalt Transparenz

Der 10. Senat des BAG hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 17.04.2013 erneut  mit einer arbeitsvertraglichen Formulierung zur Freiwilligkeit eines 13. Gehalts befasst. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag hieß es hierzu:

"Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann."

In einer kurze Zeit später getroffenen Vereinbarung war folgendes festgehalten:

"Die Mitarbeiterin erhält ab o. g. Datum ein mtl. Bruttogehalt von DM 4.000,00. Des Weiteren wird vereinbart, dass das 13. Monatsgehalt in Höhe von DM 4.000,00 voll gezahlt wird.“

Die Beklagte weigerte sich im Jahr 2010 eine Sonderzahlung zu erbringen. Sie war der Auffassung, wegen der ursprünglichen Formulierung im Arbeitsvertrag bestehe kein Anspruch auf ein 13. Gehalt.

Das BAG teilte diese Auffassung nicht. Die vertragliche Formulierung lasse mehrere Interpretationsmöglichen zu, so dass unter Anwendung der Unklarheitenregelung (§305c BGB) der für den Arbeitnehmer günstigsten Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben sei. Die streitgegenständliche Klausel lasse einerseits die Auslegung zu, dass ein 13. Gehalt gewährt werde, das anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt werden könne. Andererseits könne die Klausel auch so zu verstehen sein, dass gerade kein Anspruch auf das 13. Gehalt begründet werden sollte.
Da keine von beiden Auslegungsvarianten den klaren Vorzug verdiene und erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestünden, sei der für die Klägerin günstigsten Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben. Der geltend gemachte Anspruch stehe ihr danach zu.

Auch diese Entscheidung zeigt wieder, welch hohen Voraussetzungen das BAG an die Formulierung für die sog. "freiwilligen sozialen Leistungen" im Hinblick auf deren Transparenz stellt. Es darf nicht im Ansatz der Eindruck erweckt werden, dem Arbeitnehmer stehe ein Anspruch auf die Leistung zu. Hier ist bei der Vertragsgestaltung höchste Vorsicht angebracht!

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Die Massenentlassungsanzeige

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Massenentlassung


Beschäftigt ein Arbeitgeber mehr als zwanzig Mitarbeiter und möchte er mehrere Kündigungen aussprechen, sollte er in jedem Fall prüfen, ob er eine sog. Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit erstatten muss. Gem. § 17 I KSchG muss der Arbeitgeber, eine solche Anzeige erstatten, bevor er
  • in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Der gesetzgeberische Gedanke hinter der Regelung war, die Agentur für Arbeit in die Lage zu Versetzen, bei anstehenden Massenentlassungen rechtzeitig und effektiv Maßnahmen zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit ergreifen zu können. Also insbesondere frühzeitig mit einer Arbeitsvermittlung beginnen zu können. Vor allem die europarechtlichen Entwicklungen haben aber dafür gesorgt, dass die §17ff. KSchG nun auch in gleicher Weise dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers dienen. Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften ist nicht möglich.

Die Massenentlassungsanzeige ist grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungen.
Nicht anzeigepflichtig sind Entlassungen in Betrieben mit in der Regel 20 oder weniger Arbeitnehmern. Auch Saison- und Kampagne-Betriebe sind ausgenommen, sofern die Entlassungen im kausalen Zusammenhang im der Eigenart als Saison- oder Kampagne-Betrieb stehen, § 22 I KSchG.

Den Betriebsbegriff fasst der EuGH im Bereich der Massenentlassung deutlich weiter als das BAG. Insbesondere verlangt der EuGH weder eine rechtliche oder wirtschaftliche Verselbständigung der Einheit, noch eine einheitliche Leitung.

Entlassung im Sinne des § 17 KSchG ist nach Auffassung des EuGH die Kündigungserklärung des Arbeitgebers bzw. der Ausspruch der sonstigen Beendigungserklärung. Unerheblich ist dagegen, wann die Kündigung wirksam wird. Dies ist entscheidend für den 30-Tage-Zeitraum. Es kommt somit entscheidend darauf an, wie viele Kündigungen der Arbeitgeber binnen 30 Kalendertagen ausspricht. Hierzu zählen auch Änderungskündigungen, sofern der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt hat. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer bereits eine Anschlussbeschäftigung gefunden hat. Nicht als Entlassung anzusehen ist dagegen der Eintritt in der Ruhestand oder Vorruhestand, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht.

Keine Rolle für die Massenentlassungsanzeige spielen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf oder Eintritt einer Bedingung.

Für Aufhebungsverträge enthält § 17 I 2 KSchG eine besondere Regelung. Diese gelten dann als Entlassung, wenn sie vom Arbeitgeber veranlasst werden. Eine Veranlassung durch den Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung durch Eigenkündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags in Kenntnis der konkreten Kündigungsabsicht des Arbeitgebers zum selben Zeitpunkt vornimmt, zu dem anderenfalls der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen würde. Dies setzt zum einen voraus, dass der Personalabbau konkret geplant ist und der Arbeitnehmer auch davon betroffen ist.

Fristlose Kündigungen werden gem. § 17 IV 2 KSchG bei der Berechnung der Anzahl der Entlassungen nicht mitgezählt. Eine Ausnahme dürfte aber für außerordentliche betrieblich oder wirtschaftlich bedingte Kündigungen gelten, wobei es sich hier um Extremfälle handeln muss.
Gem. § 17 II 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, sofern ein Betriebsrat gebildet ist, diesem rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte über die beabsichtigten Entlassungen zu erteilen und ihn schriftlich zu unterrichten über
  • die Gründe für die geplanten Entlassungen,
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer,
  • die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer,
  • die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien
Der Arbeitgeber hat dann mit dem Betriebsrat die Möglichkeiten der Verhinderung oder Einschränkung der Entlassungen zu beraten und ihre Folgen zu mildern. Der Betriebsrat sollte möglichst eine Stellungnahme zu den vom Arbeitgeber vorgelegten Informationen verfassen.
Bei den Beratungen muss kein Einvernehmen zwischen den Betriebsparteien erzielt werden, vielmehr ist der Arbeitgeber auch berechtigt, an seinen Planungen festzuhalten oder die Vorstellungen des Betriebsrats nur teilweise mit einfließen zu lassen. Die Beratungen müssen jedoch vor dem Ausspruch der Kündigungen abgeschlossen sein.

Die Stellungnahme des Betriebsrats ist gem. § 17 III KSchG der Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit beizufügen. Geschieht dies nicht, ist die Anzeige schon deshalb unwirksam. Die Stellungnahme kann aber nachgereicht werden, wenn der Betriebsrat spätestens zwei Wochen vor Vervollständigung der Anzeige unterrichtet worden ist. Erst mit dem Nachreichen der Stellungnahme ist die Anzeige vollständig. Gibt es keine Stellungnahme des Betriebsrats, muss der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 II 1 KSchG unterrichtet hat. Zudem muss er den Stand der Beratungen darlegen.
Inhaltlich muss die Anzeige gem. § 17 III 4 KSchG folgende Angaben enthalten:
  • Name des Arbeitgebers
  • den Sitz und die Art des Betriebes
  • die Gründe für die geplanten Entlassungen
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
Außerdem soll die Anzeige im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer enthalten.

Der Arbeitgeber muss eine Abschrift der Anzeige am Betriebsrat zuleiten. Dieser ist berechtigt, seinerseits eine (weitere) Stellungnahme an die Agentur für Arbeit zu übermitteln.

Ist die Anzeige eingereicht, beginnt die sog. Sperrfrist nach § 18 I KSchG. Danach  werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam. Die Agentur für Arbeit kann die Zustimmung auch rückwirkend erklären. Die Sperrfrist kann im Einzelfall gem. § 18 II KSchG verlängert werden. Endet die Sperrfrist, so beginnt mit dem Tag ihres Ablaufs die sog. Freifrist. Diese beträgt 90 Tage innerhalb derer die Kündigungen ausgesprochen werden könnte. Danach müsste – sofern die Voraussetzungen des § 17 KSchG vorliegen – für weitere Kündigungen eine neue Anzeige eingereicht werden.

Nicht jeder Fehler in einer eingereichten Massenentlassungsanzeige führt allerdings zu ihrer Unwirksamkeit und damit der Unwirksamkeit einer eventuellen Kündigung. Vielmehr ist zwischen Soll-Bestimmungen und zwingenden Bestimmungen zu unterscheiden. So handelt es sich etwa bei der Angabe der zu entlassenden Arbeitnehmer um eine Muss-Angabe, deren Fehlen grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Anzeige führt. Nach einer aktuellen Entscheidung des BAG (Urt. v. 28.06.2012 - 6 AZR 780/10, abrufbar unter www.bundesarbeitsgericht.de)  können sich aber nur solche Arbeitnehmer auf diesen Fehler berufen, die nicht von der Anzeige erfasst wurden.

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Das betriebliche Eingliederungsmanagement

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Stichworte: Eingliederungsmanagement Arbeitsunfähigkeit


Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, sieht der Gesetzgeber in § 84 II SGB IX ein besonderes Verfahren vor, um dem Mitarbeiter den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement. 
§ 84 II SGB IX gilt für alle Betriebe unabhängig von der Beschäftigtenzahl und auch wenn kein Betriebsrat und keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist. Besteht die Obliegenheit des Arbeitgebers nicht nur gegenüber Schwerbehinderten, sondern gegenüber allen Arbeitnehmern.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) ist ein konsensorientiertes Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Beteiligung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Schwerbehindertenvertretung. Letztendlich soll in dem Verfahren unter den Beteiligten erörtert werden, wie die Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen  überwunden werden kann und welche Hilfen oder Leistungen in Frage kommen, um erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. 

Das BEM beginnt mit einem Schreiben des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer und dem Angebot an diesen, ein BEM durchzuführen. Der Arbeitnehmer ist hierbei über den Zweck und die Ziele des Verfahrens sowie über Art und Umfang der für das BEM verwendeten und erhobenen Daten zu unterrichten. Letzteres hat den Hintergrund, dass beim BEM sensible Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers verwerten werden. Der Arbeitnehmer soll also genau einschätzen können, was auf ihn zu kommt und vollständig informiert seine Entscheidung für oder gegen das BEM treffen.  

Ein BEM findet nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers statt. Auf die Freiwilligkeit des BEM ist der Arbeitnehmer gesondert hinzuweisen. Eine Zustimmung des Arbeitnehmer ohne ordnungsgemäße Unterrichtung wäre unwirksam.

Stimmt der Arbeitnehmer zu, so ist die konkrete, individuelle Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers mit den Beschäftigungsanforderungen zu vergleichen. Dies verlangt als erstes die Beurteilung der gesundheitlichen Risiken am konkreten Arbeitsplatz. Hier kann ggf. auf eine vorliegende Gefährdungsbeurteilung für den konkreten Arbeitsplatz zurückgegriffen werden. Ansonsten müsste diese noch unter Beteiligung des Betriebsrats nachgeholt werden. Hier kann sich zeigen, dass die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Anpassung der Arbeitsbedingungen erreicht werden kann. Ein typisches Beispiel wäre etwa die Anschaffung eines ergonomisch geformten Bürostuhls bei einem Rückenleiden. Im Übrigen ist quasi am „runden Tisch“ nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Wichtig ist, dass jeder Verfahrensschritt des BEM von der Einwilligung des Arbeitnehmers umfasst sein muss.

Die Beteiligung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Schwerbehindertenvertretung ist verbindlich, sofern die Zustimmung des Arbeitnehmers dazu vorliegt. Diese können zudem selbst aktiv werden und vom Arbeitgeber die Einleitung eines BEM verlangen. 

Daneben sieht § 84 II 2 SGB IX die Möglichkeit der Einschaltung der Werks- und Betriebsärzte vor. Hierdurch soll der nötige Sachverstand im Rahmen des BEM hinzugezogen werden können, falls dies erforderlich ist.

Führt das BEM nicht zu einer Lösung oder lehnt der Arbeitnehmer seine Beteiligung ab, so hat dies Konsequenzen für einen eventuellen Kündigungsschutzprozess. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber üblicherweise vortragen, warum eine anderweitige, leidensgerechte Beschäftigung nicht möglich ist und auch auf anderen Arbeitsplätzen auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen wäre. Der Arbeitgeber ist für die sog. negative Prognose vollumfänglich beweisbelastet. Führt der Arbeitgeber ein ordnungsgemäßes BEM durch und kann hier keine Lösung gefunden werden, so muss dagegen der Arbeitnehmer vollständig beweisen, dass auf einem anderen Arbeitsplatz keine erheblichen Fehlzeiten mehr entstehen werden.

Auf diese Beweislasterleichterung kann sich der Arbeitgeber allerdings dann nicht berufen, wenn er das BEM zwar durchgeführt hat, die dort gefundene Lösung aber in der Folge nicht umsetzt.

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Entgeltforderung und Insolvenz

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Stichworte: Insolvenz Entgelt

Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, § 15a InsO.

Praktisch bedeutet dies, dass kein Geld mehr vorhanden ist. Hat das Unternehmen Arbeitnehmer, stellt sich die Frage, wie deren Entgeltforderungen im Insolvenzverfahren zu behandeln sind. Der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt hier die entscheidende Zäsur dar. Handelt es sich um Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden waren, so sind diese Insolvenzforderungen. Sind die Ansprüche erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, so handelt es sich um bevorrechtigte Masseforderungen. Diese Unterscheidung macht in der Praxis regelmäßig den Unterschied, ob der Arbeitnehmer als Gläubiger noch auf eine - zumindest teilweise - Befriedigung seiner Entgeltansprüche hoffen darf.

Gleiches gilt für das Entgelt für auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschriebene Plusstunden.
Schwieriger ist die Einordnung von Sonderleistungen. Hier ist zunächst zu prüfen, ob die Sonderzuwendung Arbeitsleistung vergüten soll. Wenn ja, ist zu unterscheiden, ob die Vergütung an eine kontinuierliche Arbeitsleistung anknüpft, oder ob eine Anknüpfung an einen konkreten Zeitraum der Leistungserbringung vorliegt. Geht es um eine Honorierung für eine kontinuierliche Arbeitsleistung - wie etwa bei Bonusleistungen - ist eine zeitratierliche Zuordnung der Leistungen vorzunehmen. Kommt es dagegen auf die Arbeitsleistung zu einem konkreten Zeitpunkt (Stichtag) an, ist dieser entscheidend. 

Auf die Fälligkeit der Ansprüche kommt es dagegen nicht an. Die Entgeltansprüche werden dem Zeitraum zugerechnet, in dem die Arbeitsleistung verrichtet wurde oder etwa Annahmeverzugs nicht verrichtet werden musste.

Werden vor der Insolvenzantragsstellung Zahlungen an Arbeitnehmer geleistet, können diese unter bestimmten Voraussetzungen nach §§ 129ff. InsO vom Insolvenzverwalter angefochten werden. § 133 InsO ermöglicht die Anfechtung von Zahlungen, die in den letzten 10 Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgten. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hat und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung diesen Vorsatz kannte. Der Benachteiligungsvorsatz des Arbeitgebers und die Kenntnis des Arbeitnehmers hiervon, kann nach Auffassung des BAG (Urt. v. 29.01.2014 - 6 AZR 345/12) nur aus Indizien abgeleitet werden. Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatzes ist die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Alleine die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und die Kenntnis des Arbeitnehmers hiervon berechtigen den Insolvenzverwalter allerdings nicht schon in jedem Fall zur Anfechtung. Das BAG ist vielmehr der Auffassung, dass dieses Indiz einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden müsse (BAG, a.a.O).

Im vorgenannten Urteil hat sich das BAG insbesondere auch zum Vorliegen dieser subjektiven Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung im Fall eines Bargeschäfts geäußert. Bei einer Barzahlung des Arbeitslohns könne sich nach Auffassung des BAG demnach auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darauf beschränken, eine gleichwertige Gegenleistung für die zur Fortführung des Unternehmens nötige Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass ihm eine damit verbundene Gläubigerbenachteiligung bewusst wird.

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