Aktuelles zum Vorbeschäftigungsverbot

Stand: 31.03.2021

Das Vorbeschäftigungsverbot in der neueren Rechtsprechung

"Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat." (§ 14 Abs. 2 S. 1 u. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz)

Eine der spannendsten Entwicklungen im Arbeitsrecht hat in den letzten Jahren die Vorschrift zum sog. Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hinter sich gebracht.

§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG lässt bis zu einer Dauer von zwei Jahren grundsätzlich eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses zu. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Vorschrift soll Befristungsketten mit sachgrundlosen Befristungen vermeiden.

Der Wortlaut legt es mangels zeitlicher oder anderweitiger Begrenzung nahe, dass jegliche Vorbeschäftigung eine sachgrundlose Beschäftigung unzulässig macht. Dabei kann man ein gewisses "Störgefühl" nicht ganz von der Hand weisen, wenn man z.B. an eine Vorbeschäftigung als Aushilfe im Rahmen eines studentischen Nebenjobs denkt, die bereits Jahrzehnte zurückliegt. Bei wortlautgetreuer Auslegung käme in einem solchen Fall eine sachgrundlose Befristung eines neuen Arbeitsvertrages nicht mehr in Betracht. Ist dies aber zwingend zur Verhinderung missbräuchlicher Kettenbefristungen erforderlich und steht dem ggf. die Berufsfreiheit des Art. 12 GG entgegen?

Diese Frage hat sich 2011 auch das Bundesarbeitsgericht gestellt. Es sorgte für Aufsehen als es im Rahmen einer richterlichen Rechtsfortbildung entschied, dass für eine sachgrundlose Befristung nur eine Vorbeschäftigung aus den letzten drei Jahren schädlich sei. Dies wurde vom BAG insbesondere mit arbeitsmarktpolitischen Erwägungen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung begründet. Die Reaktionen auf diese Rechtsprechung vielen höchst kontrovers aus. Teilweise verweigerten sogar Landesarbeitsgerichte dem BAG die Gefolgschaft. Letztlich kassierte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14) die Rechtsprechung des BAG zur dreijährigen Karenzzeit im Jahr 2018 wieder. Im Grunde geht das BVerfG davon aus, dass die vom BAG vorgenomme Rechtsfortbildung nicht verfassungskonform ist. 

Bei der Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist daher wieder davon auszugehen, dass dieser gerade keine strikte Karenzzeit oder andere Einschränkungen für eine Vorbeschäftigung enthält, d.h. grundsätzlich jede Vorbeschäftigung einer sachgrundlosen Befristung entgegen steht. Allerdings benennt auch das BVerfG drei Ausnahmen, bei deren Vorliegen, eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfassungsrechtlich vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit geboten sein kann. Dies könnte zum einen bei einer sehr lang zurückliegenden Vorbeschäftigung, einer Vorschäftigung von sehr kurzer Dauer oder mit einer gänzlich andersartigen Tätigkeit sein. Hierdruch macht das BVerfG die Tür einen kleinen Spalt breit auf und eröffnet in (extremen) Ausnahmefällen den Arbeitsgerichten die Möglichkeit, im Rahmen verfassungskonformer Auslegung zur Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung zu gelangen. Die Hürden hierfür sind aber - wie bereits erste Entscheidungen des BAG zeigen - sehr hoch.

Sehr lange zurückliegende Vorbeschäftigung

Das BVerfG deutet die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung für den Fall einer sehr lange zurückliegenden Vorbeschäftigung an. Welche konkreten Zeiträume hier gelten, hat das BAG zwischenzeitlich konkretisiert. Während es eine sehr lang zurückliegende Vorbeschäftigung bei einem Zeitraum von 15 Jahren noch verneint hat (BAG v. 17.04.2019 - 7 AZR 323/17, NZA 2019, 1271), nahm es bei einem 22 Jahre zurückliegenden Arbeitsverhältnis eine verfassungskonforme Auslegung vor (BAG v. 21.08.2019 - 7 AZR 452/17, NZA 2020, 40). Aus der Begründung des BAG insbesondere der letztgenannten Entscheidung lässt sich entnehmen, dass es die Grenze voraussichtlich bei 20 Jahren ziehen wird. In diesem Fall ist eine Gefahr einer missbräuchlichen Kettenbefristung - ausgehend von einem typischerweise 40 Jahre dauernden Arbeitsleben ausgeschlossen, da nur maximal zwei sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse möglich wären.

Sehr kurze Dauer der Vorbeschäftigung

Auch für die Frage, wann eine für eine sachgrundlose Befristung unschädliche Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer vorliegt, hat das BAG erste Leitlinien entwickelt. Danach ist eine etwa sechsmonatige Vorbeschäftigung nicht mehr von sehr kurzer Dauer (BAG v. 12.06.2019 - 7 AZR 477/17). Dagegen dürfte z.B. sechswöchiger Schüler- oder Studentenjob der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen stehen.

Gänzlich andersartige Tätigkeit

Für das Vorliegen einer gänzlich andersartigen Tätigkeit reicht es nicht alleine aus, dass sich der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers geändert hat. Vielmehr muss ein erhebliches qualitatives Gefälle anzunehmen sein. Die im neu begründeten Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit muss Kenntnisse und Qualifikationen erfordern, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung notwendig waren. Auch hier kann es zum Beispiel um vorgehende Aushilfsjobs als Schüler oder Student handeln.

Das BAG (Urt. v. 16.09.2020 - 7 AZR 552/19) hervorgehoben, dass das Merkmal der ganz anders gearteten Tätigkeit z.B. bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehen müsse. Dabei sei vor allem ein inhaltlicher und lediglich ein zeitlicher Bruch der Erwerbsbiographie erforderlich. Die Aus- und Weiterbildung müsse zu einer anderen Tätigkeit befähigen, die der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung gibt, so das BAG.

Praktische Auswirkungen

Um erst gar nicht in die Verlegenheit zu kommen, die vorstehend genannten Hürden überwinden zu müssen, bietet es sich für den Arbeitgeber an, vor Vertragsschluss den Arbeitnehmer nach einer etwigen Vorbeschäftigung zu fragen. Zumal viele Arbeitgeber oft nach 10 Jahren nach dem Ausscheiden ihrer Mitarbeiter aus datenschutzrechtlichen Gründen die Personalunterlagen endgültig vernichten. (Hier kann man natürlich auch die Frage stellen, ob die Löschung jedenfalls der Grunddaten wie Name des Mitarbeiters erst nach 20 Jahre durchgeführt werden muss, wenn sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse begründet werden, eben um ein etwaige Vorbeschäftigung feststellen zu können.)

Wurde ein Arbeitnehmer nach einer Vorbeschäftigung gefragt, und hat er dies wahrheitswidrig vereint, so kann der Arbeitgeber ggf. den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Dagegen begegnen Formulierungen in Arbeitsverträgen, nach denen der Arbeitnehmer bestätigen soll, nicht zuvor in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber gestanden zu haben, AGB-rechtlichen Bedenken und dürften unwirksam sein (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2020 – 4 Sa 44/19).