Umstrukturierung: Betriebsänderung und Betriebsübergang - eine kurze Abgrenzung

In Zeiten der Digitalisierung, Corona und vielen anderen Herausforderungen für Unternehmen ist der Begriff Umstrukturierung in aller Munde. Rechtlich weist dieser Begriff zahlreiche Facetten und sowohl gesellschafts- als auch arbeitsrechtliche Aspekte auf. Heute will ich mich einmal mit zwei Begriffen beschäftigen, die im Zusammenhang mit Umstrukturierungen gerade eine erhebliche Aktualität und Praxisbedeutung haben. Arbeitsrechtlich sind sie gerade für Betriebsräte oft nicht einfach korrekt einzuordnen und vor ihre Verhältnis zueinander. Nämlich die Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG und der Betriebsübergang nach § 613a BGB.

Veränderung

Ich will an dieser Stelle bei Begriffe nicht in ihren Untiefen und Details erläutern. Dies würde den Umfang eines solchen Blogbeitrags bei weitem sprengen. Mir geht es mehr darum eine erste Orientierung zu geben, wenn in eurem Betrieb der Begriff Umstrukturierung fällt. Denn eine Umstrukturierung kann ganz unterschiedliche Formen haben und je nach Konstellation besteht die Herausforderung für die Praxis darin, überhaupt zunächst einzuordnen, auf welchen Ebenen (Unternehmensebene, betriebliche Ebene oder beides) die Umstrukturierung stattfinden und welche Auswirkungen dies hat, insbesondere für die Informationsrecht und Mitwirkungs- bzw. Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte. Nur wenn ich hier den Kompass bereits richtig einsetze und die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten richtig einordne, können die Beteiligungsrechte- und Möglichkeiten des Betriebsrats rechtlich korrekt zugeordnet und wahrgenommen werden.

Umstrukturierungen können sich nach einer ganz verbreiteten Einordnung zunächst sowohl auf der Unternehmensebene, also insbesondere in den gesellschaftsrechtlichen Strukturen abspielen, als auch auf der arbeitsrechtlichen Ebene, insbesondere bei Änderungen in der betrieblichen Organisationsstruktur. Unternehmensumstrukturierungen auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene finden ihre gesetzliche Grundlage im UmwG und können zB in der Form einer Verschmelzuung oder Spaltung vorkommen. Auch das UmwG regelt, wenn auch nur am Rande Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen etwa die Verpflichtung des Unternehmens zur Übermittlung der jeweiligen vertraglichen Grundlagen für die Umwandlung. Betriebliche Änderungen spielen sich dagegen nicht auf der gesellschaftsrechtlichen, sondern auf der betriebsorganisatorischen Ebene ab. Unter einer Betriebsänderung versteht man jede Änderung der betrieblichen Organisation, Struktur, des Tätigkeitsbereichs, der Arbeitsweise, der Fertigung sowie des Standortes. Oft ist hiermit auch eine Änderung der Identität des Betriebs verbunden.

Der Betriebsübergang ist schwieriger in dieses System der Umstrukturierungen einzuordnen. § 613a BGB ist zunächst recht eindeutig eine arbeitsrechtliche Schutzvorschrift, nach dem Vorbild der Regelung des § 566 BGB "Kauf bricht nicht Miete". Seit 1972 ist hier vorgesehen, dass im Fall eines rechtsgeschäftlichen Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils auf einen Nachfolger, dieser in die Rechts und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältissen eintritt. Die Arbeitsverhältnisse gehen damit automatisch auf diesen über. Mit der Einschränkung, dass die Möglichkeit eines Widerspruchs der Arbeitnehmer besteht. Voraussetzung des Betriebsübergangs ist ua., dass der Betrieb oder der Betriebsteil unter Wahrung seiner Identität übergeht. Das bedeutet, dass sich der Erwerber quasi ins gemachte Nest setzen muss, also die bisherige Einheit nun mehr unter seiner Verantwortung für die Erzielung des arbeitstechnischen Zwecks nutzt. Was nun konkret im Einzelfall vom Erwerber übernommen werden muss, damit die Identität gewahrt wird, entscheidet primär die Eigenart des Betriebs. Grobe Richtlinie ist dabei, dass in einem produktionsmittelgeprägten Betrieb, die Identität vorrangig durch die Betriebsmittel charakterisiert wird, während insbesondere in Dienstleistungsbetrieben, deren wesentlicher Geschäftszweck in der Erbringung einer fachlich qualifizierten Dienstleistung durch die beschäftigten Arbeitnehmer besteht, im Wesentlichen durch die personellen Mittel, also die Belegschaft charakterisiert wird. Werden bei einem betriebsmittelgeprägten Betrieb, die wesentlichen materiellen Betriebsmittel – wie z.B. Maschinen etc – vom Erwerber im Rahmen eines sog. asset deals übernommen, ist dies ein sehr starkes Indiz für das Vorliegen eines Betriebsübergangs, auch wenn der Erwerber keine der Mitarbeiter freiwillig übernimmt. Umgekehrt im betriebsmittelarmen Dienstleistungsbetrieb, hier sind vielmehr im Wesentlichen die Übernahmen von Mitarbeitern und dem wesentlichen Know-how oder auch der Kundendatenbank ein entscheidender Aspekt.

Wie gesagt will ich an dieser Stelle auf die komplizierten Detailfragen des § 613a BGB nicht eingehen, sondern nur noch einmal zuammenfassen, dass es für das Vorliegen eines Betriebsübergangs auf die Übernahme einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Zielsetzung ankommt unter Wahrung der Identität der Einheit ankommt.

Vergleicht man nun die Tatbestände einer Betriebsänderung im § 111 S. 3 BetrVG zeigt sich, dass die meisten von ihnen schon inhaltlich im Widerspruch mit einer identitätswahrenden Übernahme stehe, insbesondere eine Betriebsstilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung sowie einer Einführung grundlegend neuer Arbeits- oder Fertigungsmethoden, führen zumeist gerade zu einer Änderung der Identität des Betriebs(-teils).
Insofern lässt sich festhalten, dass sich Betriebsänderung und Betriebsübergang typischerweise gegenseitig ausschließen. Ein Betriebsübergang ist mangels Änderung der Identität der wirtschaftlichen Einheit regelmäßig keine Betriebsänderung.

Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, dabei stehen zu bleiben. Denn in der Praxis kann es durchaus Fälle geben, in denen beide Rechtsinstitute ineinander greifen oder aufeinander ausgerichtet werden. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Betrieb zunächst im Sinne von § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG gespalten wird, und anschließend dann einer der an der Spaltung beteiligten Einheiten auf einen neuen Erwerber rechtsgeschäftlich übertragen wird. Oder wenn bekannt ist, dass der Erwerber bereits jetzt die Planung für eine Änderung auf der betrieblichen Ebene, z.B. die Einschränkung des Betriebs nach einigen Monaten oder die Einführung eines neuen Fertigungsverfahrens oder einer neuen Arbeitsmethode plant. Für die Praxis bedeutet dies, dass im Fall eines Betriebsübergangs zwar der Übertragungsvorgang an sich in der Regel keine Betriebsänderung darstellt, mit diesem aber weitere Maßnahmen einhergehen können, sowohl im Vorfeld als auch im Nachgang, die die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 111ff. BetrVG auslösen können.

Für Betriebsräte ist daher eine möglichst frühzeitige Information über die geplanten Maßnahmen unentbehrlich. Wichtig ist dabei auch die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsausschuss sowie den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat.

Dr. Christian Velten

Fachanwalt für Arbeitsrecht