BLOG  |  PODCAST

BAG: Entleiherbetriebsrat für Mitbestimmung bei Gestellung von Schutzkleidung für Leiharbeitnehmer zuständig

Leiharbeitnehmer bleiben gem. § 14 Abs. 1 AÜG betriebsverfassungsrechtlich auch während der Dauer ihrer Überlassung an den Entleiher dem Verleiherbetrieb zugeordnet. Grundsätzlich ist damit der Betriebsrat des Verleihers - sofern dort ein solcher gebildet ist - für die Leiharbeitnehmer zuständig. Anders ist dies jedoch dann zu sehen, wenn bzgl. des geltend gemachten Mitbestimmungsrechts auf Grund der Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Entleiherbetrieb die inhaltliche Entscheidungsmacht etwa über einzelne soziale Angelegenheiten dem Entleiherunternehmen zusteht.

Ein solcher Fall liegt nach Auffassung des BAG (Beschl. v. 07.06.2016 - 1 ABR 25/14) vor, wenn es dem Betriebsrat um eine Regelung zur Gestellung von Schutzkleidung durch den Entleiher für die Leiharbeitnehmer geht. Das BAG erachtete diesbezüglich den Betriebsrat im Entleihunternehmen für zuständig. Eine Zuständigkeit des Entleiherbetriebsrats scheidet demgegenüber aus. Dieser hat somit regelmäßig kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG für Regelungen über die Anforderungen an eine Schutzkleidung, die der Entleiher bei ihm tätigen Leiharbeitnehmern aufgrund öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzbestimmungen bereitzustellen hat.

Dr. Christian Velten
Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!



EuGH verschärft Anforderungen an Kettenbefristungen

Seit mehreren Jahren beschäftigt die Thematik der Kettenbefristungen die Arbeitsgerichte. In der Praxis ist weiterhin zu beobachten, dass Arbeitnehmer teilweise über ein Jahrzehnt oder gar länger auf der Basis einer Vielzahl von befristeten Verträgen beschäftigt werden, etwa weil über Jahre hinweg dauerhaft ein Vertretungsbedarf beim Arbeitgeber besteht. Der EuGH hatte im Jahr 2012 in seiner Entscheidung in der Rechtssache "Kücük" entschieden, dass ein dauerhafter Vertretungsbedarf einer Sachgrundbefristung in europarechtlicher Hinsicht nicht per se entgegensteht, aber den einzelstaatlichen Gerichten aufgetragen, die Befristung im Einzelfall auf einen etwaigen Rechtsmissbrauch zu überprüfen. In der Folge häuften sich Entscheidungen der Instanzgericht, bei welcher Gesamtdauer und welcher Anzahl von befristeten Verträgen, ein Rechtsmissbrauch vorliegen kann (siehe hierzu meinen Post vom 18.08.2014).

Der EuGH (Urt. v. 14.09.2016 - C-16/15 "López") hat kürzlich nun die Gelegenheit genutzt und in einem Fall aus dem spanischen Gesundheitssektor seine Vorgaben zur Rechtsmissbrauchskontrolle konkretisiert. Die neuerlichen Erwägungen des EuGH dürften als Verschärfung der Anforderungen an eine Kettenbefristung zu verstehen sein. Der Gerichtshof betont, dass die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines Bedarfs, der in Wirklichkeit kein zeitweiliger Bedarf ist, sondern ein dauerhafter und ständiger, nicht nach Art. 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse sachlich gerechtfertigt ist. Dies würde der Prämisse der Rahmenvereinbarung, die das unbefristete Arbeitsverhältnis als übliche Beschäftigungsform ansieht, zuwiderlaufen. Es müsse daher konkret geprüft werden, ob die einzelstaatlichen Befristungsregelungen nicht in Wirklichkeit dazu genutzt wurden, um einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf beim Arbeitgeber zu decken. Im Fall der Klägerin, Frau López, ging der EuGH davon aus, dass "offensichtlich" ein Missbrauch vorliege. Frau López war auf Basis von insgesamt acht befristeten Verträgen über ca. vier Jahre hinweg beschäftigt worden. 

Der EuGH ist insofern deutlich strenger als das BAG und die LAGs in Deutschland. Insbesondere das BAG hat bisher einen Rechtsmissbrauch erst dann als indiziert angesehen, wenn die Grenzen von § 14 Abs. 2 TzBfG für die sachgrundlose Befristung (maximal zwei Jahre bei maximal drei Verlängerungen des Vertrages innerhalb der zwei Jahren) nicht nur mehrfach, sondern in einem besonders gravierenden Ausmaß alternativ oder insbesondere kumulativ überschritten werden. Dies hat das BAG etwa in einem Fall von 13 befristeten Verträgen über einen Zeitraum von 11 Jahren angenommen. Die Hürden waren damit entsprechend hoch. Insbesondere, weil es Arbeitnehmern kaum gelingt weitere Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vorzutragen, als die Zahl der Befristungen bzw. Vertragsverlängerungen und die Gesamtdauer der Beschäftigung.

In Zukunft dürfte das BAG nun ebenfalls die Anforderungen an das Vorliegen eines Missbrauchs von Kettenbefristungen bei einem dauerhaften Vertretungsbedarf deutlich senken.


Dr. Christian Velten
Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!


LAG Saarland: Kündigung nach Toilettenfoto unwirksam

Kündigungsschutzprozesse fördern teilweise Aufsehen erregende Sachverhalte zu Tage. Einen besonders spektakulären Einzelfall stellt insofern die Kündigung eines Fußballers aus der 3. Liga dar, über die das LAG Saarland zu entscheiden hatte. 

Der Arbeitnehmer hatte auf der Toilette des Mannschaftshotels das Smartphone unter der Seitenwand zur Nachbarkabine hindurch gehalten und dabei die Fotofunktion ausgelöst. Nach seinen Angaben habe er lediglich mit dem Smartphone schauen wollen, wer in der Nachbarkabine war, um über das anstehende Punktspiel reden zu können ohne Internas auszuplaudern. Er sei davon ausgegangen, es müsse sich um einen Mannschaftskollegen handeln. Die Fotofunktion sei versehentlich ausgelöst worden. In der Nachbarkabine befand sich der damalige Cheftrainer der Mannschaft, der den Arbeitnehmer sofort lautstark ansprach. Das Foto wurde daraufhin gelöscht. Was genau auf dem Foto zu sehen gewesen ist, blieb unklar. Ein enstprechendes Foto tauchte im Nachgang auch nirgendwo - insbesondere nicht in den sozialen Medien auf. Der Arbeitnehmer nahm in der Folge weiterhin am Mannschaftstraining teil. Erst mehr als zwei Wochen nach dem Vorfall unterrichtete der Cheftrainer den Vorstand des Vereins von dem Vorkommnis auf der Herrentoilette. Dieser kündigte dem Spieler daraufhin fristlos.

Das LAG Saarland erachtete die Kündigung für unwirksam. Der Vorfall auf der Herrentoilette habe nicht die für einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung erforderliche Qualität. Das Gericht hielt es nicht für an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass der Spieler tatsächlich aus Versehen die Fotofunktion ausgelöst hat. Eine Straftat nach § 201a StGB wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Cheftrainers durch Bildaufnahmen, schied daher mangels Vorsatzes aus.

Damit blieb für das Gericht als pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers der Blick mittels des Smartphones in die Nachbarkabine. Zwar sei es möglich, dass das Foto nicht lediglich auf dem Smartphone gespeichert gewesen sei, sondern auch in der iCloud, da die Fotofunktion hiermit zumeist verknüpft ist. Allerdings war ein entsprechendes Foto nach den Feststellungen des Gerichts im Nachhinein nirgends mehr aufgetaucht. Das Bild auf dem Gerät selbst hatte der Spieler nach dem Wortwechsel mit dem Cheftrainer gelöscht und Einsicht gezeigt. Generell hatte der Trainer den Vorfall offenbar locker genommen und den Spieler danach spaßend mit "Fotograf" begrüßt. Auch ein Ausschluss vom Spielbetrieb war nicht erfolgt, ebensowenig Konsequenzen beim Training. Der Spieler wurde noch in zwei Drittligaspielen eingesetzt.

Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung habe somit nur punktuell bezogen auf den kurzen Zeitpunkt des Anfertigen des Fotos bis zum Löschen vom Smartphone vorgelegen. Diese überschreite die Schwelle des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB nicht. Selbst wenn dies der Fall wäre, so führt die vorzunehmende Interessenabwägung dazu, dass vor einer fristlosen Kündigung vorrangig eine Abmahnung als milderes Mittel auszusprechen gewesen wäre. 


Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!








BAG: Fristlose Kündigung eines Berufskraftfahrers wegen Konsums von Crystal Meth wirksam

Das BAG hat in einem Urteil vom 20.10.2016 die fristlose Kündigung eines Berufskraftfahrers wegen des Konsums der Droge Crystal Meth für wirksam erachtet. Der gekündigte Arbeitnehmer hatte im privaten Umfeld Crystal Meth zu sich genommen. Drei Tage später wurde der Drogenkonsum bei einer Polizeikontrolle festgestellt. Aus diesem Grund wurde der LKW-Fahrer seitens seines Arbeitgebers fristlos gekündigt.

Während die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers in den Vorinstanzen noch Erfolg hatte, wies das BAG seine Klage ab. Wie sich aus der aktuellen Pressemitteilung entnehmen lässt, legte das BAG einen strengeren Maßstab an. Das LAG habe bei der vorzunehmenden Interessenabwägung die sich aus dem Konsum der Droge ergeben Gefahren nicht ausreichend - zu Gunsten des Arbeitgebers - gewürdigt. Ob zum Zeitpunkt des Fahrtantritts noch eine Fahruntüchtigkeit des Arbeitnehmers vorgelegen habe, hielt das BAG für unerheblich. Auf eine konkrete Gefährdung des Straßenverkehrs komme es nicht an. Somit stellt bereits die abstrakte Gefährdung der Fahrtüchtigkeit bei einem Berufskraftfahrer eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung dar, die geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Wie im Rahmen des Kündigungsschutzrechts regelmäßig, handelt es sich bei der Entscheidung des BAG um eine Einzelfallentscheidung. Diese dürfte sich zumindest nicht pauschal auf andere Drogen, etwa Canabis, übertragen lassen.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!






Wann ist eine Betriebsänderung geplant?

§ 111 BetrVG verpflichtet das Unternehmen, den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. In der Praxis stellt sich häufig die Frage, zu welchem Zeitpunkt konkret die Unterrichtspflicht einsetzt. Typischerweise wird die Entscheidung über eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG auf Grund ihres einschneidenden Charakters nicht ad hoc getroffen, sondern über einen mehr oder weniger langen Zeitraum vorbereitet. Dabei ist zu beobachten, dass Arbeitgeber in der Kommunikation mit dem Betriebsrat höchst unterschiedlich agieren. Während einige Arbeitgeber durchaus offen und frühzeitig über die unternehmerischen Konzepte informieren, überraschen andere die Arbeitnehmervertretung indem aus heiterem Himmel vollendete Tatsachen geschaffen werden. 

Für Betriebsräte ist daher essentiell zu erkennen, wann der Arbeitgeber in das Planungsstadium bzgl. einer Betriebsänderung eintritt. Der Begriff "geplant" im Sinne von § 111 BetrVG ist dabei weit auszulegen. Er umfasst insbesondere auch kurzfristige Reaktionen auf aktuelle Gegebenheiten. Die Rechtsprechung deutet den Begriff der Planung primär vom Sinne und Zweck der Informationspflicht ausgehend. Der Betriebsrat soll vor abgeschlossener Willensbildung des Arbeitgebers eingebunden werden und auf die Planung Einfluss nehmen können. Eine konkrete Grenzziehung bleibt außerordentlich schwierig. Der Eintritt in das Planungsstadium lässt sich dann annehmen, wenn sich die Vorüberlegungen des Arbeitgeber im Hinblick auf ein spezifisches Planungsziel, etwa Personalabbau in gewissem Umfang, verfestigt haben. Dagegen darf aber noch kein endgültiger Entschluss vorliegen. 

An die erforderlichen Informationen, ob bereits konkretisierte Überlegungen bzgl. einer Betriebsänderung vorliegen, gelangt ein Betriebsrat auf unterschiedlichen Wegen. Das BetrVG eröffnet an verschiedenen Stellen bereits im Vorfeld Unterrichtungs- und Beratungsrechte, etwa in §§ 92, 92a zur Personalplanung. Ist zudem ein Wirtschaftsausschuss gebildet, bietet es sich an, auch dessen weitgehende Unterrichtungsrechte aus § 106 Abs. 3 BetrVG zu nutzen. Von Vorteil ist insbesondere, dass der Wirtschaftsausschuss bei Verweigerung der Information die Einigungsstelle anrufen kann, welche gem. § 109 BetrVG über das Informationsverlangen entscheidet. Da das Einigungsstellenverfahren regelmäßig deutlich schneller ist, als ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht, kann sich der Wirtschaftsausschuss deutlich schneller Zugang zu den erforderlichen Planungsunterlagen verschaffen.

Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht rechtzeitig und umfassend über eine geplante Betriebsänderung, besteht für den Betriebsrat die Möglichkeit, den Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zur Unterlassung der Betriebsänderung im Wege einer einstweiligen Verfügung verpflichten zu lassen. Allerdings halten nicht alle Landesarbeitsgerichte eine solche einstweilige Verfügung zum Stopp einer Betriebsänderung für zulässig. Im Ernstfall bleibt dem Betriebsrat allerdings zumeist keine andere effiziente Möglichkeit, um seinen Informations- und Beratungsanspruch durchzusetzen.


Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!

Wann hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf ein Zwischenzeugnis?

Nach § 109 GewO hat ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Hierbei kann er zudem verlangen, dass ihm ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis ausgestellt wird. Dieses bezieht sich dann nicht nur auf Angaben bzgl. Art und Dauer der Tätigkeit, sondern enthält darüber hinaus eine Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers.

Arbeitnehmer können aber auch bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Interesse an der Erteilung eines Zwischenzeugnisses haben. § 109 GewO gesteht nach seinem Wortlaut den Anspruch auf ein Zeugnis nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. In der Rechtsprechung ist allerdings mittlerweile anerkannt, dass sich ein Zeugnisanspruch auch bereits während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben kann. Ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis setzt ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers voraus. Ein solches berechtigtes Interesse kommt etwa bei einem Vorgesetztenwechsel, einer Übertragung anderweitiger Aufgaben oder bei dem Wunsch des Arbeitnehmers nach einer beruflichen Veränderung in Betracht. Gleiches gilt bei einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses auf Grund Elternzeit Auch während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses kann ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Zwischenzeugnisses bestehen. Dieses ermöglicht dem Arbeitnehmer sich sinnvoll anderweitig bewerben zu können.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!

Über uns

Wir sind eine zivil- und verwaltungsrechtlich ausgerichtete Partnerschaft von Rechtsanwälten. Bei uns finden Sie Ihren Experten für die Rechtsgebiete Mietrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht. Einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt bildet das Datenschutzrecht.

Büro Gießen

Schiffenberger Weg 61
35394 Gießen

Tel.: 0641 9727668
Fax: 0641 9727669

giessen@jota-rechtsanwaelte.de

Büro Rechtenbach

Am Schwingbach 11
35625 Hüttenberg

Tel.: 06441 679766
Fax: 06441 679768

rechtenbach@jota-rechtsanwaelte.de