Wird in einem betriebsratslosen Betrieb eine Betriebsänderung, insbesondere ein größerer Personalabbau angekündigt, wird vielen Arbeitnehmern oft erst bewusst, wie wichtig in dieser Situation ein Betriebsrat wäre. Denn: Ohne Betriebsrat, keine Beteiligung in Form von Interessenausgleich und Sozialplan! Wird von der Belegschaft noch versucht, kurzfristig einen Betriebsrat zu bilden, kann es schon zu spät sein. Dies zeigt eine neuere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.02.2022 (1 ABR 2/21, NZA 2023, 870ff.).
Nach Auffassung des BAG knüpfen die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111ff. BetrVG an eine geplante Betriebsänderung an. Eine Planung in diesem Sinn sei gegeben, wenn der Arbeitgeber aufgrund seiner Vorüberlegungen grundsätzlich dazu entschlossen ist, eine Betriebsänderung durchzuführen. Habe der Arbeitgeber schon mit der Durchführung der Betriebsänderung begonnen, bevor ein Betriebsrat im Amt ist, kann ein später gewählter Betriebsrat nicht mehr den Abschluss eines Sozialplans für diese Betriebsänderung verlangen. Die Betriebsänderung befindet sich dann nicht mehr im Planungsstadium und dem Betriebsrat steht kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach §§§ 111ff. BetrVG zu.
Das BAG verweist darauf, dass nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes erkennbar für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung eines Sozialplans davon ausgegangen wird, dass dieser regelmäßig bereits vor Durchführung der Betriebsänderung verhandelt und vereinbart werden soll, weil er nur dann seiner Befriedungs- und Ausgleichsfunktion in vollem Umfang gerecht werden könne. Die Möglichkeit des Betriebsrats, auch gegen den Willen des Arbeitgebers einen Sozialplan erzwingen zu können, solle auch dazu beizutragen, dass der Arbeitgeber die Betriebsänderung in einer möglichst schonenden Form durchführt. Hierdurch könne eine mittelbare Einflussnahme des Betriebsrats auf den unternehmerischen Entscheidungsprozess erfolgen. Diese Funktion könne dann nicht mehr erfüllt werden, wenn die Betriebsänderung bereits umgesetzt wird. Nur wenn im Planungsstadium für den Arbeitgeber auf Grund des Bestehens eines Betriebsrats erkennbar ist, dass ein Sozialplan in Betracht kommt, könne und müsse dieser etwaige finanzielle Belastungen durch einen Sozialplan in seine Entscheidung einbeziehen.
Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers mit einer an sich beteiligungspflichtigen Maßnahme so lange zu warten, bis im Betrieb ein ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, enthält das Betriebsverfassungsgesetz nach Auffassung des BAG nicht. Das gelte selbst dann, wenn mit der Wahl eines Betriebsrats zu rechnen und die Zeit bis zu dessen Konstituierung absehbar ist.
Der Beschluss des BAG liefert ein Argument mehr, für eine lückelose Bildung von Betriebsräten auch ohne konkreten Anlass wie eine angekündigte Betriebsänderung. Denn dann könnte es schon zu spät sein!