Das betriebliche Eingliederungsmanagement

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Eingliederungsmanagement Arbeitsunfähigkeit


Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, sieht der Gesetzgeber in § 84 II SGB IX ein besonderes Verfahren vor, um dem Mitarbeiter den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement. 
§ 84 II SGB IX gilt für alle Betriebe unabhängig von der Beschäftigtenzahl und auch wenn kein Betriebsrat und keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden ist. Besteht die Obliegenheit des Arbeitgebers nicht nur gegenüber Schwerbehinderten, sondern gegenüber allen Arbeitnehmern.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) ist ein konsensorientiertes Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Beteiligung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Schwerbehindertenvertretung. Letztendlich soll in dem Verfahren unter den Beteiligten erörtert werden, wie die Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen  überwunden werden kann und welche Hilfen oder Leistungen in Frage kommen, um erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. 

Das BEM beginnt mit einem Schreiben des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer und dem Angebot an diesen, ein BEM durchzuführen. Der Arbeitnehmer ist hierbei über den Zweck und die Ziele des Verfahrens sowie über Art und Umfang der für das BEM verwendeten und erhobenen Daten zu unterrichten. Letzteres hat den Hintergrund, dass beim BEM sensible Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers verwerten werden. Der Arbeitnehmer soll also genau einschätzen können, was auf ihn zu kommt und vollständig informiert seine Entscheidung für oder gegen das BEM treffen.  

Ein BEM findet nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers statt. Auf die Freiwilligkeit des BEM ist der Arbeitnehmer gesondert hinzuweisen. Eine Zustimmung des Arbeitnehmer ohne ordnungsgemäße Unterrichtung wäre unwirksam.

Stimmt der Arbeitnehmer zu, so ist die konkrete, individuelle Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers mit den Beschäftigungsanforderungen zu vergleichen. Dies verlangt als erstes die Beurteilung der gesundheitlichen Risiken am konkreten Arbeitsplatz. Hier kann ggf. auf eine vorliegende Gefährdungsbeurteilung für den konkreten Arbeitsplatz zurückgegriffen werden. Ansonsten müsste diese noch unter Beteiligung des Betriebsrats nachgeholt werden. Hier kann sich zeigen, dass die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Anpassung der Arbeitsbedingungen erreicht werden kann. Ein typisches Beispiel wäre etwa die Anschaffung eines ergonomisch geformten Bürostuhls bei einem Rückenleiden. Im Übrigen ist quasi am „runden Tisch“ nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Wichtig ist, dass jeder Verfahrensschritt des BEM von der Einwilligung des Arbeitnehmers umfasst sein muss.

Die Beteiligung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Schwerbehindertenvertretung ist verbindlich, sofern die Zustimmung des Arbeitnehmers dazu vorliegt. Diese können zudem selbst aktiv werden und vom Arbeitgeber die Einleitung eines BEM verlangen. 

Daneben sieht § 84 II 2 SGB IX die Möglichkeit der Einschaltung der Werks- und Betriebsärzte vor. Hierdurch soll der nötige Sachverstand im Rahmen des BEM hinzugezogen werden können, falls dies erforderlich ist.

Führt das BEM nicht zu einer Lösung oder lehnt der Arbeitnehmer seine Beteiligung ab, so hat dies Konsequenzen für einen eventuellen Kündigungsschutzprozess. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber üblicherweise vortragen, warum eine anderweitige, leidensgerechte Beschäftigung nicht möglich ist und auch auf anderen Arbeitsplätzen auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen wäre. Der Arbeitgeber ist für die sog. negative Prognose vollumfänglich beweisbelastet. Führt der Arbeitgeber ein ordnungsgemäßes BEM durch und kann hier keine Lösung gefunden werden, so muss dagegen der Arbeitnehmer vollständig beweisen, dass auf einem anderen Arbeitsplatz keine erheblichen Fehlzeiten mehr entstehen werden.

Auf diese Beweislasterleichterung kann sich der Arbeitgeber allerdings dann nicht berufen, wenn er das BEM zwar durchgeführt hat, die dort gefundene Lösung aber in der Folge nicht umsetzt.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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