Im Rahmen ihrer Betriebsratstätigkeit erhalten die Betriebsratsmitglieder umfangreiche Informationen über ihren Arbeitgeber und den Betrieb bzw. das Unternehmen. Der Informationsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG ist bewusst weit gefasst, damit der Betriebsrat seiner Überwachungsaufgabe gerecht werden und prüfen kann, ob ggf. Mitbestimmungsrechte in Betracht kommen. Ist im Unternehmen zudem ein Wirtschaftsausschuss gebildet, gehen die Unterrichtungspflichten des Unternehmens gem. § 106 BetrVG in wirtschaftlichen Angelegenheiten noch weiter. Zu diesem Unterrichtungsanspruch des Arbeitgebers bildet die Verschwiegenheitspflicht nach § 79 BetrVG das gesetzliche Gegenstück.
Viele Informationen, die Betriebsratsmitglieder erhalten, sind nach dem Willen des Arbeitgebers nicht für die (Betriebs-)Öffentlichkeit bestimmt. Betriebsräte befinden sich deshalb oft in einem Dilemma: Einerseits sind sie der Belegschaft als ihrer Wählerschaft verpflichtet, andererseits bestimmt § 79 BetrVG eine Verschwiegenheitspflicht über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese gilt auch für Ersatzmitglieder des Betriebsrats sowie für Mitglieder des Wirtschaftsausschusses und Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretungen.
Die Schwierigkeit besteht nun in der Entscheidung, ob eine Information als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gilt und inwiefern die Belegschaft informiert werden darf. Gerade im Fall von Betriebsänderungen drängen Arbeitgeber zumeist darauf sämtliche in den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan mitgeteilten Informationen vertraulich zu behandeln. Dabei steht die Befürchtung im Vordergrund, das Bekanntwerden eines Personalabbaus könnte zu Unruhe im Betrieb führen. Der Betriebsrat wird dagegen ein vitales Interesse daran haben, die Kollegen ins Bild zu setzen.
Das Risiko einer Fehleinschätzung durch den Betriebsrat bzgl. der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht ist dabei nicht unerheblich. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht ist strafbar, §120 BetrVG. Zudem kann ein Verstoß zum Verlust des Betriebsratsamtes und ggf. zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Vorsicht ist damit alle mal geboten.
§ 79 BetrVG sieht zunächst vor, dass Betriebsratsmitglieder verpflichtet sind, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Die Begriffe Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis definiert das BetrVG nicht. In der Rechtsprechung hat sich eine Definition herausgebildet, die im Wesentlichen auf drei Kernelemente zurückgeführt werden kann. Demnach muss es sich zunächst um eine Tatsache, Erkenntnisse oder Unterlagen handeln, die nicht offenkundig oder allgemein bekannt sind. Sie darf also nur einen begrenzten Personenkreis zur Verfügung stehen. Dies bedeutet für den Betriebsrat, dass insb. Informationen, die im Bundesanzeiger oder im Internet zu finden sind, weitergegeben werden dürfen. Die Begrenzung des Personenkreises ist in diesem Fall bereits aufgegeben.
Es muss sich um Tatsachen, Erkenntnisse oder Unterlagen handeln, die sich auf die Erreichung des Betriebszwecks beziehen (Betriebsgeheimnis), z.B. Konstruktionspläne, Fertigungsverfahren oder die chemische Zusammensetzungen eines Produktes, oder auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens (Geschäftsgeheimnis), z.B. die Preiskalkulation oder die Liquidität.
Daneben muss der Wille des Arbeitgebers bestehen, die Tatsache vertraulich zu behandeln. Ein solcher Wille des Arbeitgebers ist allein aber noch nicht ausreichend. Nicht jede Mail, die mit dem Hinweis "Vertraulich" versehen ist, ist damit auch vertraulich zu behandeln. Eine entsprechende Kennzeichung ist lediglich ein Indiz.
Hinzukommen muss ein berechtigtes objektives Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung. Dieses liegt dann vor, wenn die Information für die Wettbewerbssituation des Unternehmens relevant ist, weil die Konkurrenz damit ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern könnte. Die Frage nach einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers wird insbesondere im Zusammenhang mit einem größeren Personalabbau virulent. Dass ein solcher Personalabbau zu einer Unruhe im Betrieb und zu einer Schwächung der Wettbewerbsposition des Arbeitgebers führen könnte, rechtfertigt allerdings nicht, sämtliche Informationen im Rahmen der Verhandlungen über den Personalabbau für geheimhaltungsbedürftig zu erklären. Es besteht daher nicht per se eine Geheimhaltungspflicht über Gegenstand und Verlauf der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Insofern überwiegt regelmäßig das Interesse des Betriebsrats, sich mit der Belegschaft über die geplanten Veränderungen austauschen zu können. Allerdings ist seitens der Betriebsratsmitglieder Vorsicht angezeigt.
Das LAG Hessen (Beschl. v. 12.03.2015 - 9 TaBV 188/14) sah in einem Fall, in dem der Betriebsratsvorsitzende die Mitarbeiter über einen Personalabbau informiert hatte, obwohl der Personalleiter unter Verweis auf die nicht abgeschlossene Planung gebeten hatte, davon abzusehen, einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht. Allerdings seien auf Grund des Zusammenhangs mit dem Betriebsratsamt strenge Anforderungen an die Rechtfertigung einer aus diesem Grund erfolgenden Kündigung zu stellen. Grundsätzlich habe das Amtsenthebungsverfahren nach § 23 BetrVG Vorrang. Das Gericht hielt dem Betriebsratsvorsitzenden zu Gute, dass er nicht im Eigeninteresse gehandelt und auch keine Geschäftsgeheimnisse an die Konkurrenz verraten hatte. Die ebenfalls beantragte Amtsenthebung des Betriebsratsvorsitzenden scheiterte vor dem LAG Frankfurt ebenfalls, da dieser zwischenzeitlich erneut in den Betriebsrat gewählt worden war. In einem solchen Fall können Amtspflichtverletzungen, die während der vorhergehenden Amtsperiode begangen wurden, nicht mehr für ein Amtsenthebungsverfahren herangezogen werden.
Eine andere Kammer des LAG Hessen (Beschl. v. 20.03.2017 - 16 TaBV 12/17) geht davon aus, dass ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter und interessenausgleichspflichtiger Personalabbau als solcher jedenfalls ab dem Zeitpunkt kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis mehr darstellt, zu dem der Arbeitgeber das nach dem BetrVG vorgesehene Mitwirkungsverfahren eingeleitet hat. Die nach §§ 111, 112 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme als solche genießt nach Auffassung der 16. Kammer des LAG keinen Geheimnisschutz.
Erforderlich ist weiter, dass der Arbeitgeber die Information ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat. In welcher Form diese Erklärung durch den Arbeitgeber zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. Alleine aus Gründen der Beweisbarkeit, wird der Arbeitgeber die Erklärung jedenfalls in Textform abgeben. Die mündliche Bezeichnung als geheimhaltungsbedürftig ist aber für sich genommen bereits ausreichend. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber klar zum Ausdruck bringt, dass eine bestimmte Information geheimhaltungspflichtig sein soll.
Die Verschwiegenheitspflicht besteht nur gegenüber außerhalb des jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums stehenden Dritten. Nicht dagegen etwa unter den Mitgliedern des Betriebsrats oder des Wirtschaftsausschusses selbst. Die Verschwiegenheitspflicht endet allerdings nicht mit dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat, sondern gilt auch nach dem Ende der Amtszeit fort.