Die Gestaltung der Stimmzettel bei der Betriebsratswahl wird bei Vorliegen mehrerer Vorschlagslisten (sog. Listenwahl) von § 11 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 der Wahlordnung zum BetrVG vorgegeben. Unter anderem sind die Vorschlagslisten nach der Reihenfolge der Ordnungsnummern sowie unter Angabe der beiden an erster Stelle benannten Bewerberinnen oder Bewerber mit Familienname, Vorname und Art der Beschäftigung im Betrieb untereinander aufzuführen.
Werden demgegenüber auf dem Stimmzettel nicht nur die beiden ersten Bewerberinnen oder Bewerber der jeweiligen Liste genannt, sondern alle Bewerber aufgeführt, liegt nach Auffassung des BAG (Beschl. v. 16.09.2020 - 7 ABR 30/19, NZA 2020, 1642) ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift vor, der auch Auswirkung auf das Wahlergebnis haben und damit zur Ungültigkeit der Betriebsratswahl führen kann,
"§ 11 II 1 Hs. 1 WO ist eine wesentliche Wahlvorschrift. Verstößt der Wahlvorstand hiergegen, indem er sämtliche Wahlbewerber der jeweiligen Vorschlagsliste auf den Stimmzetteln aufführt, kann dies unter den Voraussetzungen des § 19 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigen." (BAG, Beschl. v. 16.09.2020 - 7 ABR 30/19)
Das BAG geht dabei davon aus, dass es sich bei § 11 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 der Wahlordnung um eine zwingende Vorschrift für die Gestaltung des Stimmzettels handelt und nicht lediglich um eine Mindestvorgabe. Dies ist auf Grund des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift auch überzeugend. Das BAG führt zudem auch den Zweck der Vorschrift an, die verhindern soll, dass durch die Ausgestaltung des Stimmzettels Einfluss auf das Wahlergebnis genommen werden könnte.
Für die Begründetheit einer Wahlanfechtung muss allerdings nicht nur ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften vorliegen, sondern dieser Verstoß muss auch Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt haben können. Aus der negativen Formulierung in § 19 BetrVG ("...es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.") ist zu folgern, dass die Voraussetzungen im Hinblick auf die Kausalität für das Wahlergebnis niedrig sind. Sofern nicht ausgeschlossen werden kann, dass ohne den Wahlrechtsverstoß das Wahlergebnis anders ausgefallen wäre oder dieses beinflusst worden ist, ist vom Vorliegen der Kausalität auszugehen.
Insofern genügt auch dem BAG an dieser Stelle die - zwar recht theoretische, aber eben nicht ausgeschlossene - Möglichkeit, dass sich Wählerinnen oder Wähler bei ihrer Stimmabgabe von der Anzahl der Kandidaten auf den zur Wahl stehenden Vorschlagslisten beeinflussen ließen, um die Wahl für ungültig zu erklären.
Die Entscheidung ermahnt wieder einmal nachdrücklich, die Wahlvorschriften im Rahmen der Betriebsrats- (aber auch Aufsichtsrats-)wahl ernst zu nehmen. Liegt ein Verstoß vor, so rettet in vielen Fällen der Verweis darauf, dass das Wahlergebnis genauso ausgefallen wäre, die Wahl bei einer frist- und formgerechten Anfechtung auch nicht mehr.