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Arbeitsunfähigkeit als Verhinderungsgrund - Fehlerquelle bei Betriebsratsbeschlüssen

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Für verhinderte Betriebsratsmitglieder ist ein Ersatzmitglied zu laden. Ist ein Betriebsratsmitglied am Tag der Sitzung krankgeschrieben, so führt dies zumeist, jedoch nicht zwingend zu einer Verhinderung (vgl. Fitting, BetrVG, § 25 Rn. 17). Vielmehr kommt es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an, da es Fälle geben kann, in denen ein Betriebsratsmitglied zwar seine Arbeitspflicht krankheitsbedingt nicht erfüllen, aber durchaus Betriebsratsaufgaben wahrnehmen kann. Schulbeispiel ist ein Betriebsratsmitglied aus der Produktion, dass zwar auf Grund eines gebrochenen Armes zwar keine Maschine bedienen, durchaus aber an der Betriebsratssitzung teilnehmen kann. Zwar darf der Betriebsratsvorsitzende grundsätzlich von einer Verhinderung ausgehen, wenn er lediglich Kenntnis davon hat, dass ein Betriebsratsmitglied krankgeschrieben ist. Signalisiert das Betriebsratsmitglied allerdings, dass es an der Sitzung trotz Arbeitsunfähigkeit teilnehmen kann, liegt keine Verhinderung vor, so dass kein Ersatzmitglied geladen werden darf.

Eine Besonderheit besteht nach einer neueren Entscheidung des BAG im Fall von freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Bei ihnen besteht vereinfacht gesprochen, nicht mehr die Verpflichtung ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen, sondern auf Grund der Freistellung die Pflicht, Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen bzw. sich für diese im Betrieb bereit zu halten ( vgl. BAG v. 25.10.2017 - 7 AZR 731/15).  Wird ein solches Betriebsratsmitglied arbeitsunfähig geschrieben, so bedeutet dies, dass es krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, sein Betriebsratsamt auszuüben. Die Arbeitsunfähigkeit beurteilt sich bei diesem nach den wahrzunehmenden Betriebsratsaufgaben. Somit ist es bei einer Krankschreibung tatsächlich verhindert und für eine etwaige Betriebsratssitzung ein Ersatzmitglied zu laden. Eine partielle Amtsunfähigkeit eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes gibt es nach Auffassung des BAG nicht.

"Während der Dauer einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ist ein nach § 38 Abs. 1 freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert."      (BAG, Beschl. v. 28.07.2020 - 1 ABR 5/19)

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei einer Krankschreibung eines freigstellten Betriebsratsmitgliedes, selbst wenn dieses signalisiert an der Sitzung teilnehmen zu wollen, z.B. weil es um einen Beschluss von großer Tragweite geht, ein Ersatzmitglied geladen werden muss und das erkrankte freigestellte Betriebsratsmitglied auch auf keinen Fall an einer etwaigen Beschlussfassung teilnehmen darf.

Betriebsräte sind gut beraten die Verhinderung von Mitgliedern sehr sorgfältig zu prüfen, da Fehleinschätzungen schnell zur Unwirksamkeit gefasster Betriebsratsbeschlüsse führen können! 

Kein Voting über Geltung einer Betriebsvereinbarung

Es könnte ein interessanter Gedanke sein: Lassen wir doch einfach die Belegschaft darüber abstimmen, ob eine Betriebsvereinbarung gelten soll oder nicht!?

Natürlich würde eine Zustimmung der Belegschaft die Akzeptanz der getroffen Regelung erhöhen - insbesondere, wenn diese auch Pflichten der Arbeitnehmer begründet. Das Bundesarbeitsgericht hat einem solchen Vorgehen allerdings Grenzen gesetzt. Im entschiedenen Fall ging es um eine Betriebsvereinbarung, deren Inkrafttreten an die Bedingung einer einzelvertraglichen Zustimmung von 80% der Belegschaft abhängig gemacht worden war. Für den Fall, dass dieses Quorum nicht erreicht würde, konnte der Arbeitgeber trotzdem entscheiden, "dies" dennoch für ausreichend zu erklären (Zitat nach Pressemitteilung des BAG Nr. 25/20 zum Beschluss vom 28.07.2020 - 1 ABR 4/19).

Eine solche Regelung gerät allerdings in Konflikt mit wesentlichen Grundlagen der Betriebsverfassung. Das BAG hält deshalb in seinem Beschluss vom 28.07.2020 die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung für unwirksam. Sie verstoße gegen wesentliche Strukturprinzipen des Betriebsverfassungsrechts. Für Betriebsvereinbarungen gilt gem. § 77 Abs. 4 BetrVG, dass diese unmittelbar und zwingend Geltung beanspruchen. Mit ihrem Abschluss zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gestaltet sie somit nach § 77 Abs. 4 BetrVG ohne weitere Umsetzungsakte das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, d.h. es muss gerade keine Umsetzung mehr innerhalb des einzelnen Arbeitsverhältnisses erfolgen. Diese Wirkung erstreckt sich auch auf später erst eingestellte Arbeitnehmer.

Das BAG betont in seiner Pressemitteilung, dass der Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung weisungsfrei ist und sein Handeln keiner Zustimmung der Arbeitnehmer bedarf. Somit könne die Geltung einer Betriebsvereinbarung auch nicht an das Erreichen eines Zustimmungsquorums innerhalb der Belegschaft via Abschluss einer individualrechtlichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geknüpft werden.

Mit der Entscheidung des BAG scheidet eine Möglichkeit für Betriebsräte aus, sich durch die Zustimmung (einer Mehrheit) der Belegschaft Rückendeckung für die Betriebsvereinbarung zu holen. Betriebsräte sind daher gut beraten, sich klar für oder gegen eine Betriebsvereinbarung zu positionieren und die Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen. Gerade dies macht auch die Kompetenz von Betriebsräten aus.  Möchte eine Betriebsrat den Mitarbeitern die Entscheidung überlassen, ob sie an einer Regelung partizipieren wollen oder nicht, bleibt der Abschluss einer sog. Regelungsabrede mit dem Arbeitgeber als Alternative. Hier bedarf es mangels unmittelbarer und zwingender Wirkung im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung noch einer individualrechtlichen Umsetzung durch Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern.

Die genaue Reichweite des Beschlusses des BAG lässt sich aus der Pressemitteilung noch nicht endgültig entnehmen. Insofern bleiben die ausführlichen Entscheidungsgründe abzuwarten.

Corona und der Rückkehrfragebogen

Gestern haben bei uns in Hessen die Sommerferien begonnen. Nachdem in diesem Jahr über Ostern an Urlaubsreisen auf Grund des Lockdowns nicht zu denken war, zieht es viele Arbeitnehmer in diesem Sommer umso mehr in die Ferne - jedenfalls im europäischen Ausland. Dies führt dazu, dass verstärkt vor einer ansteigenden Zahl der Neuinfektionen gewarnt wird. Für Arbeitgeber stellt sich deshalb aktuell die Frage, ob die Mitarbeiter nach ihrer Urlaubsrückkehr Auskunft über das Reiseziel und insbesondere einen etwaigen Aufenthalt in einem Risikogebiet geben müssen und insofern ein entsprechendes Fragerecht besteht.

Ab in die Rente durch Betriebsvereinbarung?

Altersgrenzenregelungen in Betriebsvereinbarungen sind in der Praxis weit verbreitet. Insbesondere findet sich in Sozialplänen oft eine Regelung, die für rentennahe Jahrgänge zu einer niedrigeren Abfindung führt. Hintergrund ist zumeist die Überlegung, dass Mitarbeiter, die unmittelbar oder ggf. nach Bezug von Arbeitslosengeld, in den Ruhestand gehen können, von einer Entlassung wirtschaftlich weniger betroffenen sind, als jüngere Mitarbeiter. Mit solchen Klauseln hat sich das Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren intensiv befasst und die Voraussetzungen für deren Rechtmäßigkeit unter Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des AGG herausgearbeitet.

Weniger beachtet, sind Regelungen zu einer Altersgrenze für eine "automatische" Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters. Also letztlich einer Befristung des Arbeitsverhältnisses auf das Renteneintrittsalter.

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV)

Update 11.04.2021

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist ein besonderes betriebsverfassungsrechtliches Gremium zur Vertretung der Interessen der Auszubildenden unter 25 und der jugendlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Es handelt sich damit um ein weiteres Gremium neben der Schwerbehindertenvertretung oder dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten zur Wahrnehmung der Interessen einer bestimmten Arbeitnehmergruppe.

A. Voraussetzungen für die Bildung einer JAV

Eine JAV kann gebildet werden, wenn im Betrieb in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Durch die Altersgrenze soll der Charakter einer Interessenvertretung für jüngere Arbeitnehmer zum Ausdruck gebracht werden.

Im Rahmen des Gesetzesentwurfs zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll die Altersgrenze von 25 Jahren entfallen. Damit wären zukünftig alle zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten mitzuzählen, unabhängig von ihrem Alter.

Der Begriff der Berufsausbildung umfasst nicht nur Mitarbeiter, die eine berufliche Grundbildung nach § 1 Abs. 3 BBiG absolvieren, sondern alle Maßnahmen, die innerhalb eines Betriebs berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten oder Erfahrungen vermitteln. Damit fallen zumeist auch Anlernlinge, Praktikanten oder Volontäre unter den Begriff der Berufsausbildung. Nicht zur Berufsausbildung beschäftigt sind allerdings Schülerpraktikanten, die ein zweiwöchiges Praktikum zur Berufsorientierung absolvieren. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung bei Studenten, die Praxisblöcke im Betrieb absolvieren. Wurde zwischen dem Student und dem Unternehmen ein privatrechtlicher Vertrag über die praktische Zeit im Betrieb geschlossen, dürfte dieser regelmäßig zur Berufsausbildung beschäftigt sein. Stellt sich die Betreuung im Rahmen des Praktikums dagegen ausschließlich als Hochschulmaßnahme dar, so fällt der Student nicht in den Anwendungsbereich des BetrVG und zählt damit nicht mit.

Zudem ist Voraussetzung für die Bildung einer JAV das im Betrieb ein Betriebsrat im Amt ist.

 

B. Wahl der JAV und Zusammensetzung

 

Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Betriebsrat verpflichtet, einen Wahlvorstand für die Durchführung der Wahl einer JAV zu bestellen. Die JAV wird seit 1988 alle zwei Jahre im Zeitraum zwischen dem 01.10. und dem 30.11. gewählt. Ihre Amtszeit beträgt damit in der Regel 2 Jahre.

Größe und Zusammensetzung richten sich nach der in § 62 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Staffelung. Insbesondere legt § 62 Abs. 3 BetrVG eine zwingende Geschlechterrepräsentanz fest.

Genauso wie der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens im Rahmen der Betriebsratswahl zukünftig ausgeweitet werden soll, ist dies auch für die JAV-Wahlen geplant. Sollte das Betriebsrätemodernisierungsgesetz entsprechend dem vorliegenden Entwurf verabschiedet werden, kann künftig in Betrieben mit in der Regel bis zu 100 Jugendlichen oder zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten die Wahl der JAV im vereinfachten Wahlverfahren nach §14a BetrVG durchgeführt werden. Bisher war dies nur in Betrieben mit bis zu 50 der genannten Beschäftigten möglich. Auch die Möglichkeit für ein vereinfachtes Wahlverfahren zu optieren wird auf Betriebe mit 101 bis 200 Jugendlichen oder zur Berufsausbildung Beschäftigten ausgeweitet.

Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs unter 18 und alle Auszubildenden unter 25 Jahren. Wählbar für die JAV sind alle Arbeitnehmer des Betriebes, die das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben. Es muss sich dabei nicht zwingend um Auszubildende handeln. Eine bestimmte Betriebszugehörigkeit ist, anders als bei der Wahl des Betriebsrats, nicht erforderlich. Wird das 25. Lebensjahr von einem JAV-Mitglied während der Amtszeit vollendet, so bleibt das Mitglied bis zum Ende der Amtszeit im Amt. Dagegen kann ein Ersatzmitglied nicht mehr nachrücken, wenn es das 25. Lebensjahr vollendet hat.

Auch hier soll durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz zukünftig die Altersgrenze entfallen, so dass zur Berufsausbildung beschäftigte unabhängig von ihrem Alter wahlberechtigt und wählbar sind. 

Zwischen dem Betriebsratsamt und der Mitgliedschaft in der JAV besteht Inkompatibilität. D.h. Betriebsratsmitglieder können nicht zugleich Mitglieder der JAV sein und umgekehrt.

Ändert sich nach der Wahl der JAV die Anzahl der von ihr vertretenen Arbeitnehmer, so ändert dies grundsätzlich nichts am Bestehen und der Zusammensetzung der JAV. Eine Ausnahme besteht allerdings für den Fall, dass die Anzahl der Jugendlichen und zur Berufausbildung Beschäftigten unter 25 dauerhaft unter den Schwellenwert von mehr als 5 sinkt.

Bestehen in einem Unternehmen mehrere Jugend- und Auszubildendenvertretungen, so ist gem. § 72 Abs. 1 BetrVG eine Gesamt-JAV zu errichten.

 

C. Geschäftsführung der JAV

 

Die JAV kann in Abstimmung mit dem Betriebsrat eigene Sitzungen durchführen, § 65 Abs. 2 BetrVG. Auf ein Einverständnis des Betriebsrats kommt es dabei nicht an. Für die Geschäftsführung innerhalb der JAV verweist § 65 Abs. 1 BetrVG auf zahlreiche Vorschriften, die für den Betriebsrat gelten. Danach hat auch die JAV aus ihrer Mitte eine oder einen Vorsitzenden nebst Stellvertreter/in zu wählen. Der Vorsitzende vertritt die JAV nach außen, insbesondere gegenüber dem Betriebsrat. Über jede Sitzung ist eine Niederschrift zu fertigen, die vom Vorsitzenden und einem weiteren JAV-Mitglied zu unterzeichnen ist. Außerdem kann sich auch die JAV eine Geschäftsordnung geben.

 

D. Individuelle Rechtsstellung

 

Die individuelle Rechtsstellung eines JAV-Mitgliedes gleicht der eines Betriebsratsmitgliedes. Über § 65 Abs. 1 BetrVG findet insbesondere § 37 BetrVG entsprechende Anwendung. Somit steht auch dem JAV-Mitglied insbesondere der Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch für Zeiten erforderlicher JAV-Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG zu. Gleiches gilt für den Schulungsanspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG. Schulungen müssen von der JAV allerdings über den Betriebsrat beantragt werden.

Der Sonderkündigungsschutz des JAV-Mitgliedes ergibt sich aus § 15 KSchG. Danach bedarf die Kündigung während der Amtszeit eines wichtigen Grundes und der Zustimmung des Betriebsrates bzw. deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht. Nach Beendigung der Amtszeit besteht ein nachwirkender Kündigungsschutz für die Dauer von einem Jahr. Während dieses Zeitraums bedarf die Kündigung weiterhin eines wichtigen Grundes. Allerdings ist die Zustimmung des Betriebsrats bzw. deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht nicht mehr erforderlich.

 

E. Aufgaben der JAV

Die JAV ist immer auf die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat angewiesen. Hält sie eine konkrete Maßnahme im Interesse der jugendlichen Arbeitnehmer oder Auszubilden für angezeigt, muss sie diese beim Betriebsrat anregen. Der Betriebsrat kann dann beim Arbeitgeber auf eine Umsetzung hinwirken, sofern er dies ebenfalls für sinnvoll erachtet.
 
Daneben hat die JAV grundsätzlich das Recht, einen Vertreter mit der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung zu beauftragen, § 67 Abs. 1 BetrVG. Dieser hat ein allgemeines Teilnahmerecht an der Sitzung. Die JAV als gesamtes Gremium hat nur dann ein Teilnahmerecht ("besonderes Teilnahmerecht") an Betriebsratssitzungen, wenn dort Angelegenheiten thematisiert werden, die die Jugendlichen oder Auszubildenden besonders betreffen. Die besondere Betroffenheit kann sich entweder aus dem Alter der jugendlichen Arbeitnehmer oder der speziellen Ausbildungssituation ergeben.
 
Soweit die Beschlüsse des Betriebsrats überwiegend die Jugendlichen oder Auszubildenden betreffen, steht der JAV ein Stimmrecht zu. Insofern kommt es alleine auf die Anzahl der Betroffenen an: Sind zahlenmäßig mehr Jugendliche und zur Berufsausbildung Beschäftigte betroffen als andere Arbeitnehmer, steht der JAV das Stimmrecht zu. Stimmrecht haben dabei alle an der Betriebsratssitzung teilnehmenden JAV-Mitglieder.
 
Sowohl die besondere als auch die überwiegende Betroffenheit kommen grundsätzlich nur bei kollektiven Maßnahmen in Betracht. Nicht dagegen bei personellen Einzelmaßnahmen. So mag zwar die Beschlussfassung des Betriebsrats über die Anhörung zur Kündigung eines Auszubildenden diesen Auszubildenden besonders und zahlenmäßig ausschließlich einen Auszubildenden betreffen. Dies reicht zur Begründung eines besonderen Teilnahmerechts oder gar Stimmrechts nicht aus. Anders kann dies beispielsweise im Fall der Versetzung oder Kündigung eines Ausbilders zu sehen sein, denn hiervon ist die Gruppe der Auszubildenden kollektiv betroffen.
 
Das Teilnahmerecht und das Stimmrecht der JAV besteht auch dann, wenn über die genannten Angelegenheiten nicht der Betriebsrat, sondern ein vom Betriebsrat gebildeter Ausschuss entscheidet. Damit in solchen Fällen die JAV nicht überproportional im Vergleich zum Betriebsrat beteiligt ist, ist die Zahl der Teilnehmer der JAV entsprechend dem Verhältnis Betriebsratsmitglieder / Ausschussmitglieder zu kürzen. Wenn also der Ausschuss nur aus einem 1/4 der Betriebsratsmitglieder besteht, hat auch nur ein Viertel der regulären JAV-Mitglieder ein Teilnahmerecht. Wer an der Ausschusssitzung und ggf. der Stimmabgabe teilnehmen darf, entscheidet die JAV.
 
 Hält die JAV einen Beschluss des Betriebsrats für eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen der von ihr vertretenen Arbeitnehmer, so ist auf ihren Antrag hin der Beschluss des Betriebsrats für die Dauer von einer Woche auszusetzen, § 66 BetrVG. Innerhalb dieser Frist soll versucht werden, eine Verständigung zwischen Betriebsrat und JAV herbeizuführen. Nach Ablauf der Wochenfrist ist über den Antrag erneut zu beschließen. Wird der Antrag vom Betriebsrat bestätigt, so kann kein weiterer Aussetzungsantrag seitens der JAV gestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss nur geringfügig geändert wird.
 

 F. Der Weiterbeschäftigungsanspruch des JAV-Mitgliedes

Mitgliedern der JAV steht ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 78a BetrVG zu, wenn sie ihre Ausbildung während oder innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit beenden. Hintergrund ist, dass Ausbildungsverträge typischerweise befristet sind und der besondere Kündigungsschutz damit hinsichtlich des Auslaufens der Befristung nicht greift. Es bedarf daher eines weitergehenden Schutzes des JAV-Mitgliedes. Der Arbeitgeber ist zunächst verpflichtet, dem JAV-Mitglied bis spätestens drei Monate vor dem Ende der Ausbildung mitzuteilen, ob es übernehmen wird oder nicht. Der Schutz des § 78a BetrVG gilt auch für Ersatzmitglieder sobald sie in die JAV nachgerückt sind. Endet ihr Amt wieder, weil das ordentliche Mitglied nicht mehr verhindert ist, gilt der nachwirkende Schutz für die Dauer von einem Jahr.
 
Will das JAV-Mitglied bei einer Ablehnung seinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen, muss es seine Weiterbeschäftigung innerhalb von drei Monaten vor dem Ende der Ausbildung schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Maßgeblich ist der Tag der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Ein zu früh gestellter Antrag ist unwirksam (BAG, Urt. v. 05.12.2012 - 7 ABR 40/10). Im Einzelfall kann der Arbeitgeber aber verpflichtet sein, auf die Unwirksamkeit eines solchen Antrags hinzuweisen. Das JAV-Mitglied muss seinen Antrag nicht näher begründen. Zwingend einzuhalten ist zudem die Schriftform. Ein per Mail oder mündlich gestelltes Weiterbeschäftigungsverlangen ist nicht ausreichend. Dagegen ist das Weiterbeschäftigungsverlangen nicht vom Bestehen der Abschlussprüfung abhängig. Der Anspruch aus § 78a scheidet nur dann aus, wenn das JAV-Mitglied die Ausbildung abbricht.
 
Der Weiterbeschäftigungsanspruch bezieht sich grundsätzlich auf eine unbefristete Weiterbeschäftigung im Ausbildungsberuf und in Vollzeit.
 
Will der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigungspflicht verhindern, weil er eine Weiterbeschäftigung für unzumutbar hält, so muss er nach § 78a Abs. 4 BetrVG binnen zwei Wochen nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen festzustellen, dass kein Arbeitsverhältnis begründet wird bzw. dass ein bereits begründetes Arbeitsverhältnis aufgelöst wird. Lässt der Arbeitgeber diese Frist verstreichen, gilt ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf als begründet.
 
Zumeist wird von Arbeitgeberseite im gerichtlichen Verfahren darauf verwiesen, dass im Ausbildungsberuf kein freier Arbeitsplatz vorhanden sei. Ein solcher betriebsbedingter Grund kann grundsätzlich zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung führen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen oder einen passenden Arbeitsplatz freizukündigen. Er ist aber verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. So ist es etwa treuwidrig, wenn der Arbeitgeber einen zum Ausbildungsende frei werdenden Arbeitsplatz innerhalb der letzten drei Monate vor Abschluss der Ausbildung neu besetzt. Hat das JAV-Mitglied sich bereit erklärt, auch ausbildungsfremde Tätigkeiten zu übernehmen, muss der Arbeitgeber regelmäßig prüfen, ob anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen und falls ja, diese dem JAV-Mitglied anbieten. Daneben ist die Weiterbeschäftigung unzumutbar, wenn Gründe vorliegen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden. Dagegen kann der Arbeitgeber die Unzumutbarkeit nicht damit begründen, ein anderer Azubi habe die Abschlussprüfung besser bestanden als das JAV-Mitglied. Besteht das JAV-Mitglied allerdings endgültig die Abschlussprüfung nicht, kann die Weiterbeschäftigung unzumutbar sein. Auch hier ist allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob sich das JAV-Mitglied zur Übernahme anderweitiger Tätigkeiten bereit erklärt hat, deren Zuweisung dem Arbeitgeber zumutbar ist.

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