Nach der Wahl in den BR stellen sich schnell zahlreiche Fragen. Eine davon ist: Wie kann ich mir die Kenntnisse aneignen, die ich als BR-Mitglied benötige? Bin ich dabei auf ein Selbststudium angewiesen oder muss ich mich von langjährigen Betriebsratskolleginnen und Kollegen schulen lassen? Die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds ist so vielschichtig und komplex, dass ohne Schulungen eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung kaum möglich ist.
Die Antwort hierauf gibt § 37 Abs. 6 BetrVG. Danach sind Betriebsratsmitglieder von der beruflichen Tätigkeit für den Besuch von erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltungen freizustellen. Dabei darf keine Minderung des Entgelts erfolgen. Inhaltlich muss sich um Veranstaltungen handeln, die erforderliche Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit vermitteln. Damit ist zunächst einmal gesagt, dass sich die in der Schulung vermittelten Kenntnisse auf Gegenstände beziehen müssen, die zu den Aufgaben des Betriebsrats gehören. Darunter können nicht nur Schulungen zu den rechtlichen Grundlagen der Betriebsratsarbeit, sondern durchaus auch zu speziellen Themengebieten, wie zum Beispiel einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement, oder aber auch zu den Abläufen innerhalb des Gremiums, z.B. Protokollführung, und der Gestaltung der organisatorischen Abläufe gehören. Die Schulungskosten für in diesem Sinne erforderliche Schulungsveranstaltungen hat der Arbeitgeber nach § 40 BetrVG zu übernehmen.
Grundanliegen: Herstellung intellektueller Waffengleichheit?!
Die Formulierung, der Schulungsanspruch diene der Herstellung intellektueller Waffengleichheit, dürfte zwar etwas überspitzt sein, aber jedenfalls geht es darum, dass die Betriebsratsmitglieder in der Lage sein sollen, Maßnahmen des Arbeitgebers zu verstehen, rechtlich einzuordnen und das der Betriebsrat als Gremium seine Beteiligungsrechte qualifiziert wahrnehmen zu kann.
Die Schulung muss unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig für die sachgerechte Wahrnehmung gegenwärtiger oder in naher Zukunft bevorstehender Aufgaben sein. Die Rechtsprechung unterscheidet dabei im Wesentlichen zwischen sog. Grundlagenschulungen und Spezialschulungen.
Unabdingbar für die Betriebsratsarbeit sind Schulungen zur Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht und im allgemeinen Arbeitsrecht. Beim Betriebsverfassungsrecht handelt es sich um das unverzichtbare Handwerkszeug eines jeden Betriebsratsmitgliedes. Die Bedeutung des allgemeinen Arbeitsrechts für die Betriebsratsarbeit ergibt sich aus der engen Verzahnung von Betriebsverfassungs- und allgemeinem Arbeitsrecht. Hierzu gehören zum Beispiel Schulungen zu den Grundlagen des Kündigungsrechts oder des AGG sowie der Arbeitssicherheit und der Unfallverhütung. Auch Schulungen zu den Auswirkungen der Digitalisierung, z.B. zum Datenschutzrecht, dürften mittlerweile zu den Grundlagenschulungen gehören.
Handelt es sich um eine solche Grundlagenschulung ist eine gesonderte Darlegung einer konkreten Erforderlichkeit im Einzelfall, insbesondere eines konkreten betrieblichen Anlasses, nicht erforderlich. Zudem ist davon auszugehen, dass grundsätzlich jedes Betriebsratsmitglied über diese Grundlagenkenntnisse verfügen muss. Der Betriebsrat als Gremium kann folglich in der Regel jedes neugewählte Betriebsratsmitglied auf die entsprechenden Grundlagenschulungen entsenden.
Schulungen, die über das Grundlagenwissen hinausgehendes Spezialwissen vermitteln (Spezialschulungen), sind demgegenüber nur erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, um aktuelle oder in naher Zukunft bevorstehende Aufgaben wahrnehmen zu können. Die vermittelten Kenntnisse müssen also absehbar benötigt werden, z.B. wenn der Arbeitgeber über die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements eine Betriebsvereinbarung abschließen will oder umgekehrt der Betriebsrat insofern aktiv werden will.
Beispiele für Spezialschulungen sind:
- Mobbing
- Burnout
- Betriebliche Altersversorgung
- Alkohol- und Drogensucht im Betrieb
- Künstliche Intelligenz
- Personalplanung
- Konfliktmanagement
- Agiles Arbeiten
- Fragen von mobiler Arbeit und Telearbeit
Grundsätzlich nicht erforderlich sind dagegen Schulungen zu gewerkschaftspolitischen Themen.
Enthält eine Schulungsveranstaltung sowohl erforderliche also auch nicht erforderliche Themenkomplexe, ist zu prüfen, ob ein zeitweiser Besuch der Schulung möglich und sinnvoll ist. Falls die Schulung nur als Ganzes buchbar ist, muss sich die Erforderlichkeitsprüfung nach Auffassung des BAG auf die gesamte Schulung beziehen (BAG v. 28.09.2016 -7 AZR 699/14, NZA 2017, 69). Es kommt dann darauf an, ob der überwiegende Teil der Gesamtschulung notwendig ist.
Zudem spielt bei Spezialthemen eine Rolle, ob die entsprechenden Kenntnisse bereits im Betriebsrat vorhanden sind und bei wievielen anderen Mitgliedern. Verfügen die Mitglieder in einem gebildeten Arbeitsschutzausschuss im Betriebsrat bereits über Spezialkenntnisse in diesem Bereich, wird der Besuch einer Spezialschulung hierzu für andere Betriebsratsmitglieder nicht erforderlich sein. Allerdings kann der Betriebsrat grundsätzlich selbst entscheiden, welche Mitglieder er mit welchen Aufgabenbereichen betraut.
Der Erforderlichkeitsmaßstab bezieht sich außerdem auf Schulungsdauer und die Schulungskosten. Die zulässige Dauer der Schulung ist Einzelfall abhängig. Der Gesetzeswortlaut sieht insofern keine Höchstbegrenzung oder eine Begrenzung auf nur kurzzeitige Schulungen vor. Je nach Schulungsinhalt könnendurch aus auch zweiwöchige Schulungen erforderlich sein.
Viele Seminare für Betriebsratsmitglieder werden mittlerweile, bedingt durch die Corona-Pandemie, sowohl online als auch als Präsenzveranstaltung angeboten. Aus Sicht des Arbeitgebers liegt der Gedanke nahe, gegen die Erforderlichkeit von Präsenzschulungen einzuwenden, mit einer Onlineschulung stehe eine zeit- und kostensparende Alternative zur Verfügung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dem Betriebsrat insofern ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht. Ist er der Auffassung, dass die Wissensvermittlung vor allem bei längerdauernden Schulungen, online nicht mit der gleichen Qualität vermittelt werden kann wie bei einer Präsenzveranstaltung, darf er sich für die Präsenzveranstaltung entscheiden, auch wenn dadurch Fahrt- und Hotelkosten entstehen und die Abwesenheit vom Betrieb länger sein sollte.
Auch bei der Auswahl des Schulungsanbieters ist der Betriebsrat nicht verpflichtet, einen Vergleich anzustellen und den günstigsten Anbieter auszuwählen. Vielmehr steht ihm insofern ebenfalls ein Beurteilungsspielraum zu.
Bei der Entscheidung über die zeitliche Lage der Schulungsveranstaltung steht dem Betriebsrat ebenfalls ein Beurteilungsspielraum zu. Er hat aber betriebliche Notwendigkeiten zu berücksichtigen und dem Arbeitgeber die zeitliche Lage der Schulung und die geplanten Teilnehmer bekanntzugeben. Ist der Arbeitgeber der Meinung, dass der Betriebsrat die betrieblichen Notwendigkeiten nicht ausreichend berücksichtigt hat, kann die Einigungsstelle einberufen. Die Mitteilung des Betriebsrats über den vorgesehenen Schulungszeitpunkt sowie die Teilnehmer muss so rechtzeitig erfolgen, dass das ein mögliches Einigungsstellenverfahren noch vor dem Schulungsbeginn abgeschlossen werden kann.
Eine Verletzung dieser Mitteilungspflicht hat zwar keine Auswirkungen auf den Entgeltfortzahlungsanspruch der teilnehmenden Betriebsratsmitglieder und die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers, sie stellt aber eine Amtspflichtverletzung des Betriebsrats dar.