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Arbeitsunfähigkeit während Freizeitausgleichszeitraum

Erhält der Arbeitnehmer - etwa zur Abgeltung von Überstunden - einen Freizeitausgleich, wird dieser durch Freistellung von der Arbeitsleistung gewährt. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung ist in diesem Zeitraum suspendiert. Nach Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz führt eine Erkrankung des Arbeitnehmers im Freistellungszeitraum nicht dazu, dass der Freizeitausgleich nochmal gewährt werden müsste (Urt. v. 19.11.2015 - 5 Sa 342/15). Das Risiko der Erkrankung im Freistellungszeitraum trägt somit der Arbeitnehmer. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage von einer Erkrankung während des Erholungsurlaubs.

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Nachweispflicht für Arbeitsunfähigkeit nach Ende des Entgeltfortzahlungszeitraum

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, ist er verpflichtet, spätestens am 4. Kalendertag des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber kann die Vorlage der AU-Bescheinigung auch zu einem früheren Zeitpunkt verlangen, 
§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der AU-Bescheinigung angegeben, ist eine Folgebescheinigung vorzulegen.

In der Praxis ist zu beobachten, dass oft nach dem Ende der Entgeltfortzahlung, also nach Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums, keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt werden. Arbeitgeber nehmen dies meist hin, da sie von der Vergütungspflicht befreit sind. Der Arbeitnehmer erhält ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig Krankengeld. Trotzdem bleibt er gegenüber dem Arbeitgeber weiter verpflichtet, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen (LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.04.1996 - 3 Sa 449/95). Der Wegfall der Entgeltfortzahlungspflicht ändert daran nichts. Der Arbeitgeber hat auch weiterhin ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, wann der Arbeitnehmer voraussichtlich wieder einsatzfähig sein wird. Allerdings kann ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt (a.a.O.) nur bei Vorliegen besonderer Umstände eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.


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Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei Einsichtnahme in die Personalakte

§ 83 Abs. 1 BetrVG gewährt jedem Arbeitnehmer das Recht auf Einsichtnahme in seine Personalakte. Hierzu kann der Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied hinzuziehen. Das BAG hatte aktuell darüber zu entscheiden, ob auch ein Anspruch darauf besteht, dass die Einsichtnahme in Anwesenheit des Rechtsanwalts des Arbeitnehmers durchgeführt wird.

Ein solcher Anspruch besteht nach Auffassung des BAG (Urt. v. 12.07.2016 - 9 AZR 791/14) jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaubt, Kopien von den Schriftstücken in der Personalakte zu fertigen. Der Arbeitnehmer könne sich dann weder auf die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers, noch auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen. Das Einsichtsrecht in die Personalakte ist ggf. einem Korrekturanspruch hinsichtlich unwahrer Angaben vorgelagert. Diesbezüglichen Transparenzerfordernissen ist durch das Recht, Kopien zu fertigen genüge getan, so dass es auch insofern keiner Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bedarf.
Wie das BAG entschieden hätte, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht erlaubt hätte, Kopien vom Inhalt der Personalakte anzufertigen, lässt sich der Pressemitteilung nicht entnehmen. Es bleibt damit abzuwarten, ob die Urteilsgründe hierzu Hinweise enthalten.


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Keine Pflicht zur Teilnahme an einem Personalgespräch bei Arbeitsunfähigkeit?

Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, an einem Personalgespräch teilzunehmen. Dies hat das LAG Nürnberg mit Urteil vom 01.09.2015 entschieden. Der konkrete Gesundheitszustand des Arbeitnehmers spielt dabei nach Auffassung des LAG keine Rolle. Eine teilweise Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitsrecht fremd. Da während der Arbeitsunfähigkeit die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers suspendiert ist, war der Arbeitgeber während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht berechtigt, diesbezügliche Weisungen zu erteilen. Somit lag in der Weigerung an dem Personalgespräch teilzunehmen auch keine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.

Ob das Urteil wie auf den ersten Blick erscheinen mag, tatsächlich pauschal eine Pflicht zur Teilnahme an einem Personalgespräch ausschließen will, erscheint fraglich. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber letztlich auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen, dass Personalgespräch trotz Arbeitsunfähigkeit erforderlich gewesen sein soll. Soll es lediglich um die Arbeitsleistung oder die Rüge von Pflichtverletzungen gehen, scheidet eine Teilnahmepflicht in jedem Fall aus. Ob ein Arbeitgeber im Fall der Arbeitsunfähigkeit trotzdem wirksam zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement einladen kann, ist einen andere Frage. Jedenfalls wäre auch in diesem Fall keine Kündigung gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Teilnahme am BEM-Gespräch verweigert.

Da gegen das Urteil des LAG Nürnberg Revision eingelegt wurde, wird sich möglicherweise bald das BAG mit der Problematik auseinandersetzen.

Update 02.11.2016

Mit Urteil vom heutigen Tag hat das BAG (Az. 10 AZR 596/15) in einem ähnlichen Rechtsstreit die Weichen gestellt. Auch in diesem Rechtsstreit ging es um die Pflicht zur Teilnahme an einem Personalgespräch während einer Arbeitsunfähigkeit. Das BAG hielt die streitgegenständliche Abmahnung, die gegenüber dem Kläger ausgesprochen worden war, weil dieser an einem Personalgespräch unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit nicht teilgenommen hatte, für unwirksam. Grundsätzlich bestehe keine Pflicht zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber in dessen Betrieb anberaumten Gespräch, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt sei. Zwar dürfe der Arbeitgeber auch bei Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers mit diesem Kontakt aufnehmen, etwa um weitere Beschäftigungsmöglichkeiten zu erörtern. Dies setze aber ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers voraus. Eine Pflicht des Arbeitnehmers hierfür im Betrieb des Arbeitgebers zu erscheinen besteht nach Auffassung des BAG aber regelmäßig nicht, es sei denn, die Anwesenheit im Betrieb sei ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer gesundheitlich dazu in der Lage. Diese Voraussetzungen dürften in der Praxis kaum erfüllt sein. 


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BAG zur Entgeltfortzahlung im Fall einer ambulanten Kur

Will ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen eine Kur antreten ohne gleichzeitig arbeitsunfähig zu sein, stellt sich für ihn die Frage, unter welchen Voraussetzungen er für die Dauer der Kur Entgeltfortzahlung beanspruchen kann, oder ob er ggf. seinen Urlaubsanspruch hierfür aufwenden muss.

§ 9 Abs. 1 S. 1 TzBfG bestimmt, dass die für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltenden Vorschriften bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation entsprechend anzuwenden sind, wenn u.a. ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung oder sonstiger Sozialleistungsträger diese bewilligt hat.  Die Maßnahme muss medizinisch notwendig sein. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Sozialleistungsträger die Maßnahme bewilligt hat.

Weitere Voraussetzung ist, dass die Maßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird. Ob diese stationär oder ambulant erfolgt, spielt insofern keine Rolle mehr. Allerdings hat das BAG (Urt. v. 25.05.2016 - 5 AZR 298/15) in einer aktuellen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Einrichtung, in der die Rehabilitation stattfindet, den Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V genügen muss. Dieser lautet:

"Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzbuchs sind Einrichtungen, die 

1. der stationären Behandlung der Patienten dienen, um 

  a) eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit         führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes   entgegenzuwirken (Vorsorge) oder 
 b) eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluß an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen, 

2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen, 

und in denen 

3.die Patienten untergebracht und verpflegt werden können."

Dies dient der Abgrenzung zwischen einer Rehabilitationsmaßnahme und der bloßen Erholungskur zur Verbesserung des Allgemeinzustandes oder der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, die nicht unter § 9 TzBfG fällt. Für die Dauer einer Erholungskur ohne konkreten Krankheitsanlass besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Hierfür müsste der Arbeitnehmer ggf. seinen Erholungsurlaub aufwenden. Im Gegensatz dazu dient die Rehabilitationsmaßnahme im Sinne von § 9 TzBfG zur Durchführung therapeutischer Maßnahmen, um ein konkretes Krankheitsbild zu behandeln.


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Der Antrag auf Elternzeit nach § 16 Abs. 1 BEEG

Wer nach der Geburt seines Kindes Elternzeit nach dem BEEG in Anspruch nehmen will, hat einige formelle Hürden einzuhalten. Diese sind von wesentlicher Bedeutung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da bei ihrer Nichtbeachtung ggf. sogar die Ablehnung der Elternzeit droht.

In zeitlicher Hinsicht sieht § 16 BEEG zwei unterschiedliche Fristen für den Antrag auf Elternzeit vor: Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes spätestens sieben Wochen und für den Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes spätestens 13 Wochen vor Beginn verlangen. Es ist folglich danach zu differenzieren, für welchen Zeitraum Elternzeit verlangt wird. Durch die Antragsfrist soll dem Arbeitgeber ermöglicht werden, seine Personalplanung noch im Hinblick auf die Elternzeit anpassen zu können, ggf. etwa eine Vertretungskraft einstellen zu können.
Wird der Antrag nicht rechtzeitig gestellt, so verschiebt sich der Beginn der Elternzeit entsprechend auf den fristgerechten Zeitpunkt. Die Frist kann gem. § 16 Abs. 1 S. 3 BEEG nur bei dringenden Gründen angemessen verkürzt werden. Der Arbeitgeber kann aber auch auf die Einhaltung der Frist verzichten.

Der Zeitpunkt der Antragsstellung kann von ganz entscheidender Bedeutung sein. Arbeitnehmer sollten hierbei den Zusammenhang zwischen dem Beginn der Elternzeit und Sonderkündigungsschutz im Blick haben. Der Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG beginnt frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes. Wird der Antrag auf Elternzeit vor diesem Zeitpunkt gestellt, könnte der Arbeitgeber, um den Sonderkündigungsschutz bei Elternzeit zu umgehen, das Arbeitsverhältnis noch kündigen. Aus Arbeitnehmersicht ist daher zu raten, den Antrag frühestens acht und spätestens sieben Wochen bzw. frühestens 14 und spätestens 13 Wochen vor Beginn der Elternzeit zu stellen.

§ 16 Abs. 1 BEEG sieht zudem vor, dass der Antrag auf Elternzeit schriftlich gestellt werden muss. Schriftform im Sinne des § 126 BGB bedeutet, dass der Erklärende die Urkunde eigenhändig unterzeichnen oder seine Erklärung mittels notariell beglaubigtem Handzeichen abgeben muss. Eine E-Mail oder ein Fax reichen insofern nicht aus. Wird die Schriftform vom Arbeitnehmer nicht gewahrt, ist seine Erklärung gem. § 125 BGB nichtig. Allerdings kann die Berufung des Arbeitgebers auf die Formnichtigkeit im Einzelfall treuwidrig sein. Die einfache Kenntnis des Arbeitgebers vom formnichtigen Elternzeitverlangen reicht hierfür allerdings ebensowenig aus, wie das Unterlassen einer Aufforderung zur Arbeitsleistung für den Zeitraum der geplanten Elternzeit. Anders kann dies zu bewerten sein, wenn der Arbeitgeber selbst die Formnichtigkeit herbeigeführt hat, indem er dem Arbeitnehmer zu erkennen gibt, er werde auch eine Mail oder ein Fax ausreichen lassen oder den Arbeitnehmer sogar selbst auffordert, die Elternzeit auf diesem Wege zu beantragen.

Die Erklärung des Arbeitnehmers über das Elternzeitverlangen muss hinreichend bestimmt sein. Der Arbeitgeber muss aus ihr entnehmen können, dass der Arbeitnehmer Elternzeit nimmt und ab wann diese beginnen soll. Zudem muss bei Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes mitgeteilt werden, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren die Elternzeit genommen werden soll.

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