BLOG  |  PODCAST

Wahrung einer einstufigen tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung?

Üblicherweise enthalten Tarifverträge sog. Ausschlussfristen. Die Arbeitsvertragsparteien werden durch sie verpflichtet, Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder ganz allgemein dem Arbeitsverhältnis binnen einer bestimmten Frist geltend zu machen. Wird die Frist nicht eingehalten, so verfällt der Anspruch. Für den öffentlichen Dienst der Länder sieht der TV-L in § 37 beispielsweise vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden sind.

Eine solche Ausschlussfrist bietet - insbesondere für den Arbeitnehmer - einige Tücken. Das BAG hatte sich aktuell mit der Frage zu befassen, ob die Frist auch durch die Erhebung einer Klage beim Arbeitsgericht eingehalten ist, wenn die Klage zwar vor Fristablauf eingereicht, dem Arbeitgeber aber erst nach Ablauf der Frist zugestellt wird. Das BAG entschied, dass die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 TV-L nicht gewahrt war. Dem Arbeitnehmer half auch die Vorschrift des § 167 ZPO nicht weiter. Danach wahrt die Klageerhebung eine einzuhaltende Frist, wenn die Zustellung der Klage demnächst erfolgt. Diese Vorschrift ist aber nach Auffassung des BAG nicht auf außergerichtliche Fristen anwendbar und damit nicht auf eine Ausschlussfrist, die die schriftliche Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber dem anderen Vertragsteil verlangt. Der 4. Senat folgt damit, so die Pressemitteilung des BAG, der langjährigen Rechtsprechung des Gerichts, nach der der Gläubiger einer Forderung sich den Zeitverlust durch die - in der Sache nicht zwingend erforderliche - Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen hat.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!

Die Befristung nach dem WissZeitVG

Der sozialpolitisch erwünschte Regelfall ist seit jeher das unbefristete Arbeitsverhältnis. Für befristete Arbeitsverhältnisse gelten daher üblicherweise die strengeren Vorgaben des TzBfG. Eine weitere Sonderregelung für befristete Arbeitsverhältnisse im Bereich der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen enthält das WissZeitVG. Das WissZeitVG ermöglicht Befristungen von Arbeitsverhältnissen in größerem Umfang als das TzBfG. Das WissZeitVG sah sich nach seinem Erlass im Jahr 2007 teilweise erheblichen europarechtlichen Bedenken ausgesetzt. Der Gesetzgeber hat nun Änderungen, insbesondere in § 2 WissZeitVG vorgenommen.

Nicht verkannt darf, dass im Hochschul- und Forschungsbereich die Befristung von Arbeitsverhältnissen kaum mehr als Ausnahme, sondern viel mehr als Regelfall bezeichnet werden muss. Das wissenschaftliche Personal nutzt die Zeit der Anstellung zumeist zur eigenen Weiterqualifikation, etwa zum Verfassen einer Promotion. Das WissZeitVG ist gem. § 1 grundsätzlich nur auf wissenschaftliches und künstlerisches Personal anzuwenden. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Mitarbeiter zum wissenschaftlich oder künstlerischen Personal gehört, ist die von ihm erbrachte Dienstleistung. Bei Mischtätigkeiten muss die wissenschaftliche Dienstleistung zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. Als wissenschaftlich sind alle Tätigkeiten anzusehen, die nach Inhalt und Form einen ernsthaften und planmäßigen Versuch zur Ermittlung der Wahrheit darstellen. Es muss folglich darum gehen, neue Erkenntnisse zu gewinnen oder zu verarbeiten, mit dem Ziel, den aktuellen Erkenntnisstand der jeweiligen Disziplin zu sichern oder auszuweiten. Hierunter kann auch die Vermittlung von fachlichem oder methodischen Wissen an Studenten fallen, sondern dem Lehrenden auch die Möglichkeit zur Forschung und Reflexion bleibt.

Das WissZeitVG knüpft daher auch bei den Befristungsmöglichkeiten an die Promotion an. Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem oder künstlerischem Personal an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung für die Dauer von bis zu sechs Jahren zulässig. Gleiches gilt gem. § 2 Abs. 1 S. 2 WissZeitVG nach Abschluss der Promotion. Im medizinischen Bereich kann die Befristung für maximal neun Jahre erfolgen. Der Zeitpunkt des Abschlusses des Promotionsverfahrens stellt somit eine wesentliche Zäsur dar. Wann konkret die Promotion abgeschlossen ist, bestimmt sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften. 
Eine zentrale Änderung seitens des Gesetzgebers besteht aktuell darin, dass sowohl die Befristung vor als auch nach der Promotion zukünftig voraussetzt, dass diese zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen und künstlerischen Qualifikation des Mitarbeiters dient. Die Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifikation angemessen ist.

Die Befristungsdauer in der Qualifikationsphase nach Abschluss der Promotion verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung vor Abschluss der Promotion und Promotionszeiten ohne Beschäftigung zusammen weniger als sechs Jahre betragen. Anzurechnen auf die höchstzulässige Befristungsdauer sind nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder Forschungseinrichtung abgeschlossen wurden. Daneben sind auch entsprechende Beamtenverhältnisse auf Zeit und Privatdienstverträge nach § 3 WissZeitVG anzurechnen. Befristete Arbeitsverhältnisse als studentische Hilfskraft vor Abschluss des Studiums bleiben dagegen unberücksichtigt. Hierdurch soll verhindert werden, dass nur Studenten als Hilfskräfte eingestellt werden, die nicht als Doktoranden in Betracht kommen, aus Angst, dass eine spätere Befristung während oder nach der Promotion nur noch für einen kürzeren Zeitraum in Betracht käme.

Innerhalb der beiden Sechs-Jahres-Zeiträume ist auch die Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages zulässig, § 2 Abs. 1 S. 4 WissZeitVG. Über die Dauer von sechs Jahren hinaus, kommt eine Befristung mit wissenschaftlichem oder künstlerischem Personal nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter und nur in den in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 1-5 WissZeitVG genannten Fällen in Betracht. Praxisrelevant ist diesbezüglich insbesondere die Verlängerung um die Zeiten einer Inanspruchnahme von Elternzeit.

In § 6 WissZeitVG wird zukünftig vorgesehen, dass auch Arbeitsverträge mit Studierenden zur Erbringung von wissenschaftlichen oder künstlerischen Hilfstätigkeiten ebenfalls für eine maximale Dauer von sechs Jahren befristet werden können.

Das WissZeitVG lässt daneben auch eine Befristung auf Grund einer Drittmittelfinanzierung zu. Eine Drittmittelfinanzierung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Die Dauer der Befristung soll in diesem Fall dem bewilligten Projektzeitraum entsprechen. Die Mittel können auch vom Träger der Hochschule zur Verfügung gestellt werden. Sie müssen sich aber von den laufenden Haushaltsmitteln eindeutig trennen lassen. Auf Grund der Verweisung von § 4 S. 2 WissZeitVG auf § 2 Abs. 2 WissZeitVG kann auch die Befristung von nichtwissenschaftlichem oder künstlerischem Personal auf eine Drittmittelfinanzierung gestützt werden.

Wie bei jedem befristeten Arbeitsverhältnis bedarf auch eine Befristung nach dem WissZeitVG der Schriftform. Der Arbeitgeber kann sich zudem nur dann auf die Befristungsmöglichkeiten des WissZeitVG berufen, wenn im Arbeitsvertrag festgehalten ist, dass die Befristung auf dem WissZeitVG beruht, sog. Zitiergebot.

Neben dem WissZeitVG können auch im Bereich der Hochschulen und Forschungseinrichtungen Befristungen auf das TzBfG gestützt werden. Somit ist eine Sachgrundbefristung grundsätzlich auch noch möglich, wenn die Grenzen den WissZeitVG ausgeschöpft sind. In einem solchen Fall wäre allerdings eine genaue Missbrauchskontrolle im Einzelfall angezeigt. 

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!

Die interne Stellenausschreibung im BetrVG

Die Personalplanung ist auch in Betrieben mit Betriebsrat grundsätzlich Sache des Arbeitgebers. Das BetrVG räumt dem Betriebsrat etwa §§ 92, 92a BetrVG allerdings Informations- und Beratungsrechte ein. Noch stärker ausgeprägt ist die Mitwirkung des Betriebsrat bei Stellenausschreibungen. Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass der Arbeitgeber Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausschreibt. Durch eine solche interne Stellenausschreibung soll idealerweise der innerbetriebliche Arbeitsmarkt aktiviert werden. Trotzdem muss der Arbeitgeber auch dann einem Ausschreibungsverlangen des Betriebsrats nachkommen, wenn zu erwarten ist, dass sich niemand intern auf die Stelle bewerben wird. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber plant, die Stelle mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen (BAG v. 01.06.2011 - 7 ABR 18/10).

Die interne Stellenausschreibung muss nach dem Wortlaut des § 93 BetrVG vom Betriebsrat verlangt werden oder es muss zwischen den Betriebsparteien eine Vereinbarung über Stellenausschreibung en bestehen. Betriebsräte sind gut beraten, die Ausübung ihres Verlangens ordentlich zu dokumentieren, damit insb. in ggf. folgenden Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG dargelegt werden kann, wann und wie die Stellenausschreibung vom Betriebsrat verlangt worden ist. Dabei braucht der Betriebsrat nicht für jede freie Stelle ein eigenes Ausschreibungsverlangen an den Arbeitgeber zu richten. Es ist ebenso möglich, dass der Betriebsrat allgemein verlangt, dass Stellen ausgeschrieben werden oder jedenfalls Stellen in bestimmten Tätigkeitsbereichen. In Tendenzbetrieben kann der Betriebsrat auch die Ausschreibung von Arbeitsplätzen verlangen, die mit Tendenzträgern besetzt werden sollen.

Ausschreibung im Sinne von § 93 BetrVG bedeutet die allgemeine Aufforderung, an alle oder eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern, sich für bestimmte Arbeitsplätze im Betrieb zu bewerben. Den Inhalt der Stellenausschreibung, ihre Form und ihre Dauer kann der Arbeitgeber selbst festlegen. Hierauf bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat nicht. Allerdings müssen gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein, um von einer ordnungsgemäßen Stellenausschreibung sprechen zu können. Für die Arbeitnehmer muss erkennbar sein, welche Position zu besetzen ist, welche Qualifikationen verlangt werden und welche Aufgaben mit der Position verbunden sind. Weiter sind Angaben darüber zu verlangen, ob die Stelle in Teil- und/oder Vollzeit zu besetzen ist und, ob es sich um eine befristete Stelle handelt. Die Dauer der Ausschreibung ist gesetzlich nicht festgelegt. Sie sollte aber zwei Wochen nicht unterschreiten, damit möglichst alle Mitarbeiter von ihr Kenntnis erlangen können. Insbesondere zur Festlegung eines Rahmen für Inhalt und Frist ist es sinnvoll, dass die Betriebsparteien gemeinsam Ausschreibungsgrundsätze vereinbaren.

Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle nicht aus, obwohl der Betriebsrat dies verlangt hat, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung - etwa eines externen Bewerbers - gem. § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!

Bezug von Erwerbsminderungsrente macht betriebliches Eingliederungsmanagement nicht überflüssig

§ 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet Arbeitgeber, Mitarbeitern, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sind, ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Ziel des BEM soll sein, die Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen und / oder in Zukunft zu vermeiden. Führt der Arbeitgeber das BEM nicht durch, sieht das SGB IX allerdings keine Sanktionen vor. Das Unterlassen eines BEM kann jedoch im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber und einem sich anschließenden Kündigungsschutzprozess erhebliche Auswirkungen haben. Zwar ist die Kündigung nicht per se unwirksam, allerdings stellt die Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss nun umfassend darlegen und ggf. beweisen, dass und warum eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist und auch eine leidensgerechte anderweitige Beschäftigung, ggf. unter Umgestaltung des Arbeitsplatzes, unter Berücksichtigung aller denkbaren Alternativen ebenfalls nicht in Betracht kommt. Eine solche Darlegung gelingt dem Arbeitgeber zumeist nicht.

Von einem BEM kann nach Auffassung des BAG selbst dann nicht abgesehen werden, wenn der Arbeitnehmer eine Erwerbsminderungsrente bezieht (BAG, Urt. v. 13.05.2015 - 2 AZR 565/14). Eine Erwerbsminderungsrente wird bewilligt, wenn der Arbeitnehmer unter den gewöhnlichen Arbeitsmarktbedingungen nicht in der Lage ist, zumindest für drei Stunden am Tag einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insofern führt das BAG aus, dass die Bewilligung einer solchen Rente es nicht ausschließe, dass der Arbeitnehmer weniger als drei Stunden hätte arbeiten können. Hierzu hatte der Arbeitgeber aber nicht vorgetragen, dass eine solche Beschäftigungsmöglichkeit ausscheide oder unzumutbar sei. Damit hatte er nach Auffassung des BAG seiner Darlegungslast nicht genügt. Das BAG hat den Rechtstreit an das LAG zurückverwiesen. Dieses muss dem Arbeitgeber nun die Möglichkeit einräumen, seinen Vortrag noch zu ergänzen. Ob der Arbeitgeber seiner Darlegungslast wird genügen können, bleibt abzuwarten.


Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


@ChristianVelten folgen

Mein Anwaltsprofil auf anwalt24.de
Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!



Reformentwurf zur Arbeitnehmerüberlassung

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) hat in den letzten Jahren bereits einige Änderungen und Anpassungen erfahren. Diese haben nicht dazu geführt, dass offene Fragen geklärt wurden. Der Gesetzgeber will nun mit einem neuen Reformentwurf aus dem November 2015 das Recht der Arbeitnehmerüberlassung sowie deren Abgrenzung zu anderen Beschäftigungsformen weiterentwicklen.

So wird vorgeschlagen, die Streitfrage, wie lange ein Arbeitnehmer höchstens überlassen werden darf, zu klären. Bisher regelt das AÜG lediglich, dass die Überlassung "vorrübergehend" erfolgt. Die Konsequenzen aus dieser Formulierung sind streitig. Soll hierdurch ein Einsatz auf Stammarbeitsplatzen ausgeschlossen werden? Oder soll es auf die Überlassungsdauer des einzelnen Arbeitnehmers ankommen? Für eine zeitliche Abgrenzung wurde vorgeschlagen, sich an den Grenzen des TzBfG zu orientieren. Das BAG hat bisher lediglich klargestellt, dass der zeitlich unbefristete Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem Stammarbeitsplatz nicht mehr vorrübergehend erfolgt.

Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht hier - wie bereits im Koaltionsvertrag von CDU/CSU und SPD bereits angekündigt - eine Höchstüberlassungsdauer vor. Diese soll sich auf 18 Monate belaufen. Die zeitliche Begrenzung auf 18 Monate bezieht sich nach dem Wortlaut des Entwurf auf denselben Arbeitnehmer und nicht auf den zu besetzenden Arbeitsplatz. Hieraus ergibt sich, dass ein Entleiher den überlassenen Arbeitnehmer nach 18 Monaten spätestens austauschen müsste. Ein solcher Zwangswechsel dürfte weder im Interesse des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers sein. Vor allem wird hierdurch nicht das Ziel erreicht, die Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern einzudämmen. Hierfür müsste vielmehr daran angeknüpft werden, ob für die vom Leiharbeitnehmer verrichtete Tätigkeit ein dauerhafter oder eben ein nur vorrübergehender Bedarf besteht.

Ein weiterer wesentlicher Kernpunkt des Reformentwurfs betrifft die sog. Vorratserlaubnisse. Gem. §§ 10, 9 Nr. 1 AÜG wird ein Arbeitsverhältnis zum Entleihunternehmen fingiert, wenn das Verleihunternehmen nicht über die erforderliche Überlassungserlaubnis verfügt. Da sich diese Fiktion nur auf den Fall der fehlenden Überlassungserlaubnis erstreckt, wird bisher überwiegend angenommen, die vorsorglich eingeholte Überlassungserlaubnis sei geeignet, die Fiktionswirkung des § 10 AÜG zu verhindern. Dies wurde von vielen Unternehmen genutzt, um sich insbesondere in der Grauzone zwischen Werkverträgen und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung abzusichern. Der Reformentwurf will dem begegnen und eine Geltung der Fiktionswirkung gerade auch für den Fall des Scheinwerkvertrages und der Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer einführen. Die Fiktion könnte in diesen Fällen nicht mehr durch Einholung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden. Allerdings soll die Fiktionswirkung durch ein Recht des Arbeitnehmers, der Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu widersprechen, eingeschränkt werden. Dahinter steckt wohl der Gedanke, dass dem Arbeitnehmer gegen seinen Willen kein anderer Arbeitgeber aufgezwungen werden darf als derjenige, mit dem er den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Letztlich dürfte sich diese Regelung eher wieder als Ausweg für die Unternehmen darstellen, einer Fiktion zu entgehen.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist zudem der Vorschlag für die Neuregelung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher. Ziel des Gesetzesvorschlages ist es, den Einsatz von Leiharbeitnehmern als Ersatzkräfte im Arbeitskampf zu verhindern. Bisher findet sich in § 11 AÜG lediglich die Regelung, dass ein Leiharbeitnehmer nicht verpflichtet ist, bei einem Arbeitgeber tätig zu werden, der bestreikt wird. Dem Leiharbeitnehmer steht damit ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Kündigung oder Abmahnung wären in einem solchen Fall unzulässig. Diese Formulierung wurde im Entwurf dahingehend geändert, dass der Entleiher den Leiharbeitnehmer im Arbeitskampf nicht einsetzen darf. Der Leiharbeitnehmer wird damit gezwungen an einem Arbeitskampf teilzunehmen, von dem er regelmäßig nicht profitieren wird.

Positiv zu bewerten ist der Ansatz des Gesetzgebers, die Rechtsprechung des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten des kollektiven Arbeitsrechts, etwa bei der Bestimmung der Größe des Betriebsrats, aufzugreifen. Nach dem neuen Gesetzesentwurf sollen Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten in der Betriebsverfassung - außer §112a BetrVG - und den Gesetzen, die eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmensorganen regeln (insb. MitbestG, MontanMitbestG und DrittelbG) mitzuzählen sein. Eine Prüfung, ob dies mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren ist, wie sie bisher von der Rechtsprechung vorgenommen wurde, entfällt nach dem Wortlaut des Reformvorschlages. Durch diese Regelung könnte die aktuell bestehende Rechtsunsicherheit, insbesondere bei den Schwellenwerten im Bereich der Unternehmensmitbestimmung, beendet werden.

Der Reformentwurf wurde - wohl auf Grund der massiven Kritik - einstweilen gestoppt. Es bleibt abzuwarten, welche Regelungen tatsächlich in Gesetzesform gegossen werden.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!





Wer muss für die Kosten der Betriebsratsarbeit nach einem Betriebsübergang aufkommen?

Eigentlich liest sich § 40 Abs. 1 BetrVG - im Vergleich zu anderen Normen insbesondere aus jüngerer Zeit - erfrischend klar und deutlich. "Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten des Betriebsrats trägt der Arbeitgeber. Dass hiermit nur die erforderlichen Kosten für eine sachgerechte Interessenvertretung gemeint sind, ist unstreitig. In der Praxis stellt sich zumeist die Frage nach der Erforderlichkeit bestimmter Kosten.

Problematisch kann aber auch die Frage sein, wer überhaupt Arbeitgeber und damit Kostenschuldner ist. Dies gilt besonders, wenn ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Einen solchen Fall hatte das BAG in der jüngeren Vergangenheit zu beurteilen (Beschl. v. 20.08.2014 - 7 ABR 60/12). In dem entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat zwei Beschlussverfahren eingeleitet. Im Laufe dieser Verfahren ging der Betrieb auf einen neuen Inhaber über. Nach Beendigung der beiden Verfahren begehrte der Betriebsrat in einem neuen Beschlussverfahren die Freistellung von den angefallenen Anwaltskosten - und zwar gesamtschuldnerisch vom vormaligen sowie vom aktuellen Betriebsinhaber. Dieser Rechtsstreit ging über drei Instanzen. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde der Betrieb erneut veräußert. Der Betriebsrat richtete seinen Antrag in der Folge auch gegen den aktuellen Betriebsinhaber - ebenfalls als Gesamtschuldner mit den vormaligen Betriebsinhabern.

Das BAG entschied, dass der Betriebsrat eine Kostenübernahme nur vom aktuellen Betriebsinhaber beanspruchen kann. Dass der ursprüngliche Betriebsinhaber ggf. die Kosten verursacht hatte, da er der erstmalige Antragsgegner in den Beschlussverfahren gewesen ist, spielt bei der Beurteilung keine Rolle. Folge des Betriebsübergangs ist, dass die Kostentragungspflicht aus § 40 BetrVG auf den neuen Inhaber des Betriebes übergeht. Dieser haftet für noch nicht erfüllte Freistellungsansprüche des Betriebsrats. Die vorhergehenden Betriebsinhaber haften dagegen nicht mehr.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

Impressum: hier


@ChristianVelten folgen

Mein Anwaltsprofil auf anwalt24.de
Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!



Über uns

Wir sind eine zivil- und verwaltungsrechtlich ausgerichtete Partnerschaft von Rechtsanwälten. Bei uns finden Sie Ihren Experten für die Rechtsgebiete Mietrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht. Einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt bildet das Datenschutzrecht.

Büro Gießen

Schiffenberger Weg 61
35394 Gießen

Tel.: 0641 9727668
Fax: 0641 9727669

giessen@jota-rechtsanwaelte.de

Büro Rechtenbach

Am Schwingbach 11
35625 Hüttenberg

Tel.: 06441 679766
Fax: 06441 679768

rechtenbach@jota-rechtsanwaelte.de