BLOG  |  PODCAST

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsbußen

Betriebsbußen können auch als "betriebliches Strafrecht" bezeichnet werden. In einer katalogartigen Aufzählung werden für gemeinschaftswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers konkrete Strafen festgesetzt.

Eine gesetzliche Erwähnung solcher Bußen gab es ursprünglich in der Gewerbeordnung. Dort war allerdings lediglich geregelt, dass, sofern Strafen vorgesehen werden sollten, Bestimmungen über die Art und Höhe aufzunehmen waren. Bestand die Strafe in einer Geldzahlung, musste zudem der Verwendungszweck festgelegt werden und Vorschriften über ihre Einziehung vorhanden sein. Der Gesetzgeber ging damit bereits Anfang des 20. Jahrhunderts davon aus, dass Betriebsbußen grundsätzlich zulässig sind. Die Vorschrift hierzu in der Gewerbeordnung existiert zwar nicht mehr, aber auch heute geht die Rechtsprechung von der Zulässigkeit einer Betriebsbußenordnung aus.

Juristisch wurde die Betriebsbuße zunächst als Vertragsstrafe betrachtet wie sie heute insbesondere bei einem vertragswidrigen Nichtantritt des Arbeitsverhältnisses üblich ist. Das BAG sieht mittlerweile in Betriebsbußen allerdings keine Vertragsstrafe, sondern eine betriebliche Disziplinarstrafe. Ihr Zweck ist die Ahndung eines gemeinschaftswidrigen Verhaltens im Betrieb und nicht alleine einer Vertragspflichtverletzung.

Die Suche nach einer rechtlichen Grundlage für den Erlass eines solchen betrieblichen Strafkatalogs gestaltet sich allerdings nicht einfach. Letztlich geht man davon aus, dass diese in der Sozialautonomie der Betriebspartner zu finden ist. Diese haben danach das Recht, das betriebliche Zusammenleben gemeinschaftlich zu gestalten und damit auch nicht akzeptiertes Verhalten einzelner Arbeitnehmer zu sanktionieren.

Aus dieser Begründung lässt sich bereits erkennen, dass der Arbeitgeber eine solche Betriebsbußenordnung nur gemeinsam mit dem Betriebsrat oder einer Gewerkschaft rechtswirksam implementieren kann. Betriebsverfassungsrechtlich besteht diesbezüglich auch gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, denn es handelt sich um eine Frage des Ordnungsverhaltens. Eine Betriebsbußenordnung soll gerade das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb reglementieren. In der Praxis wird eine Betriebsbußenordnung regelmäßig in Form einer Betriebsvereinbarung geschlossen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezieht sich allerdings nicht alleine auf die Festlegung der verpönten Verhaltensweisen und die abstrakte Festlegung der Strafen, sondern auch auf die Festlegung der Buße im Einzelfall.

Die Rechtsprechung hat für die Wirksamkeit einer Betriebsbußenordnung als „betrieblichem Strafrecht“ folgende Wirksamkeitsvoraussetzungen herausgearbeitet:
  • Gemeinsam von Betriebsrat und Arbeitgeber wirksam beschlossene und den Arbeitnehmern   bekannt gemachte Bußordnung
  • Eindeutig formulierte Tatbestände, die eine Betriebsbuße auslösen sollen
  • Präzise festgelegte und angemessene Bußen
  • Zwingend vorgeschriebene Einhaltung eines nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geregelten       Verfahrens, in dem den betroffenen Arbeitnehmern rechtliches Gehör sowie eine   Verfahrensvertretung garantiert sind
Diese Voraussetzungen müssen beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung stets beachtet werden. Ebenso, dass nur Verstöße gegen die betriebliche Ordnung geahndet werden dürfen.

Die Verhängung der Strafe im Einzelfall wird in der Praxis zumeist einem paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzen Ausschuss übertragen. Als übergeordnete Instanz kann eine ständige Einigungsstelle berufen werden. 

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!


Das Beschwerderecht des Arbeitnehmers nach §§ 84f. BetrVG

1. Beschwerde gegenüber Arbeitgeber, § 84 BetrVG

Das BetrVG sieht in § 84 BetrVG ein Beschwerderecht eines jeden Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber vor. Wer sich vom Arbeitgeber benachteiligt oder ungerecht behandelt, oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt, kann sich bei den zuständigen Stellen im Betrieb hierüber beschweren. Es handelt sich bei dem Beschwerderecht um ein Individualrecht des Arbeitnehmers. Trotz seiner Regelung im BetrVG gilt das Beschwerderecht auch in betriebsratslosen Betrieben.

Gegenstand einer Beschwerde zukünftige oder vergangene Benachteiligungen oder Beeinträchtigungen sein. Selbst Ansprüche, die gerichtlich geltend gemacht werden könnten, können zunächst über eine Beschwerde aufgegriffen werden. Dies gilt sowohl für Haupt- also auch Nebenleistungsansprüche. In Betracht kommt eine Beschwerde etwa bei einer ermessenswidrigen Ausübung des Direktionsrechts, durch die sich der Arbeitnehmer beeinträchtigt fühlt. Als Gegenstand einer Beschwerde kommt zudem auch eine Überlastung wegen eines Personalengpasses in Frage oder die Verweigerung einer Dienstreisegenehmigung.

Die Beschwerdemöglichkeit setzt allerdings einen betrieblichen Bezug der Angelegenheit voraus. Zudem muss der Arbeitnehmer in seiner Person beeinträchtigt oder benachteiligt sein. Keine Beschwerderecht besteht über die Amtstätigkeit des Betriebsrats.

Von wem diese ausgeht - vom Arbeitgeber selbst oder anderen Arbeitnehmern - ist irrelevant. 

Vorsicht: Durch Beschwerde werden gesetzliche Fristen, die ggf. eingehalten werden müssen, nicht gewahrt! Bei laufenden Ausschlussfristen - etwa auf Grund eines Tarifvertrages - sollten Arbeitnehmer darauf achten, dass etwaige Ansprüche in der Beschwerde ausdrücklich geltend gemacht werden.

Eine besondere Frist oder Form besteht für die Beschwerde nicht. Der Arbeitnehmer kann zur Vermittlung und Unterstützung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Will der Arbeitgeber das gesetzliche Verfahren für die Einreichung und Behandlung einer Beschwerde inhaltlich ergänzen, so unterliegt dies der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Eine Beschwerde nach § 84 BetrVG muss der Arbeitgeber prüfen und gegenüber dem Arbeitnehmer bescheiden. Auch hierfür ist keine spezielle Form vorgesehen. Hält der Arbeitgeber die Beschwerde für berechtigt, muss er ihr abhelfen. Aus der Abhilfeentscheidung kann sich ein individueller Anspruch des Arbeitnehmers ergeben. Ging es bei der Beschwerde um die Beanstandung von Fehlverhalten anderer Arbeitnehmer, kann ggf. ein aus der Fürsorgepflicht hergeleiteter Anspruch auf Einschreiten des Arbeitgebers zum Schutz individueller Rechte des betroffenen Arbeitnehmers  bestehen.

§ 84 Abs. 3 BetrVG enthält letztlich ein Benachteiligungsverbot. Ein Arbeitnehmer darf danach wegen der Einlegung der Beschwerde nicht benachteiligt werden. Ihm dürfen also aus der Wahrnehmung dieses Rechts keinerlei Nachteile entstehen. Wird wegen deiner Beschwerde eine Kündigung oder Abmahnung ausgesprochen, so sind diese unwirksam. Bei der Kündigung gilt dies selbst dann, wenn der Arbeitnehmer noch keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt. Also auch im Kleinbetrieb oder während der sechsmonatigen Wartezeit.

2. Beschwerde beim Betriebsrat, § 85 BetrVG

Ist im Betrieb ein Betriebsrat gebildet, so besteht eine Beschwerdemöglichkeit nicht nur beim Arbeitgeber selbst, sondern auch beim Betriebsrat, § 85 BetrVG. Der Betriebsrat hat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegen zu nehmen und, wenn er sie für berechtigt hält, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Über die Behandlung der Beschwerde muss der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss fassen.

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die Behandlung der Beschwerde unterrichten. Hält er sie für berechtigt, muss er ihr abhelfen. Erachtet er die Beschwerde für unberechtigt, so muss der Arbeitgeber dies gegenüber dem Betriebsrat und dem Arbeitnehmer begründen.

Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Berechtigung der Beschwerde einigen, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Soweit die Angelegenheit keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers betrifft, ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen den Parteien. So kann etwa eine Einigungsstelle nicht über die Wirksamkeit einer Abmahnung entscheiden.



Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!






Betriebsvereinbarungen und Betriebsübergang

Ein Betriebsübergang hat nicht nur Folgen für die Einzelarbeitsverhältnisse, sondern wirft auch auf kollektivrechtlicher Ebene schwierige Fragestellungen auf.

Von erheblicher Praxisrelevanz ist die Frage nach dem Schicksal von Betriebsvereinbarungen im Betriebsübergang. Bestehen diese normativ fort? Wie und wann kann der Erwerber ggf. übergehende Betriebsvereinbarungen ändern?

Von erheblicher Bedeutung ist zunächst, ob der übergehende Betrieb oder Betriebsteil seine Identität beim Erwerber behält. Als grobe Richtschur gilt, dass die Identität dann erhalten bleibt, wenn der Erwerber die vor dem Übergang vorhandenen Organisationsstrukturen beibehält. Beim Betriebsteil ist zu prüfen, ob dieser auch beim Erwerber als eigenständige betriebsratsfähige Einheit unter Beibehaltung der organisatorischen Abgrenzbarkeit fortbesteht.

Bleibt in diesem Sinne die Identität von Betrieb oder Betriebsteil erhalten, gelten die Betriebsvereinbarungen beim Erwerber normativ fort. Dieser kann sie ggf. unter Einhaltung der Kündigungsfrist kündigen und / oder durch eine neue Betriebsvereinbarung mit dem zuständigen Betriebsrat ablösen.

Diese kollektivrechtliche Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen kommt allerdings nicht in Betracht, wenn die Betriebsvereinbarung eine Regelung trifft, die mit den Verhältnissen und Einrichtungen im ursprünglichen Betrieb derart verknüpft ist, dass ihre unveränderte Weitergeltung beim Erwerber nicht in Betracht kommt. Hiervon sind insbesondere Betriebsvereinbarungen über Sozialeinrichtungen betroffen. Diese können, wenn überhaupt, nur modifiziert weitergelten.

Geht die Identität durch den Betriebsübergang verloren, gelten die ursprünglichen Betriebsvereinbarungen nicht kollektivrechtlich fort. Dies ist etwa der Fall, wenn der Erwerber den übergehenden Betrieb in einen anderen Betrieb eingliedert, so dass die Organisationsstruktur des alten Betrieb verloren geht. In dieser Konstellation übt § 613a Abs. 1 S. 2-4 BGB eine Auffangfunktion zum Schutz der Arbeitnehmer aus. Danach werden die ursprünglichen Betriebsvereinbarungen gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB Inhalt der Arbeitsverhältnisse der übergehenden Arbeitnehmer. Sie können ein Jahr lang nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die betroffenen Regelungsgegenstände der einzelnen Betriebsvereinbarung beim Erwerber ebenfalls durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind. Vor Ablauf der Jahresfrist können die ursprünglichen Regelungen dann abgelöst werden, wenn die Betriebsvereinbarung vor Ablauf der Frist, etwa durch Zeitablauf, ohnehin geendet hätte.

Eine individualrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen kommt zudem in Betracht, wenn der übernommene Betrieb aus dem Anwendungsbereich des BetrVG herausfällt, etwa wegen § 118 Abs, 2 BetrVG (bei Religionsgemeinschaften und ihren karitativen und erzieherischen Einrichtungen).



Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!


Festlegung von Pausenzeiten durch den Arbeitgeber

Das ArbZG verpflichtet den Arbeitgeber, die Arbeit eines Arbeitnehmers durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Hieraus folgt, dass der Arbeitgeber die Pausenzeiten festlegen muss. 

Das BAG hat bereits entschieden, dass der Arbeitgeber dem nicht genügt, wenn er den Arbeitnehmern die Festlegung der Pausen überlässt. Nur festgelegte Pausenzeiten müssen seitens des Arbeitgebers nicht vergütet werden. Ruhepausen i. S. d. Arbeitszeitrechts sind Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen. Die Festlegung der Pausenzeiten muss nicht in jedem Einzelfall erfolgen. Vielmehr genügt der Arbeitgeber nach Auffassung des BAG (Urt. v. 23.09.1992 - 4 AZR 562/91) dieser Pflicht auch dann, wenn er eine Pausenregelung schafft, dies es dem Arbeitnehmer ermöglicht, seine Pausen im Sinne des § 4 ArbZG zu nehmen. Es muss sichergestellt sein, das der einzelne Arbeitnehmer während voraus bestimmter Zeiträume während der Arbeitsleistung seine Arbeit unterbrechen kann, ohne weiterhin bereit sein zu müssen, diese jederzeit wieder aufzunehmen. Hat der Arbeitnehmer dagegen trotz der Pausenregelung die Schicht durcharbeiten müssen, weil es ihm unmöglich gewesen ist, seine Pause zu machen, ist die geleistete Arbeitszeit vollständig zu vergüten. 

In einer neueren Entscheidung hat sich das LAG Köln (Urt. v. 27.11.2013 - 5 Sa 376/13) mit einem Dienstplan befasst, der pauschal eine Stunde pro Schicht für Pausen vorsah. Die Arbeitnehmer sollten selbst untereinander absprechen, wann welcher Arbeitnehmer Pause macht. Dies hatten die Arbeitnehmer allerdings unterlassen. Das LAG Köln entschied daher, dass der Arbeitgeber alleine durch die Regelung einer einstündigen Pause im Schichtplan seiner Pflicht zur Festlegung der Pausen im Sinne des § 4 ArbZG nicht genügt hat. Überlasst der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die Festlegung der individuellen Pausenzeit während der Schicht, muss er dafür sorgen, dass die Pausen auch tatsächlich genommen werden. Tut er dies nicht, hat er keine Pause gewährt und muss die tatsächlich geleistete Arbeitszeit auch vergüten.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!


  

LAG Hessen: Manipulation bei der Arbeitszeiterfassung kann auch bei langer Betriebszugehörigkeit außerordentliche Kündigung rechtfertigen!

Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihre Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Manipulationen bei der Arbeitszeiterfassung scheinen im Bewusstsein einiger Arbeitnehmer allerdings eher Lappalien zu sein. Typisches Beispiel ist, dass für kurze Raucherpausen nicht ausgestempelt wird. Unterlässt ein Arbeitnehmer dies vorsätzlich, obwohl er seiner Arbeitsleistung nicht nachgekommen ist und Pause gemacht hat, und bezahlt der Arbeitgeber diese Zeiten als Arbeitszeit, liegt rechtlich ein Arbeitszeitbetrug zu Lasten des Arbeitgebers vor. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (BAG, Urt. v. 9.6.2011 − 2 AZR 381/10). Diese Pflichtverletzung ist regelmäßig auch geeignet, dass Vertrauen des Arbeitgebers in den Mitarbeiter nachhaltig zu erschüttern.

Ob die bezahlten Pausen sich auf mehrere Stunden oder nur Minuten summieren, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Genauso wie bei Diebstählen gibt es auch insofern keine Geringwertigkeitsschwelle.

Ein Arbeitszeitbetrug ist daher an sich geeignet eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Vor deren Ausspruch ist allerdings zu prüfen, ob nicht auch eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend ist. Bei Vermögensdelikten gegenüber dem Arbeitgeber ist eine Abmahnung in vielen Fällen entbehrlich, da der Arbeitnehmer erkennbar nicht damit rechnen konnte, der Arbeitgeber werde sein Fehlverhalten hinnehmen. Insoweit bedarf es aber immer eines genauen Blicks auf den Einzelfall. Zuletzt sind im Rahmen einer Interessenabwägung immer die beiderseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeneinander abzuwägen. Zu Gunsten des Arbeitnehmers kann beispielsweise eine langjährige beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit berücksichtigt werden. Das LAG Hessen (Urt. v. 17.02.2014 - 16 Sa 1299/13) hat in einem jüngeren Urteil allerdings selbst bei einer 25-jährigen beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit eine außerordentliche Kündigung für zulässig erachtet. Der betroffene Mitarbeiter hatte wiederholt private Pausen gemacht und dabei bewusst so getan als hätte er die Zeiterfassung mit dem zugehörigen Chip betätigt und damit ausgestempelt. In Wirklichkeit hatte er den Chip so abgedeckt, dass die Zeiterfassung nicht betätigt wurde. Dies konnte der Arbeitnehmer auch erkennen, da bei ordnungsgemäßer Betätigung ein akustisches Signal erfolgte. Dieser Vertrauensbruch wog nach Auffassung des LAG Hessen schwerer als die lange Betriebszugehörigkeit.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!

Kündigung wegen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts? Noch nicht einmal während der Wartezeit nach § 1 KSchG

Arbeitgeber reagieren manchmal empfindlich auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen Arbeitnehmer und betrachten dies als Affront. Dass die Einholung externen Rechtsrats zur Versachlichung der Situation beitragen kann, wird dabei meist übersehen.

In einem vor dem ArbG Dortmund (Urt. v. 12.02.2014 - 9 Ca 5518/13) entschiedenen Fall ging die Verärgerung des Arbeitgebers über ein Anwaltsschreiben seiner Arbeitnehmerin soweit, dass er ihr deshalb kündigte. Die Arbeitnehmerin hatte mit Anwaltsschreiben zur Genehmigung eines bereits eingetragen und später wieder gestrichenen Urlaubs aufgefordert. Dieses Vorgehen hatte der Arbeitgeber nach dem eigenen Vortrag als "irritierend" empfunden. Dies sei in seinem Hause weder "üblich" noch "gewünscht". 

Das Besondere an dem entschiedenen Fall war, dass die Klägerin die Wartezeit von sechs Monaten nach § 1 KSchG noch nicht absolviert hatte. Sie genoss damit noch keinen Kündigungsschutz, so dass der Arbeitgeber ihr eigentlich ohne Begründung hätte kündigen können. Da der Arbeitgeber die Kündigung aber selbst auf das Anwaltsschreiben zurückgeführt hat, lag ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vor. Danach darf die zulässige Ausübung seiner Rechte durch den Arbeitnehmer nicht zu seiner Benachteiligung bei einer Maßnahme des Arbeitgebers führen. Hierunter fällt erst recht, wenn eine negative Maßnahme auf Grund der zulässigen Rechtsausübung ergriffen wird. Das ArbG Dortmund wertete die Kündigung als unangemessen und Bestrafung der Arbeitnehmerin für die Wahrnehmung ihres Rechts anwaltlichen Beistand hinzuziehen.

Es kann sich also lohnen, auch eine Kündigung in der Wartezeit überprüfen zu lassen. Selbst bei dem Ausspruch einer dem Anschein nach problemlosen Wartezeitkündigung können sich Fehler einschleichen. 

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen

Impressum: hier


Lesen Sie auch meinen Blog zum IT-Recht und zur Unternehmensmitbestimmung!


Über uns

Wir sind eine zivil- und verwaltungsrechtlich ausgerichtete Partnerschaft von Rechtsanwälten. Bei uns finden Sie Ihren Experten für die Rechtsgebiete Mietrecht, Familienrecht, Arbeitsrecht und Verwaltungsrecht. Einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt bildet das Datenschutzrecht.

Büro Gießen

Schiffenberger Weg 61
35394 Gießen

Tel.: 0641 9727668
Fax: 0641 9727669

giessen@jota-rechtsanwaelte.de

Büro Rechtenbach

Am Schwingbach 11
35625 Hüttenberg

Tel.: 06441 679766
Fax: 06441 679768

rechtenbach@jota-rechtsanwaelte.de