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Reformentwurf zur Arbeitnehmerüberlassung

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) hat in den letzten Jahren bereits einige Änderungen und Anpassungen erfahren. Diese haben nicht dazu geführt, dass offene Fragen geklärt wurden. Der Gesetzgeber will nun mit einem neuen Reformentwurf aus dem November 2015 das Recht der Arbeitnehmerüberlassung sowie deren Abgrenzung zu anderen Beschäftigungsformen weiterentwicklen.

So wird vorgeschlagen, die Streitfrage, wie lange ein Arbeitnehmer höchstens überlassen werden darf, zu klären. Bisher regelt das AÜG lediglich, dass die Überlassung "vorrübergehend" erfolgt. Die Konsequenzen aus dieser Formulierung sind streitig. Soll hierdurch ein Einsatz auf Stammarbeitsplatzen ausgeschlossen werden? Oder soll es auf die Überlassungsdauer des einzelnen Arbeitnehmers ankommen? Für eine zeitliche Abgrenzung wurde vorgeschlagen, sich an den Grenzen des TzBfG zu orientieren. Das BAG hat bisher lediglich klargestellt, dass der zeitlich unbefristete Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem Stammarbeitsplatz nicht mehr vorrübergehend erfolgt.

Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht hier - wie bereits im Koaltionsvertrag von CDU/CSU und SPD bereits angekündigt - eine Höchstüberlassungsdauer vor. Diese soll sich auf 18 Monate belaufen. Die zeitliche Begrenzung auf 18 Monate bezieht sich nach dem Wortlaut des Entwurf auf denselben Arbeitnehmer und nicht auf den zu besetzenden Arbeitsplatz. Hieraus ergibt sich, dass ein Entleiher den überlassenen Arbeitnehmer nach 18 Monaten spätestens austauschen müsste. Ein solcher Zwangswechsel dürfte weder im Interesse des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers sein. Vor allem wird hierdurch nicht das Ziel erreicht, die Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern einzudämmen. Hierfür müsste vielmehr daran angeknüpft werden, ob für die vom Leiharbeitnehmer verrichtete Tätigkeit ein dauerhafter oder eben ein nur vorrübergehender Bedarf besteht.

Ein weiterer wesentlicher Kernpunkt des Reformentwurfs betrifft die sog. Vorratserlaubnisse. Gem. §§ 10, 9 Nr. 1 AÜG wird ein Arbeitsverhältnis zum Entleihunternehmen fingiert, wenn das Verleihunternehmen nicht über die erforderliche Überlassungserlaubnis verfügt. Da sich diese Fiktion nur auf den Fall der fehlenden Überlassungserlaubnis erstreckt, wird bisher überwiegend angenommen, die vorsorglich eingeholte Überlassungserlaubnis sei geeignet, die Fiktionswirkung des § 10 AÜG zu verhindern. Dies wurde von vielen Unternehmen genutzt, um sich insbesondere in der Grauzone zwischen Werkverträgen und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung abzusichern. Der Reformentwurf will dem begegnen und eine Geltung der Fiktionswirkung gerade auch für den Fall des Scheinwerkvertrages und der Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer einführen. Die Fiktion könnte in diesen Fällen nicht mehr durch Einholung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden. Allerdings soll die Fiktionswirkung durch ein Recht des Arbeitnehmers, der Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu widersprechen, eingeschränkt werden. Dahinter steckt wohl der Gedanke, dass dem Arbeitnehmer gegen seinen Willen kein anderer Arbeitgeber aufgezwungen werden darf als derjenige, mit dem er den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Letztlich dürfte sich diese Regelung eher wieder als Ausweg für die Unternehmen darstellen, einer Fiktion zu entgehen.

Verfassungsrechtlich bedenklich ist zudem der Vorschlag für die Neuregelung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher. Ziel des Gesetzesvorschlages ist es, den Einsatz von Leiharbeitnehmern als Ersatzkräfte im Arbeitskampf zu verhindern. Bisher findet sich in § 11 AÜG lediglich die Regelung, dass ein Leiharbeitnehmer nicht verpflichtet ist, bei einem Arbeitgeber tätig zu werden, der bestreikt wird. Dem Leiharbeitnehmer steht damit ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Kündigung oder Abmahnung wären in einem solchen Fall unzulässig. Diese Formulierung wurde im Entwurf dahingehend geändert, dass der Entleiher den Leiharbeitnehmer im Arbeitskampf nicht einsetzen darf. Der Leiharbeitnehmer wird damit gezwungen an einem Arbeitskampf teilzunehmen, von dem er regelmäßig nicht profitieren wird.

Positiv zu bewerten ist der Ansatz des Gesetzgebers, die Rechtsprechung des BAG zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten des kollektiven Arbeitsrechts, etwa bei der Bestimmung der Größe des Betriebsrats, aufzugreifen. Nach dem neuen Gesetzesentwurf sollen Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten in der Betriebsverfassung - außer §112a BetrVG - und den Gesetzen, die eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmensorganen regeln (insb. MitbestG, MontanMitbestG und DrittelbG) mitzuzählen sein. Eine Prüfung, ob dies mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren ist, wie sie bisher von der Rechtsprechung vorgenommen wurde, entfällt nach dem Wortlaut des Reformvorschlages. Durch diese Regelung könnte die aktuell bestehende Rechtsunsicherheit, insbesondere bei den Schwellenwerten im Bereich der Unternehmensmitbestimmung, beendet werden.

Der Reformentwurf wurde - wohl auf Grund der massiven Kritik - einstweilen gestoppt. Es bleibt abzuwarten, welche Regelungen tatsächlich in Gesetzesform gegossen werden.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

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Wer muss für die Kosten der Betriebsratsarbeit nach einem Betriebsübergang aufkommen?

Eigentlich liest sich § 40 Abs. 1 BetrVG - im Vergleich zu anderen Normen insbesondere aus jüngerer Zeit - erfrischend klar und deutlich. "Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten des Betriebsrats trägt der Arbeitgeber. Dass hiermit nur die erforderlichen Kosten für eine sachgerechte Interessenvertretung gemeint sind, ist unstreitig. In der Praxis stellt sich zumeist die Frage nach der Erforderlichkeit bestimmter Kosten.

Problematisch kann aber auch die Frage sein, wer überhaupt Arbeitgeber und damit Kostenschuldner ist. Dies gilt besonders, wenn ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Einen solchen Fall hatte das BAG in der jüngeren Vergangenheit zu beurteilen (Beschl. v. 20.08.2014 - 7 ABR 60/12). In dem entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat zwei Beschlussverfahren eingeleitet. Im Laufe dieser Verfahren ging der Betrieb auf einen neuen Inhaber über. Nach Beendigung der beiden Verfahren begehrte der Betriebsrat in einem neuen Beschlussverfahren die Freistellung von den angefallenen Anwaltskosten - und zwar gesamtschuldnerisch vom vormaligen sowie vom aktuellen Betriebsinhaber. Dieser Rechtsstreit ging über drei Instanzen. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde der Betrieb erneut veräußert. Der Betriebsrat richtete seinen Antrag in der Folge auch gegen den aktuellen Betriebsinhaber - ebenfalls als Gesamtschuldner mit den vormaligen Betriebsinhabern.

Das BAG entschied, dass der Betriebsrat eine Kostenübernahme nur vom aktuellen Betriebsinhaber beanspruchen kann. Dass der ursprüngliche Betriebsinhaber ggf. die Kosten verursacht hatte, da er der erstmalige Antragsgegner in den Beschlussverfahren gewesen ist, spielt bei der Beurteilung keine Rolle. Folge des Betriebsübergangs ist, dass die Kostentragungspflicht aus § 40 BetrVG auf den neuen Inhaber des Betriebes übergeht. Dieser haftet für noch nicht erfüllte Freistellungsansprüche des Betriebsrats. Die vorhergehenden Betriebsinhaber haften dagegen nicht mehr.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

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Die Verschwiegenheitspflicht des Betriebsrats nach § 79 BetrVG

Im Rahmen ihrer Betriebsratstätigkeit erhalten die Betriebsratsmitglieder umfangreiche Informationen über ihren Arbeitgeber und den Betrieb bzw. das Unternehmen. Der Informationsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG ist bewusst weit gefasst, damit der Betriebsrat seiner Überwachungsaufgabe gerecht werden und prüfen kann, ob ggf. Mitbestimmungsrechte in Betracht kommen. Ist im Unternehmen zudem ein Wirtschaftsausschuss gebildet, gehen die Unterrichtungspflichten des Unternehmens gem. § 106 BetrVG in wirtschaftlichen Angelegenheiten noch weiter. Zu diesem Unterrichtungsanspruch des Arbeitgebers bildet die Verschwiegenheitspflicht nach § 79 BetrVG das gesetzliche Gegenstück.
Viele Informationen, die Betriebsratsmitglieder erhalten, sind nach dem Willen des Arbeitgebers nicht für die (Betriebs-)Öffentlichkeit bestimmt. Betriebsräte befinden sich deshalb oft in einem Dilemma: Einerseits sind sie der Belegschaft als ihrer Wählerschaft verpflichtet, andererseits bestimmt § 79 BetrVG eine Verschwiegenheitspflicht über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese gilt auch für Ersatzmitglieder des Betriebsrats sowie für Mitglieder des Wirtschaftsausschusses und Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretungen.
Die Schwierigkeit besteht nun in der Entscheidung, ob eine Information als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gilt und inwiefern die Belegschaft informiert werden darf. Gerade im Fall von Betriebsänderungen drängen Arbeitgeber zumeist darauf sämtliche in den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan mitgeteilten Informationen vertraulich zu behandeln. Dabei steht die Befürchtung im Vordergrund, das Bekanntwerden eines Personalabbaus könnte zu Unruhe im Betrieb führen. Der Betriebsrat wird dagegen ein vitales Interesse daran haben, die Kollegen ins Bild zu setzen.
Das Risiko einer Fehleinschätzung durch den Betriebsrat bzgl. der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht ist dabei nicht unerheblich. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht ist strafbar, §120 BetrVG. Zudem kann ein Verstoß zum Verlust des Betriebsratsamtes und ggf. zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Vorsicht ist damit alle mal geboten.
§ 79 BetrVG sieht zunächst vor, dass Betriebsratsmitglieder verpflichtet sind, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Die Begriffe Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis definiert das BetrVG nicht. In der Rechtsprechung hat sich eine Definition herausgebildet, die im Wesentlichen auf drei Kernelemente zurückgeführt werden kann. Demnach muss es sich zunächst um eine Tatsache, Erkenntnisse oder Unterlagen handeln, die nicht offenkundig oder allgemein bekannt sind. Sie darf also nur einen begrenzten Personenkreis zur Verfügung stehen. Dies bedeutet für den Betriebsrat, dass insb. Informationen, die im Bundesanzeiger oder im Internet zu finden sind, weitergegeben werden dürfen. Die Begrenzung des Personenkreises ist in diesem Fall bereits aufgegeben.
Es muss sich um Tatsachen, Erkenntnisse oder Unterlagen handeln, die sich auf die Erreichung des Betriebszwecks beziehen (Betriebsgeheimnis), z.B. Konstruktionspläne, Fertigungsverfahren oder die chemische Zusammensetzungen eines Produktes, oder auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens (Geschäftsgeheimnis), z.B. die Preiskalkulation oder die Liquidität.
Daneben muss der Wille des Arbeitgebers bestehen, die Tatsache vertraulich zu behandeln. Ein solcher Wille des Arbeitgebers ist allein aber noch nicht ausreichend. Nicht jede Mail, die mit dem Hinweis "Vertraulich" versehen ist, ist damit auch vertraulich zu behandeln. Eine entsprechende Kennzeichung ist lediglich ein Indiz.

Hinzukommen muss ein berechtigtes objektives Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung. Dieses liegt dann vor, wenn die Information für die Wettbewerbssituation des Unternehmens relevant ist, weil die Konkurrenz damit ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern könnte. Die Frage nach einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers wird insbesondere im Zusammenhang mit einem größeren Personalabbau virulent. Dass ein solcher Personalabbau zu einer Unruhe im Betrieb und zu einer Schwächung der Wettbewerbsposition des Arbeitgebers führen könnte, rechtfertigt allerdings nicht, sämtliche Informationen im Rahmen der Verhandlungen über den Personalabbau für geheimhaltungsbedürftig zu erklären. Es besteht daher nicht per se eine Geheimhaltungspflicht über Gegenstand und Verlauf der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Insofern überwiegt regelmäßig das Interesse des Betriebsrats, sich mit der Belegschaft über die geplanten Veränderungen austauschen zu können. Allerdings ist seitens der Betriebsratsmitglieder Vorsicht angezeigt.

Das LAG Hessen (Beschl. v. 12.03.2015 - 9 TaBV 188/14) sah in einem Fall, in dem der Betriebsratsvorsitzende die Mitarbeiter über einen Personalabbau informiert hatte, obwohl der Personalleiter unter Verweis auf die nicht abgeschlossene Planung gebeten hatte, davon abzusehen, einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht. Allerdings seien auf Grund des Zusammenhangs mit dem Betriebsratsamt strenge Anforderungen an die Rechtfertigung einer aus diesem Grund erfolgenden Kündigung zu stellen. Grundsätzlich habe das Amtsenthebungsverfahren nach § 23 BetrVG Vorrang. Das Gericht hielt dem Betriebsratsvorsitzenden zu Gute, dass er nicht im Eigeninteresse gehandelt und auch keine Geschäftsgeheimnisse an die Konkurrenz verraten hatte. Die ebenfalls beantragte Amtsenthebung des Betriebsratsvorsitzenden scheiterte vor dem LAG Frankfurt ebenfalls, da dieser zwischenzeitlich erneut in den Betriebsrat gewählt worden war. In einem solchen Fall können Amtspflichtverletzungen, die während der vorhergehenden Amtsperiode begangen wurden, nicht mehr für ein Amtsenthebungsverfahren herangezogen werden.

Eine andere Kammer des LAG Hessen (Beschl. v. 20.03.2017 - 16 TaBV 12/17) geht davon aus, dass ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter und interessenausgleichspflichtiger Personalabbau als solcher jedenfalls ab dem Zeitpunkt kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis mehr darstellt, zu dem der Arbeitgeber das nach dem BetrVG vorgesehene Mitwirkungsverfahren eingeleitet hat. Die nach §§ 111, 112 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme als solche genießt nach Auffassung der 16. Kammer des LAG keinen Geheimnisschutz.
Erforderlich ist weiter, dass der Arbeitgeber die Information ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat. In welcher Form diese Erklärung durch den Arbeitgeber zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. Alleine aus Gründen der Beweisbarkeit, wird der Arbeitgeber die Erklärung jedenfalls in Textform abgeben. Die mündliche Bezeichnung als geheimhaltungsbedürftig ist aber für sich genommen bereits ausreichend. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber klar zum Ausdruck bringt, dass eine bestimmte Information geheimhaltungspflichtig sein soll.
Die Verschwiegenheitspflicht besteht nur gegenüber außerhalb des jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums stehenden Dritten. Nicht dagegen etwa unter den Mitgliedern des Betriebsrats oder des Wirtschaftsausschusses selbst. Die Verschwiegenheitspflicht endet allerdings nicht mit dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat, sondern gilt auch nach dem Ende der Amtszeit fort.
 
 

Fristlose Kündigung eines unaufmerksamen Wachmannes wirksam

Das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 09.09.2015 - 17 Sa 810/15) hatte aktuell über die fristlose Kündigung eines Wachmannes zu entscheiden. Die Arbeitgeberin war damit beauftragt, den Ausgang des Produktionsbereichs einer Münzprägeanstalt zu bewachen. Am Ausgang wurden Kontrollen der Mitarbeiter durchgeführt. Die Mitarbeiter verlassen den Produktionsbereich durch ein Drehkreuz. Per Zufallsgenerator wurden die zu kontrollierenden Mitarbeiter ausgewählt. In diesem Fall wurde das Drehkreuz durch den Zufallsgenerator gesperrt.

Der Wachmann schaltete den Zufallsgenerator aus und verließ den Ausgangsbereich um einen anderen Mitarbeiter zu besuchen. Von diesem nahm er ein Kunststoffrohr entgegen und verstaute es in seinem Auto. Den vorgeschriebenen Begleitschein hatte er dafür nicht. Für personellen Ersatz im Kontrollbereich sorgte er nicht, so dass der Produktionsbereich unkontrolliert verlassen werden konnte. Einige Tage später stellte die Münzprägeanstalt fest, dass Gold im Wert von ca. 74.000 € abhanden gekommen war.

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Wachmann fristlos. Das LAG Berlin-Brandenburg hielt die Kündigung für wirksam. Es stellte hierbei insbesondere auf die besondere Vertrauensposition des Arbeitnehmers ab. Er habe das Sicherungsinteresse der Münzanstalt in erheblichem Maße verletzt. Durch die Mitnahme des Kunststoffrohres habe er sich darüber hinaus in Widerspruch zu seiner Vertrauensposition gesetzt. Seine Aufgabe sei es gerade gewesen, die unerlaubte Mitnahme von Gegenständen zu verhindern.


Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen  / Wetzlar

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Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Die Kündigung im Kleinbetrieb ist für den Arbeitgeber ein Kinderspiel, sollte man meinen! Arbeitnehmer in Betrieben, die nicht mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen, fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 KSchG. Für Altarbeitsverhältnisse, die bis zum 31.12.2003 begründet wurden, kann die Grenze unter Umständen bei mehr als fünf Arbeitnehmern liegen. Die Kündigung im Kleinbetrieb bedarf zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich keines verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Kündigungsgrundes.

Dass eine Kündigung im Kleinbetrieb unter Umständen trotzdem unwirksam sein kann, zeigt anschaulich die Entscheidung des BAG vom 23.07.2015 - 6 AZR 457/14. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber einer langjährig beschäftigten Arzthelferin gekündigt. Zur Begründung führt er im Kündigungsschreiben Veränderungen im Laborbereich an, die Umstrukturierungen erforderlich machen würden. Zudem wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin pensionsberechtigt sei. Neben der Klägerin waren in der Praxis noch vier jüngere Mitarbeiterinnen beschäftigt.

Nach Auffassung des BAG war die Kündigung auf Grund einer Altersdiskrimierung unwirksam. Der Verweis auf die Pensionsberechtigung im Kündigungsschreiben, stelle ein Indiz für eine Diskriminierung der Klägerin auf Grund ihres Alters dar. Dieses habe der Arbeitgeber nicht entkräftet. Da die Kündigung somit gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG verstieß, war sie gem. § 134 BGB unwirksam.

Arbeitgeber sind gut beraten, auch Kündigungen im Kleinbetrieb sorgfältig zu prüfen, um Fehlerquellen auszuschließen. Für die Formulierung von Kündigungsschreiben gilt der Grundsatz "Weniger ist mehr". Da die Kündigung - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht begründet werden muss, sollte auf eine inhaltliche Begründung  im Kündigungsschreiben verzichtet werden.

Dr. Christian Velten
Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gießen

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Fahrten vom Wohnort zu Kunden als Arbeitszeit?

Der Begriff der Arbeitszeit gehört sicherlich zu den vielschichtigsten Begrifflichkeiten im Arbeitsrecht. Ein Grund dafür ist, dass es keinen einheitlichen Arbeitszeitbegriff gibt. Es wird unterschieden zwischen der Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, der vergütungspflichtigen Arbeitszeit und der mitbestimmungspflichtigen Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 BetrVG.

Kernregelung des Arbeitszeitrechts ist das ArbZG, das auf der europäischen Richtline 2003/88/EG beruht. Das ArbZG definiert in § 2 Abs. 1 die Arbeitszeit als Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Diese Definition hilft bei der Frage, was alles als Arbeitszeit in diesem Sinne anzusehen ist, nicht weiter. Es ist daher nicht verwunderlich, dass neben mittlerweile geklärten Fragen, immer wieder die Gerichte zur Entscheidung von Detailfragen bemüht werden.

Eine Berufsgruppe, die besonders schwierige Probleme im Arbeitszeitrecht aufwirft, sind die Mitarbeiter ohne festen Arbeitsort. Hierbei stellen die Außendienstmitarbeiter sicher die praktisch bedeutsamste Gruppe dar, aber auch Techniker, die nahezu ununterbrochen im Einsatz bei Kunden sind, gehören hierzu. 

Während bei Mitarbeitern, die fest im Betrieb arbeiten, die Fahrtzeit vom Wohnort zum Betrieb keine Arbeitszeit darstellt, lässt sich dies bei Außendienstmitarbeitern ohne festen Arbeitsort nicht übertragen. Fährt der Mitarbeiter morgens von seinem Wohnort direkt zu einem Kunden, gehört die Fahrtzeit zu seiner Arbeitsleistung und ist damit Arbeitszeit im Sinne des ArbZG. Schwieriger ist die Einordnung etwa bei Techniker, die abends das Servicefahrzeug mit nach Hause nehmen, um morgens direkt zum Kunden aufbrechen zu können. 

Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 10.09.2015 mit einer ähnlichen Konstellation bei einem spanischen Arbeitgeber befasst. Die dortige Firma hatte ihre dezentralen Regionalbüros geschlossen und die Mitarbeiter seitdem von Madrid aus gelenkt. Die Techniker, die Sicherheitsvorrichtungen in Häusern installieren und warten, betreuen jeweils ein bestimmtes Gebiet. Mit einem Firmenfahrzeug fahren die Techniker von ihrem Wohnort zum jeweiligen Einsatzort, teilweise über 100 km. Die Kommunikation mit der Zentrale in Madrid erfolgt über das zur Verfügung gestellte Mobiltelefon.
Der Arbeitgeber erfasste die Fahrten der Techniker vom Wohnort zum Standort des ersten und des letzten Kunden nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit.

Der EuGH hat entschieden, dass die streitigen Fahrtzeiten als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen sind. Danach sei Arbeitszeit jede Zeitspanne, während derer ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Der EuGH ist der Auffassung, in der geschilderten Konstellation sei davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer während der gesamten Fahrtzeit ihre Tätigkeit ausüben oder ihnen obliegende Aufgaben wahrnehmen. Ohne die Fahrten zu den Kunden, könne der Arbeitgeber keine technischen Leistungen erbringen. Würden nur die tatsächlich ausgeführten technischen Arbeiten zur Arbeitszeit zählen, so würde das Ziel der Richtlinie, der Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigt.

Die Mitarbeiter stünden dem Arbeitgeber auch während der Fahrzeiten für Anweisungen, etwa Terminsänderungen, zur Verfügung. Die Fahrten gehörten untrennbar zum Wesen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, die nicht nur auf die reine Erbringung der technischen Leistungen beschränkt sei.

In seiner Begründung nimmt der EuGH auch auf die Schließung der Regionalbüros Bezug. Darin zeige sich, dass die Fahrten vom Regionalbüro zum Kunden vorher zur Arbeitsleistung der Mitarbeiter gehört hätten und deshalb als Arbeitszeit anzusehen waren. Am Charakter der Fahrten habe sich durch die Schließung nichts geändert. Die Arbeitnehmer dürften nicht gezwungen sein, die Folgen der Schließung der Regionalbüros zu tragen. Auch dies beeinträchtige den mit der Richtlinie bezweckten Sicherheits- und Gesundheitsschutz.

Das Urteil des EuGH hat auch Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht, da das ArbZG auf der der Entscheidung zu Grunde liegenden Richtline beruht. Die Auslegung des Arbeitzeitbegriffs durch den EuGH ist daher auch im Rahmen des ArbZG ausschlaggebend. Es ist davon auszugehen, dass Fahrtzeiten in einem weiteren Umfang als bisher als Arbeitszeit angesehen werden. Andererseits hat der EuGH recht stark die Besonderheiten des Einzelfalles - Zentralisierung der vorherigen Regionalbüros - betont. Die Konsequenz ist, dass die Arbeitsgerichte ebenfalls in jedem Einzelfall zu prüfen haben, in welchem Umfang Fahrtzeiten vom Wohnort zum ersten und vom letzten Kunden, zur geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gehören und damit als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG zu berücksichtigen sind.

Dr. Christian Velten
Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gießen

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