Freistellung von der Arbeitsleistung nach Kündigung

Beschäftigungsanspruch vs Interesse an einer Nichtbeschäftigung

Stand: 01.04.2021

Ein Arbeitsverhältnis begründet Rechte und Pflichten sowohl auf Seiten des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers. Hauptleistungspflichten sind auf der einen Seite die Erbringung der Arbeitsleistung und auf anderen Seite (Arbeitgeber) die Zahlung der vereinbarten Vergütung.

Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses haben Arbeitgeber oftmals den Wunsch, den Arbeitnehmer nicht mehr zu beschäftigen, z.B. aus der Befürchtung heraus, der Arbeitnehmer werde nun ohnehin nicht mehr ordentlich arbeiten, vielleicht sogar Kundendaten "mitnehmen" oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausspionieren. Aber geht das so einfach? 

Zwar ist oft auch auf Seiten des Arbeitnehmers nach einer Kündigung die Motivation, noch weiter für den Arbeitgeber zu arbeiten, der ihn offenbar ja nicht mehr möchte zu arbeiten, eher gering. Ihm ist es oft ganz recht, von der Arbeitsleistung freigestellt zu werden. Dies macht auch die Suche nach einem neuen Arbeitgeber ggf. einfacher.

Rechtlich betrachtet, ist eine einseitige Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung aber nicht ganz so einfach.

In einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis hat ein Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichts (BAG GS, Beschl. v. 27.02.1985 - GS 1/84)einen aus dem allgemeinen Persönlichkeit hergeleiteten Beschäftigungsanspruch. Nach Auffassung des BAG ist das Nachgehen einer Beschäftigung Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer, solange das Arbeitsverhältnis besteht, die tatsächliche Beschäftigung verlangen.  Allerdings kann es Fälle geben, in denen der Arbeitgeber ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Nichtbeschäftigung hat. Neben den Gründen, die auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden, kann dies der Fall sein, wenn die Gefahr eines Geheimnisverrats besteht, die Vertrauensgrundlage entfallen ist oder der Arbeitgeber keine Einsatzmöglichkeit mehr hat. Für das überwiegende schutzwürdige Interesse ist der Arbeitgeber darlegungs- und ggf. beweisbelastet.

Hat der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen, stellt sich die Frage, ob für die Zeit bis zum Ablauf die gleichen Voraussetzungen für eine einseitige Freistellung vorliegen müssen. Teilweise wird vertreten, das der Arbeitgeber im gekündigten Arbeitsverhältnis generell ein berechtigtes Interesse an einer Freistellung habe. Dem dürfte aber entgegen zu halten sein, dass ein Arbeitsverhältnis auch, wenn es gekündigt ist, kein Arbeitsverhältis zweiter Klasse ist und daher der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht per se entfällt. Die neuere Rechtsprechung geht daher davon aus, dass auch im gekündigten Arbeitsverhältnis eine Interessenabwägung im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senates des BAG vorgenommen werden muss und der Arbeitgeber auch hier überwiegende schutzwürdige Interessen für die Freistellung vorweisen muss (vgl. LAG Hessen v. 14.03.2011 - 16 Sa 1677/10). Anders kann dies aber bei Mitarbeitern in einer besonders herausgehobenen und verantwortungsvollen Position zu sehen sein. Hier dürfte in der Regel ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung bestehen.

Wichtig ist zudem, dass eine einseitige Freistellung immer noch gegen Fortzahlung der Vergütung in Betracht kommt. Auch wenn der Arbeitgeber ein schutzwürdiges Interesse hat, die Arbeitsleistung nicht mehr anzunehmen, so kann er sich demgegenüber nicht der Pflicht zur Zahlung der Vergütung entziehen.

Die Hürden für eine einseitige Freistellung von der Arbeitsleistung sind danach also recht hoch. Deshalb behalten sich viele Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag das Recht vor, den Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung ggf. einseitig von Arbeitsleistung freistellen zu können. Solche Klauseln können jedoch nicht losgelöst von der nach Rechtsprechung vorgegeben Interessenabwägung eine grundlose einseitige Freistellung ermöglichen. Hier liegt jedenfalls nach der heute herrschenden Meinung in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, der hierdurch im Voraus ohne Kenntnis der jeweiligen Situation auf den Beschäftigungsanspruch verzichten würde (vgl. LAG Hessen, a.a.O.; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 611a BGB Rn. 570). Eine Freistellungsklausel sollte daher klarstellen, dass die Freistellung ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers voraussetzt sowie grundsätzlich die Fallgruppen, in denen ein solches Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung besteht, aufführen. Demgegenüber dürfte bei Personen, die in einer herausgehobenen Vertrauensposition beschäftigt sind, eine Klausel, die eine Freistellung auch ohne weitere Interessenabwägung vorsieht, nicht als unangemessene Benachteiligung und damit als wirksam anzusehen sein. Sie weicht nicht von den Grundgedanken des grundrechtlich vorgegebenen Beschäftigungsanspruchs ab.

In der Praxis wird tatsächlich häufig mit einer Kündigung zugleich die einseitige Freistellung gegen Entgeltfortzahlung ausgesprochen. Für den Arbeitnehmer bietet dies durchaus auf Grund der oben geschilderten rechtlichen Voraussetzungen tatktische Möglichkeiten. Wenn Ziel ist, möglichst schnell gegen Zahlung einer Abfindung auszuscheiden, vielleicht, weil der Arbeitnehmer bereits einen neuen Job in Aussicht hat, kann es sich anbieten mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Freistellung vorzugehen, sofern jedenfalls hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass kurzfristig - in der Regel innerhalb der nächsten 7 -10 Tage - ein Gerichtstermin anberaumt wird, der die Gelegenheit für eine gütliche Einigung bietet. Je nach Auslastung des zuständigen Arbeitsgerichts dauert es in einem Kündigungsschutzverfahren eher 2-3 Monate bis zum Gütetermin. Kann der Beschäftigungsanspruch für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden, so verliert der Arbeitnehmer zudem den Kontakt zum Betrieb nicht und erhält dadurch vielleicht Informationen, die für den Kündigungsschutzprozess bedeutsam sein können. Außerdem wird der Einigungsdruck auf Seiten des Arbeitgebers höher, wenn der Arbeitnehmer entgegen einer schon kommunizierten Freistellung wieder beschäftigt werden muss.