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Datenschutz im Aufsichtsrat

Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und das neue BDSG beschäftigen weiterhin die Unternehmen. Nicht nur die Datenschutzbeauftragten, sondern auch Arbeitsrechtler stehen noch immer vor zahlreichen - höchstrichterlich noch unbeantworteten Fragen. Auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat werden sich zukünftig intensiver mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzen müssen. Zum einen stellt sich die Frage, ob und wieweit der Aufsichtsrat die Einhaltung des Datenschutzes im Unternehmen zu überprüfen hat, zum anderen muss auch im Blick behalten werden, dass auch im Rahmen der Tätigkeit im Aufsichtsrat, das einzelne Aufsichtsmitglied ebenfalls personenbezogene Daten verarbeitet. Heißt das nun, dass das Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit verantwortliche Stelle für die Datenverarbeitung ist und folglich vor allem den hohen Geldbußen für Datenschutzverstöße ausgesetzt ist?

Kontrolle des Datenschutz-Managements durch den Aufsichtsrat?

Die neuen Vorgaben der DS-GVO zwingen die Unternehmen dazu, weitergehende Maßnahmen im Hinblick auf die Einhaltung des Datenschutzes zu treffen. Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen und insbesondere auch die Datenschutzprinzipien aus Art. 5 DS-GVO, wie Rechtmäßigkeit, Transparenz, Datenminimierung oder die Begrenzung der Speicherung von personenbezogenen Daten sind nach neuem Recht mit deutlichen höheren Bußgeldandrohungen versehen, als dies bisher nach dem alten BDSG der Fall gewesen ist. Der neue Bußgeldrahmen reicht bis zu 20 Millionen Euro bzw. 4% des weltweiten Jahresumsatzes. Natürlich werden die Aufsichtsbehörden diesen Rahmen nicht bei jedem Verstoß ausschöpfen. Es wird aber zukünftig deutlich empfindlichere Bußgelder geben, als dies bisher der Fall gewesen ist. Damit steigen die finanziellen Risiken im Unternehmen bei Datenschutzverstößen immens. Daneben darf auch nicht übersehen werden, dass die Meldepflichten für Datenpannen ebenfalls deutlich ausgeweitet wurden und somit Datenpannen und auch Datenschutzverstöße eine gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Imageschäden durch Berichte über Datenpannen im Unternehmen müssen daher tunlichst vermieden werden.

Dies alles legt nahe, dass auch der Aufsichtsrat das Thema Datenschutz nicht mehr ausblenden darf. Zwar obliegt dem Aufsichtsrat nicht die Leitung des Unternehmens. Allerdings soll der Aufsichtsrat die Geschäftsleitung, also je nach Unternehmensform zumeist Vorstand oder Geschäftsführung überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Daneben hat der Aufsichtsrat in vielen Fällen heute auch eine beratende Stellung inne.

Im Rahmen der Kontrollaufgabe erstreckt sich auf die Verhinderung bzw. Aufdeckung von Fehlern (Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 63, 6. Auflage, Köln 2014). Die Überwachungsaufgabe bezieht sich dabei auf die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Handelns der Geschäftsleitung.

Compliance-Systeme

Bzgl. des Datenschutzes ist insofern von Bedeutung, dass die Geschäftsleitung verpflichtet ist, für die Einhaltung des geltenden Rechts und damit auch der DS-GVO im Unternehmen zu sorgen. Dies wird heute zumeist mit dem englischen Begriff "compliance" umschrieben. Wie die Gesetzmäßigkeit des unternehmerischen Handelns sichergestellt wird, unterliegt zunächst dem Einschätzungsspielraum der Geschäftsleitung. Aufgabe des Aufsichtsrats ist es in diesem Zusammenhang sich von der Einrichtung eines Überwachungssystems, mit dem die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sichergestellt werden kann, zu überzeugen und dieses auf Plausibilität zu überprüfen. Außerdem muss er sich in regelmäßigen Abständen über Compliance-Maßnahmen und eine Evaluation des Systems durch die Geschäftsleitung ein Bild machen. Letztlich haftet im Rahmen dieser Aufgabendefinition nicht nur die Geschäftsleitung, sondern auch der Aufsichtsrat für Gesetzesverstöße.

Informationspflicht

Auf den Datenschutz und die DS-GVO übertragen bedeutet dies, dass der Aufsichtsrat verpflichtet ist, sich über die Maßnahmen, die die Geschäftsführung im Bereich des Datenschutzes getroffen hat, zu informieren und diese Maßnahmen im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle insbesondere auf ihre Funktionsfähigkeit hin zu kontrollieren. Der Aufsichtsrats sollte also zum Beispiel gezielt Berichte zum Stand des Datenschutz-Managements im Unternehmen anfordern. Es bietet sich zudem an, sich aktuelle Audit-Berichte des Datenschutzbeauftragten vorlegen zu lassen und nach Datenpanne im Berichtszeitraum zu fragen. Sollten Datenpannen vorgekommen sein, so muss sich zwingend die Frage nach den getroffenen Gegenmaßnahmen anschließen.

Kontrolltiefe

Natürlich kann der Aufsichtsrat auch beim Thema Datenschutz nicht jegliche Maßnahmen der Geschäftsleitung bis ins Detail überprüfen. Auch insofern gilt folgender Maßstab: Die Aufsichtsratsmitglieder sind verpflichtet, sich über den Umgang mit den Vorgaben der DS-GVO im Unternehmen, ggf. anhand von Unterlagen oder Berichten des Datenschutzbeauftragten, zu informieren und diese auf Geeignetheit und Plausibilität zu überprüfen. Danach ist regelmäßig zu kontrollieren, ob die Geschäftsführung die Funktionsfähigkeit des Datenschutz-Managements evaluiert. Also die implementierten Prozesse auf ihre Umsetzung und Geeignetheit überprüft. Natürlich sollte der Aufsichtsrat sich auch über Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden über das Unternehmen oder Datenschutzverstöße bzw. Datenpannen informieren lassen und die Gegenmaßnahmen überprüfen.

Achtung Haftung: Dies bedeutet, dass für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Kenntnisse über die Grundstruktur eines Datenschutz-Managements unerlässlich sind! Erkennen sie hier Schwachstellen im Unternehmen nicht oder reagieren sie nicht auf Datenschutzverstöße, indem sie die Gegenmaßnahmen des Unternehmens überwachen, können auch sie für verhängte Bußgelder unter Umständen haften.

Die eigene Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglieder unter der DS-GVO

Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat üben ihr Amt - jedenfalls steuerrechtlich - im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit aus. Das Aufsichtsratsmandat selbst wird mehrheitlich als korporationsrechtliches Rechtsverhältnis angesehen (Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 4. Auflage, München 2018, § 25 Rn. 82 m.w.N.). Aufsichtsratsmandat und Arbeitsverhältnis sind strikt voneinander zu trennen. Anders als beim Betriebsrat, handelt es sich bei der Aufsichtsratstätigkeit nicht kraft Gesetzes um ein Ehrenamt. In den allermeisten Fällen erhalten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auch eine - wenn auch überschaubare Vergütung - für ihre Arbeit als Aufsichtsratsmitglied. Zumindest wird ein Aufwendungsersatz in Form eines Sitzungsgeldes bezahlt.

Damit lässt sich zunächst festhalten, dass die Tätigkeit im Aufsichtsrat nicht Inhalt des zumeist mit dem Unternehmen bestehenden Arbeitsverhältnisses ist, sondern ein davon zu trennendes gesellschaftsrechtliches Rechtsverhältnis.

Im Rahmen dieser rechtlichen Beziehung erhält das einzelne Aufsichtsratsmitglied auch Zugang zu personenbezogenen Daten, die es für die Amtsausübung benötigt. Praktisch jedes Aufsichtsratsprotokoll enthält allein eine Vielzahl von personenbezogenen Daten und seien es auch nur die Äußerungen einzelner Mitglieder im Rahmen der Aufsichtsratssitzung.

Das Aufsichtsratsmitglied als Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr.7 DS-GVO?

Die Aufsichtsratsmitglieder müssen sich also zwangsläufig auch die Frage stellen, wie sie mit diesen Daten umzugehen haben. Vor allem geht es um die Frage, ob die selbstständige Tätigkeit dazu führt, dass ein Aufsichtsratsmitglied selbst Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DS-GVO für die Datenverarbeitung wird - mit der Konsequenz, dass jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied für die Einhaltung der DS-GVO im Rahmen seiner Verarbeitung von personenbezogenen Daten als Aufsichtsrat verpflichtet wäre und bei Verstößen persönlich den entsprechenden Haftungs- und Bußgeldrisiken ausgesetzt wäre.

Verantwortlich im Sinne der DS-GVO ist jede natürlich oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Damit knüpft auch die DS-GVO an die Entscheidungshoheit über die Zweckdefinition und die Mittel der Verarbeitung an. Grundsätzlich ist der Begriff des Verantwortlichen nach Auffassung des EuGH weit zu verstehen (EuGH, Urt. v. 10.07.2018 - C-25/17). Ziel der Bestimmung sei es, einen umfassenden und wirksamen Schutz der betroffenen Person sicherzustellen. Der EuGH geht davon aus, dass es bereits für Verantwortlichkeit ausreichen kann, wenn eine natürliche Person aus Eigeninteresse auf Zweck und Mittel der Datenverarbeitung Einfluss nimmt.

Ein Eigeninteresse der Aufsichtsratsmitglieder liegt zumindest bei einer Speicherung von Protokollen der Aufsichtsratssitzungen, etwa auf dem eigenen Laptop oder PC vor. Schließlich benötigt es die Protokolle ggf. um sich gegen Schadensersatzforderungen des Unternehmens zur Wehr setzen zu können. Nutzt das Aufsichtsratsmitglied auch eigene Mittel für die Datenverarbeitung, entscheidet es also selbst über die Anschaffung z.B. von Laptop oder Festplatten für Sicherungskopien, spricht viel für eine Verantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitgliedes.

Werden dem Aufsichtsratsmitglied die Mittel für die Datenverarbeitung vom Unternehmen zur Verfügung gestellt, etwa ein Dienstlaptop oder auch ein sog. Board Room, d.h. ein Art Cloudsystem für Aufsichtsratsdokumente, entscheidet das Aufsichtsratsmitglied dagegen nicht über die Mittel der Datenverarbeitung. Allerdings besteht auch in diesen Fällen trotzdem ein Eigeninteresse des Aufsichtsratsmitgliedes an der Verarbeitung, was wie dargestellt nach der Auffassung des EuGH bereits ausreichen kann, selbst wenn die Person gar nicht selbst die Datenverarbeitung vornimmt. Zudem ist das Aufsichtsratsmitglied dem Unternehmen gegenüber dem Unternehmen bei der Wahrnehmung seines Mandates nicht weisungsgebunden.

Aus letzterem Gesichtspunkt heraus scheidet meines Erachtens auch die Annahme der Konstellation der Auftragsverarbeitung zwischen Aufsichtsratsmitglied und Unternehmen aus.

Auf der anderen Seite darf nicht verkannt werden, dass die Tätigkeit im Aufsichtsrat natürlich auch und primär im Interesse des Unternehmens erfolgt. Der Zweck der Datenverarbeitung ist durch die Ausrichtung auf das sog. Unternehmensinteresse vorbestimmt. Das Unternehmensinteresse ist aber gerade nicht gleichzusetzen mit dem Interesse der Gesellschafter, sondern es definiert sich nach mittlerweile überwiegender Auffassung gerade dadurch, dass auch Interessen z.B. der Arbeitnehmer, der Öffentlichkeit und das Interesse an der Rentabilität und am Fortbestand des Unternehmens berücksichtigt werden können - und müssen. Auch hier steht am Ende eine weisungsfreie Entscheidung des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes

Vorgegeben ist natürlich, dass die Datenverarbeitung nur im Rahmen des Aufsichtsratsmandats erfolgen darf. Nur hierfür übermittelt das Unternehmen die Daten an das einzelne Aufsichtsratsmitglied. Dies ändert aber wohl nichts daran, dass das Aufsichtsratsmitglied innerhalb des gesetzlichen Rahmens (Aufsichtsratstätigkeit) den Zweck der Datenverarbeitung selbst bestimmen kann. Insbesondere ist es auf Grund der weitgefassten Regelung des § 90 Abs. 3 AktG jedem Aufsichtsratsmitglied möglich, Berichte an den Aufsichtsrat zu verlangen, die in vielen Fällen auch personenbezogene Daten beinhalten dürften. Durch diesen Hebel nimmt das Aufsichtsratsmitglied durchaus Einfluss auf die Datenverarbeitung, also z.B. welche Inhalte der Bericht durch die Geschäftsleitung aufweisen soll.

Eine entsprechende Einordnung - zumindest des Gremiums - nimmt der Landesdatenschutzbeauftragte Baden-Württemberg für den Betriebsrat vor (siehe Tätigkeitsbericht 2018, S. 38).

Um eine Verantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitgliedes zu verneinen bliebe letztlich noch die Argumentation, die letztlich von der herrschenden Meinung für den Betriebsrat herangezogen wird, nämlich, dass es sich bei den Aufsichtsratsmitgliedern um einen unselbstständigen Teil der verantwortlichen Stelle Unternehmen handelt. Dagegen spricht jedoch, dass die Aufsichtsratsmitglieder dem Unternehmen gegenüber weder weisungsgebunden sind, noch keinerlei eigene Interesse bei der Datenverarbeitung verfolgt.

Mag man bei der Frage, ob der Betriebsrat eigenverantwortliche Stelle im Sinne der DS-GVO ist noch auf die Vermögenslosigkeit des Betriebsrats, den Ehrenamtscharakter und die Unbekanntheit des Gremiums Betriebsrat in den anderen Mitgliedsstaaten der EU verweisen, ist die Stellung des Aufsichtsratsmitgliedes doch eine andere. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist gehalten im Gremium verpflichtet, bei der Entscheidungsfindung sämtliche vorliegende Daten selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen und eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Dies bezieht sich auch auf die Frage, welche Daten ggf. noch erhoben werden müssen.

Gemeinsame Verantwortlichkeit - zusammen mit dem Unternehmen?

Somit spricht im Ergebnis viel dafür, dass es sich auch bei der Zusammenarbeit von Aufsichtsratsmitglied und Unternehmen im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit um eine gemeinsame Verantwortlichkeit handelt, da beide gemeinsam die Zecke und Mittel der Verarbeitung festlegen. Eine Regelung zur gemeinsamen Verantwortlichkeit enthält Art. 26 DS-GVO. Für die Praxis würde dies vor allem bedeuten, dass eine Vereinbarung über die Ausgestaltung der Datenverarbeitung geschlossen werden müsste, in der unter anderem festgelegt ist, wer für die Einhaltung der Vorgaben der DS-GVO, z.B. der Betroffenenrechte verantwortlich ist.

Konsequenzen für die Praxis

Damit muss sich jedes Aufsichtsratsmitglied ebenfalls Gedanken machen, wie es die Vorgaben des Datenschutzrechtes einhält. Es muss u.a. die Datenschutzgrundsätze nach Art. 5 DS-GVO einhalten, ein Verarbeitungsverzeichnis führen, ggf. eine Datenschutz-Folgeabschätzung durchführen.

Wer sich als Arbeitnehmervertreter näher über das Thema informieren möchte, dem sei die Fachtagung für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrats des IFB vom 20. bis 22.05.2019 empfohlen. Dort werde ich mich in einem Workshop intensiv mit dem Datenschutz im Aufsichtsrat beschäftigen.

 

Keyloggereinsatz am Arbeitsplatz

Das BAG hat in einem Urteil vom heutigen Tag (Urt. v. 27.07.2017 - 2 AZR 681/11) nochmals aufgezeigt, dass die Verwertung der durch den Keylogger erhobenen Daten gem. § 32 Abs. 1 BDSG nur zulässig ist, wenn ein auf den Arbeitnehmer bezogener Verdacht einer Straftat oder einer ähnlich schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht, und zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist.

Prüfung von Wahlvorschlagslisten - Unverzügliche Prüfpflicht des Wahlvorstandes

Konkretisierung durch das LAG Hessen

Das LAG Hessen (Beschl. v. 07.03.2022 - 16 TaBV 108/21) hat sich einen aktuellen Beschluss mit zwei praxisrelevanten Fragen aus dem Wahlverfahren für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat befasst.

Interessant ist zunächst die Konkretisierung des LAG Hessen zur unverzüglichen Prüfpflicht des Wahlvorstandes für eingehende Wahlvorschläge. Dabei folgt das LAG der vorherrschenden Auffassung, dass der Wahlvorstand am letzten Tag der Einreichungsfrist Vorkehrungen treffen muss, um eingehende Wahlvorschläge unverzüglich prüfen zu können. Der Wahlvorstand darf nicht durch zögerliches Handeln dem Listeneinreicher die Möglichkeit nehmen, noch einen neuen Vorschlag bis zum Fristablauf einzureichen, falls der ursprüngliche Vorschlag ungültig ist. Dabei ist das LAG Hessen davon ausgegangen, dass in Anbetracht der konkreten Komplexität im Einzelfall eine Bearbeitungszeit durch den Wahlvorstand von 1:40 Stunde noch angemessen ist.

Die anschließende Frage, die sich im Verfahren dann stellte, war, ob die durch Wahlvorstand erfolgte Rückmeldung per Mail an den Einreicher dem Formerfordernis der Wahlordnung genügte. Nach § 9 Abs. 2 WahlO muss diese Information über die Ungültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages "schriftlich" erfolgen. Nach Auffassung des LAG Hessen ist insoweit Textform im Sinne des § 126b BGB ausreichend. Normzweck sei zunächst die möglichst schnelle Information des Einreichers über die Ungültigkeit der Vorschlagsliste. Außerdem handele es sich um nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung des Wahlvorstandes, die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet ist. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des LAG die Textform und damit eine Mail ausreichend.

Dies trägt sicherlicher auch dem praktischen Bedürfnis nach einer schnellstmöglichen Rückmeldung an den Listeneinreicher Rechnung. Würde man "schriftlich" im Sinne der Schriftform (§ 126 BGB) interpretieren, könnte dies gerade bei Wahlen in Unternehmen mit mehreren Standorten kaum mehr bewerkstelligt werden.

Beteiligungsvereinbarung und die Sitzgarantie für Gewerkschaften

Die Sitzgarantie der Gewerkschaften auf dem Prüfstand

Der EuGH erteilt dem Verständnis des BAG zum Schutz des mitbestimmungsrechtlichen Status Quo bei Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung seinen europarechtlichen Segen - § 21 VI 1 SEBG sichert danach den Fortbestand der prägenden Elemente der Einflussnahme auf die Beschlussfassung der Gesellschaft. Das soll auch den gesonderten Wahlgang für Gewerkschaftsvertreter nach dem MitbestG umfassen.

Zum Hintergrund:

Unternehmen, die in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen und auch ansonsten in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) fallen, müssen einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat bilden. Dieser besteht also jeweils zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Anteilseignervertetern. Die Seite der Arbeitnehmervertreter ist nochmals unterteilt in 2 oder 3 Gewerkschaftsvertreter, in aller Regel genau einer Person aus dem Kreis der leitenden Angestellten sowie je nach Größe des Gremium 3, 5 oder 6 unternehmensangehörigen Arbeitnehmern im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG. Für jede dieser drei Personengruppen wird bei der Aufsichtsratswahl ein eigenständiger Wahlgang durchgeführt. Dies führt wiederum dazu, dass für die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft(en) zwei oder drei Sitze im Aufsichtsrat "reserviert" sind.

Eine solche Sitzgarantie der Gewerkschaften mutet in der heutigen Zeit teilweise etwas befremdlich an. Sie kann dazu führen, dass in einem Unternehmen, obwohl dort nur sehr wenige Gewerkschaftsmitglieder beschäftigt sind (im Extremfall würde ein einziges Gewerkschaftsmitglied unter den mehr als 2000 Beschäftigten ausreichen), diese im Aufsichtsrat zwingend zwei oder drei Sitze besetzen würden und damit im Vergleich zu den Arbeitnehmern im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG mit ihren 3, 5 oder 6 Sitzen erheblich überrepräsentiert wären.

Die Begründung, die hinter der Sitzgarantie der Gewerkschaft steht – und vom Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrtausends stammt - lautet, dass durch die Wahl von Gewerkschaftsvertretern besondere Sachkenntnis über das Unternehmen und dessen Bedürfnisse - wohl branchenspezifischer Art - eingebracht werden sollen. In der heutigen Zeit wird die zwingende Repräsentation der Gewerkschaftsvertreter zunehmend hinterfragt. Eine Gesetzesänderung ist aber nicht zu erwarten.

Praxisrelevant wird die Beteiligung der Gewerkschaften bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats aktuell in besonderem Maße dann, wenn es um die Ausgestaltung einer Beteiligungsvereinbarung im Rahmen der Gründung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) geht, in der das Mitbestimmungsmodell in der neu zu gründenden SE geregelt wird. Da auch häufig auf Seiten der Arbeitnehmer keine Notwendigkeit für eine zwingende Repräsentation der Gewerkschaften gesehen wird, könnte man hier einen Weg für Verhandlungslösungen vermuten. Allerdings beschränkt § 21 VI 1 SEBG die Verhandlungsautonomie der Parteien: Danach muss in der Vereinbarung im Fall einer durch Umwandlung gegründeten SE in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet werden, das in der Gesellschaft besteht, die in eine SE umgewandelt werden soll.

Dies ist nach Auffassung des BAG in seinem Beschluss vom 18.08.2020 (1 ABR 43/18) so zu verstehen, dass "die Parteien der Beteiligungsvereinbarung bei der Gründung einer SE durch Umwandlung in dieser sicherstellen müssen, dass die die Einflussnahme der Arbeitnehmer auf die Beschlussfassung der Gesellschaft prägenden Elemente eines Verfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer iSd § 2 VIII SEBG in gleichwertigem Umfang auch in der zu gründenden SE erhalten bleiben."

Folglich wäre ein Verzicht auf den besonderen Wahlgang für die Gewerkschaftsvertreter und die damit verbundene zwingende Repräsentation im Aufsichtsrat in einer Beteiligungsvereinbarung nicht möglich, wenn es sich dabei um ein - in den Worten des BAG - prägendes Element der Einflussnahme der Arbeitnehmer auf die Beschlussfassung der Gesellschaft im Rahmen eines Verfahrens zur Beteiligung der Arbeitnehmer handelt.

Hiervon geht das BAG aus und begründet dies folgendermaßen: "Das im Mitbestimmungsgesetz vorgesehene – durch ein gesondertes Wahlverfahren abgesicherte – Recht der Gewerkschaften, für einen bestimmten Teil der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer Personen vorzuschlagen, beruht auf der Erkenntnis des deutschen Gesetzgebers, dass die Beteiligung von durch Gewerkschaften vorgeschlagenen Arbeitnehmervertretern ein gerade wegen deren Unabhängigkeit wichtiges Element der Meinungsbildung im Aufsichtsrat darstellt (vgl. BT-Drs. 7/4845, 5). Das Gesetz geht seit seinem Inkrafttreten am 1.7.1976 unverändert davon aus, dass zu einer gleichberechtigten und vor allem auch gleichgewichtigen Beteiligung der Anteilseigner und der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten der Unternehmen auf der Arbeitnehmerseite zwingend die Teilnahme von Vertretern der überbetrieblich organisierten Arbeitnehmerschaft, also der im Unternehmen oder Konzern repräsentierten Gewerkschaften gehört (vgl. BT-Drs. 7/2172, 17). Eine ausschließliche Beschränkung der möglichen Arbeitnehmervertreter auf Personen, die Mitglieder des Unternehmensverbands sind, liegt danach nicht im Interesse der Arbeitnehmer selbst."

Zunächst erschließt es sich nicht, die Unabhängigkeit der Gewerkschaftsvertreter hervorzuheben. Diese mögen zwar nicht vom Unternehmen abhängig sein, allerdings sind sie von Gewerkschaft abhängig und sind damit auch nicht frei von Interessenkonflikten. Zudem handelt es sich lediglich um eine These ohne Untermauerung durch Tasachen. Nehmen die Gewerkschaftsvertreter tatsächlich auf Grund ihrer Unabhängigkeit Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess im Aufsichtsrat? Mein Eindruck aus der Praxis ist eher nein! Auch hier mag es in den noch traditionell stark gewerkschaftlich geprägten Unternehmen Fälle geben, wo die Gewerkschaftsvertreter - insbesondere, wenn es sich um Führungspersönlichkeiten wie Gewerkschaftsvorsitzende handelt - alleine auf Grund dieses Standings Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess ausüben können. Dies ist aber einer großen Mehrheit der Unternehmen nicht oder nur sehr eingeschränkt der Fall, was sich insbesondere anhand des deutlich gesunkenen Organisationsgrad der Gewerkschaften nachvollziehen lässt. Das BAG scheint bei seiner These immer noch an Erkenntnissen aus den späten 60er Jahren zu haften, wenn es auf die Kommission Mitbestimmung unter Kurt Biedenkopf verweist, die 1968(!) konstituiert wurde und ihren Bericht 1970(!) vergelegt hat.

Das BAG führt dann weiter aus: "Nach den gesetzlichen Wertungen haben die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat – deren Repräsentanz durch die Wahl der Arbeitnehmer legitimiert ist – eine die Mitbestimmung der Arbeitnehmer stärkende Funktion. Damit soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat Personen angehören, die über ein hohes Maß an Vertrautheit mit den Gegebenheiten und Bedürfnissen des Unternehmens verfügen, und gleichzeitig externer Sachverstand vorhanden ist"

Im Ergebnis ist der Sinn also eine - unterstellte - die Mitbestimmung stärkende Funktion, die weder mit aktuellen empirischen Befunden, noch mit praktischen Erfahrungen in einem überwiegenden Teil der Unternehmen in Einklang zu bringen ist. Die gesetzlichen Wertungen, auf die das BAG hier wiederum abstellt, stammen aus der Gesetzesbegründung zum MitbestG 1976. In der damaligen Zeit mag dies nachvollziehbar gewesen sein.

Noch abstruser wird die Argumentation des BAG, dass die Gewerkschaftsvertreter Personen sein sollen, die über ein hohes Maß an Vertrautheit mit den Gegebenheiten und Bedürfnissen des Unternehmens verfügen sollen. Nicht nur, dass das BAG für diese These jegliche empirische Grundlage schuldig bleibt, erscheint schon die These gewagt, dass externe Gewerkschaftsvertreter mit dem Unternehmen und dessen Bedürfnissen vertrauter seien als dessen interne Arbeitnehmer. Gewerkschaftsvertreter bringen in der Regel zwar branchenspezifische Kenntnisse mit und möglicherweise Erfahrungswerte aus mehreren Aufsichtsratstätigkeiten in Unternehmen derselben Branche. Ob dies der Fall ist und die Gewerkschafter tatsächlich über den bereits vorhandenen Sachverstand noch nennenswerten weitergehenden Sachverstand mitbringen, hängt letztlich entscheidend von den jeweiligen Personen ab. Im Ergebnis bleibt die Subsumtion des BAG, es handele sich um ein, die Einflussnahme der Arbeitnehmer auf die Beschlussfassung der Gesellschaft prägendes Element, mehr um Bauchgefühl als von den tatsächlichen Gegebenheiten in weiten Teil der Unternehmenslandschaft geleitet.

Zugegeben, eine Beschränkung der wählbaren Arbeitnehmervertreter auf unternehmensangehörige Personen, wäre in der Tat nicht im Sinne einer bestmöglichen Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte im Aufsichtsrat durch die Arbeitnehmervertreter. Insofern wäre es aber genügend, den Gewerkschaften das Recht einzuräumen - analog zur Betriebsratswahl - eigene Wahlvorschläge einzureichen, die auch externe Personen enthalten dürften. Allerdings ohne dass damit ein gesonderter Wahlgang und eine zwingende Repräsentanz der Gewerkschaften verbunden wäre, sondern die Belegschaft demokratisch entscheiden kann, ob aus ihrer Sicht die Beteiligung von externen Gewerkschaftsvertretern sinnvoll ist oder nicht.

Und damit kommen wir zum aus meiner Sicht entscheidenden Punkt: Wenn das BAG zu der Erkenntnis gelangt, dass das die die Einflussnahme prägenden Elemente der Mitbestimmung nicht vollständig, sondern in einem qualitativ gleichwertigem Maß sichergestellt werden müssen, drängt sich die Frage auf, ob nicht die Sicherstellung der Wahlmöglichkeit – ohne Wahlzwang – von Gewerkschaftsvertretern ein qualitativ gleichwertiges Maß sicherstellt. Zumal in den Unternehmen, in denen die Gewerkschaften noch stark verwurzelt sind und damit auch tatsächlich Einfluss ausüben können, über die Möglichkeit, Wahlvorschläge einreichen zu können eine ausreichende Beteiligungsmöglichkeit gesichert ist. Das dies funktioniert zeigt sich bei der ähnlich gelagerten Situation bei den Betriebsratswahlen. Einfach gewendet: Eine im Unternehmen tatsächlich auch einflussreiche und verwurzelte Gewerkschaft wird keine Schwierigkeiten haben, bei der Aufsichtsratswahl zumindest einen Kandidaten durchzubringen. Wenn die Gewerkschaft im Unternehmen keine Basis hat - aus welchen Gründen auch immer - sollte es der Belegschaft überlassen sein, ob sie die Wahl von Gewerkschaftsvertretern und wenn ja, von wie vielen für sinnvoll erachtet. An der Qualität der Einflussnahme der Arbeitnehmer im Rahmen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat wird sich dadurch nichts ändern, demgegenüber besteht für die gewählten Vertreter eine wirkliche demokratische Legitimation und die Wahl erfolgt nicht nur, weil man ja Gewerkschaftsvertreter wählen muss.

Letztlich schützt die mit dem gesonderten Wahlgang verbundene Sitzgarantie der Gewerkschaften nicht die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, sondern lediglich die Interessen der Gewerkschaften. Insofern bestehen zurecht schon erhebliche Zweifel, ob dies wirklich dem Sinne und Zweck des Schutzes durch § 21 VI 1 SEBG entspricht.

Ausblick:
Der EuGH hat nunmehr mit Beschluss vom 18.10.2022 dem BAG bestätigt, dass die vorgenommene Auslegung von § 21 VI 1 SEBG europarechtskonform ist. Er musste dabei allerdings die vorgegebenen Annahmen des BAG zu Grunde legen - also dass es sich bei dem gesonderten Wahl der Gewerkschaftsvertreter um ein nach nationalem Recht prägendes Element der Mitbesimmung handelt.

Selbst wenn man die Ausführungen des EuGH zu den europarechtlichen Regelungen teilt, bleibt doch die entscheidende Frage, ob der Begriff des prägenden Elementes nach dem Verständnis eines Gesetzesgebers von vor nahezu 50 Jahren ausgelegt werden kann, der noch gar nicht vorhersehen konnte, wie sich die Mitbestimmung im Aufsichtsrat und die Beteiligung der Gewerkschaftsvertreter auswirken würde. Vielmehr muss zu Grunde gelegt werden, wie sich die Einflussnahme tatsächlich in der Praxis gestaltet. Es wäre schön, wenn dass BAG sich in der voraussichtlich nun noch folgenden Entscheidung, sich noch einmal intensiv mit der Frage, ob es sich wirklich um ein prägendes Element handelt auseinandersetzt. Das es seine EInschätzung korrigiert oder einschränkt dürfte jedoch kaum zu erwarten sein.

Auch stellen sich nun weitere offene Fragen, welche Regelung der Unternehmensmitbestimmung als prägende Elemente der Einflussnahme der Arbeitnehmer anzusehen sind. Gilt dies schon für die Wahlordnung? Oder die Unterscheidung zwischen einer unmittelbaren und einer Delegiertenwahl nach der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer? Und wie ist das mit der Sitzgarantie für die leitenden Angestellten?

Ich kann das prinzipielle Interesse des BAG und EuGH, die Möglichkeiten, die SE als Instrument zur Verhinderung einer drohenden Ausweitung der Mitbestimmung, etwa bei einem bevorstehen eines "Hineinwachsens" in die paritätische Mitbestimmung, zu begrenzen. Das ist auch aus meiner Sicht völlig richtig und der Gesetzgeber ohnehin gefragt hier bestehende Lücken schnellstmöglich zu schließen. Dem gesonderten Wahlgang der Gewerkschaften diesen Schutz angedeihen zu lassen ist aber - auch verfassungsrechtlich - fehl am Platz.

OLG Karlsruhe: Wichtiger Grund für Abberufung aus dem Aufsichtsrat - Manipulation von Dokumenten im Rahmen interner Ermittlungen

Auch Pflichtverletzungen außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit kommen als wichtiger Grund in Betracht!

Abberufung wichtiger Grund

Das OLG Karlsruhe (v. 01.03.2022 - 1 W 85/21) hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Abberufung eines Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat befasst. Der Aufsichtsrat eines großen deutschen Softwarehauses hatte beim Registergericht die Abberufung eines Arbeitnehmervertreters beantragt. Dieser Arbeitnehmervertreter war nicht nur Mitglied im Aufsichtsrat, sondern auch Betriebsratsvorsitzender im Unternehmen. Als gegen ein anderes Betriebsratsmitglied interne Ermittlungen durchgeführt wurde, manipulierte das Aufsichtsratsmitglied relevante Dokumente zu Gunsten des verdächtigen Betriebsratsmitgliedes. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage blieb erfolglos. Parallel dazu leitete der Aufsichtsrat des Unternehmens ein Abberufungsverfahren gegen den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ein. Dieser war als Vertreter der Gewerkschaft gewählt, so dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auch automatisch zur Beendigung des Aufsichtsratsmandats geführt hätte.

Eine Abberufung aus dem Aufsichtsrat kommt nach § 103 AktG in Betracht, wenn in der Person des Aufsichtsratsmitgliedes ein wichtiger Grund vorliegt. Früher wurde hierfür ein krass gesellschaftswidriges Verhalten des Aufsichtsratsmitgliedes für notwendig erachtet. Nach der heute herrschenden Auffassung kommt es lediglich darauf an, ob die Fortsetzung des Amtsverhältnisses bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist. Diese Unzumutbarkeit kann sich aus einem konkreten Verhalten des Aufsichtsratsmitgliedes ergeben. Das OLG Karlsruhe hält dazu zunächst fest, dass insofern nicht nur ein Verhalten als Aufsichtsratsmitglied als wichtiger Grund in Betracht kommt, sondern es genüge bereits, dass ein Zusammenhang des Verhaltens mit der Aufsichtsratstätigkeit erkennbar ist und dass sich der verhaltensbedingte Grund auf diese Tätigkeit und damit auf die Gesellschaft auswirkt.

Für solche Auswirkungen lässt das OLG Karlsruhe es bereits ausreichen, dass der weitere Verbleib im Amt die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats nicht unerheblich beeinträchtigt oder eine sonstige Schädigung der Gesellschaft erwarten lässt. Ein Zusammenhang mit der Aufsichtsratsarbeit sei bereits dann erkennbar, wenn sich das Fehlverhalten des Aufsichtsratsmitgliedes auf die Tätigkeit des Aufsichtsrats und damit die Gesellschaft auswirke. Lassen Verfehlungen außerhalb der eigentlichen Aufsichtsratstätigkeit Rückschlüsse auf eine mangelnde Eignung als Aufsichtsratsmitglied zu und / oder bestehe zumindest ein tatsächlicher Bezug zwischen ihnen und der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft, könne darin ein wichtiger Grund für eine Abberufung liegen.

Diese Voraussetzungen erfüllte nach Auffassung des OLG Karlsruhe das Verhalten des Aufsichtsratsmitgliedes. Durch das eigenmächtige Manipulieren und Löschen im Rahmen interner Ermittlung relevanter Dokumente, um diese im Interesse eines Betriebsratskollegen zu unterdrücken, habe das Aufsichtsratsmitglied das Vertrauen der Gesellschaft in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit zerstört und sich als ungeeignet für die Wahrnehmung des Unternehmensinteresse bei der Überwachung des Vorstandes als Aufsichtsratsmitglied erwiesen.

Das Ergebnis des OLG ist vor dem Hintergrund der gravierenden Verfehlungen sicherlich überzeugend, auch wenn das Aufsichtsratsmitglied im Nachgang seine Fehler - wohl unter dem Druck der bevorstehenden Entdeckung - eingestanden und Reue gezeigt hat. Die Anknüpfung des OLG in seiner Begründung an die Begriffe "persönliche Integrität" und "Zuverlässigkeit" erscheint jedoch kritikwürdig, da gerade bei den Arbeitnehmervertretern grundsätzlich eine wie auch immer geartete "persönliche Integrität" oder "Zuverlässigkeit" gerade nicht gesetzliche Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat sind und diese Begrifflichkeiten durch ihre Unbestimmtheit eher unferlos wirken. Entscheidend wird vielmehr sein - wie das OLG ebenfalls ausführt - dass durch das Fehlverhalten des Aufsichtsratsmitgliedes eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat nicht mehr möglich ist. Das Verhalten des Aufsichtsratsmitgliedes diente hier im Einzelfall gezielt dazu, entgegen dem Unternehmensinteresse eine Aufklärung und Erhärtung der Vorwürfe gegen ein anderes Betriebsratsmitglied zu verhindern. Hieraus lässt sich durchaus der Schluss ziehen, dass zukünftig auch im Aufsichtsrat mit einem das Unternehmensinteresse gegenüber persönlichen Interessen unberücksichtigend lassenden Verhalten zu rechnen ist und damit die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat erheblich beeinträchtigt ist.

 

 

 

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