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Das aktive Wahlrecht bei der Betriebsratswahl

a. Grundsatz

Das aktive Wahlrecht meint das Recht im Rahmen der Betriebsratswahl seine Stimme abgeben zu dürfen. Für die Wahlvorstände ist die Frage, wer aktiv wahlberechtigt ist, u.a. deshalb bedeutsam, weil sie die wahlberechtigten Arbeitnehmer in der Wählerliste aufführen müssen.

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Eine gesetzliche Regelung zum aktiven Wahlrecht findet sich in § 7 BetrVG. Danach sind seit Verabschiedung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wahlberechtigt alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben (S. 1). Voraussetzung für das aktive Wahlrecht ist somit zunächst die Arbeitnehmereigenschaft. Insofern gilt der Arbeitnehmerbegriff im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG, § 611a BGB. Damit sind auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten wahlberechtigt. Denkbar nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 01.12.2020 - 9 AZR 102/20) ist sogar unter bestimmten Voraussetzungen, dass Crowdworker, die für den Betrieb tätig sind, als Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB wahlberechtigt sein können.

Auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder den Umfang der Arbeitsleistung (Vollzeit oder geringfügige Beschäftigung) kommt es hierbei nicht an. Auch eine vorübergehende Abwesenheit im Betrieb, etwa bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis oder während des Mutterschutzes oder der Elternzeit schadet nicht. Arbeitnehmer in Altersteilzeit bleiben bis zum Beginn der Freistellungsphase wahlberechtigt. Das aktive Wahlrecht endet aber mit dem Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit (BAG, Beschl. v. 25. 10. 2000 - 7 ABR 18/00). Nicht wahlberechtigt sind die leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG.

Das 16. Lebensjahr muss spätestens am Wahltag vollendet worden sein. Leiharbeitnehmer sind im Entleiherbetrieb wahlberechtigt, wenn sie dort länger als drei Monate ununterbrochen (kurze Unterbrechungen von wenigen Tagen schaden nicht) eingesetzt werden (S. 2). Zugleich behalten sie ihr Wahlrecht im Verleiherbetrieb, mit dem schließlich das Arbeitsverhältnis besteht. Das Wahlrecht im Entleiherbetrieb besteht schon ab dem ersten Tag der Arbeitnehmerüberlassung (BT-Drs. 14/5741 S. 36), sodass eine Prognose zu treffen ist, wie lange der Arbeitnehmer voraussichtlich im Entleiherbetrieb eingesetzt werden wird.

b. Betriebszugehörigkeit

Die Wahlberechtigung setzt eine Eingliederung des betreffenden Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers voraus. Dabei kommt es darauf an, dass der Arbeitnehmer zur Erfüllung des Betriebszwecks eingesetzt wird. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich im Betrieb arbeitet, ist daher unerheblich. So können auch Außendienstmitarbeiter oder Heimarbeiter und Telearbeiter betriebszugehörig sein. Auch die Zugehörigkeit zu mehreren Betrieben eines Unternehmens ist möglich, woraus auch ein Wahlrecht in jedem Betrieb folgen kann (BAG 25.10.1989, NZA 1990, 820).

Wird das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt, so ist der Arbeitnehmer jedenfalls noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wahlberechtigt. Nach diesem Zeitpunkt besteht die Wahlberechtigung nur fort, wenn und solange ein Kündigungsschutzverfahren geführt wird.

c. Eintragung in die Wählerliste
Wahlberechtigte Arbeitnehmer müssen in die Wählerliste eintragen sein, um ihr Wahlrecht auszuüben. Die Eintragung hat jedoch keine materiell rechtlichen Auswirkungen auf die Wahlberechtigung (BAG v. 21.3.2017 - 7 ABR 19/15), so dass z.B. die Eintragung eines nicht wahlberechtigten Arbeitnehmers in die Wählerliste nicht dazu führt, dass diesem nunmehr - obwohl die Voraussetzungen nicht vorliegen - das aktive Wahlrecht zusteht. Bei Streitigkeiten über die Wahlberechtigung eines Arbeitnehmers obliegt die Entscheidung dem Wahlvorstand (§§ 2, 4 WO), welche wiederrum in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht überprüft werden kann.

d. Folge der Wahlberechtigung

Ist ein Beschäftigter wahlberechtigt, bringt dies neben dem Recht zur Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl weitere Rechte mit sich. So dürfen Wahlberechtigte Wahlvorschläge machen gem. § 14 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG und haben ein Recht auf einen Sitz im Wahlvorstand gem. § 16 Abs. 1 BetrVG. Gem. § 19 Abs. 2 BetrVG können wahlberechtigte Beschäftigte die Betriebsratswahl vor den Arbeitsgerichten anfechten oder gem. § 23 Abs. 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrats oder den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds beantragen.

Kein Folgenbeseitigungsanspruch des Betriebsrats nach E-Mail-Kontrolle durch Arbeitgeber

Zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23.3.2021 – 1 ABR 31/19

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I. Sachverhalt

Der Betriebsrat und seine Arbeitgeberin (eine Flughafenbetreiberin mit etwa 1.800 Arbeitnehmer*innen) stritten über Auskunfts-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des Betriebsrats. Im Jahr 2010 wurde eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung von infomations- und kommunikationstechnischen Systemen geschlossen. Die E-Mail-Kommunikation im Betrieb erfolgte mit Zustimmung des Betriebsrats über das Softwareprogramm Outlook. Gem. § 12 der Betriebsvereinbarung waren dem Betriebsrat auf sein Verlangen hin die für die Überwachung der Betriebsvereinbarung erforderlichen Informationen und Unterlagen vorzulegen.
Im Jahr 2017 leitete die Arbeitgeberin Untersuchungen gegen ihren damaligen Geschäftsführer zur Klärung strafrechtlich relevanter Vorwürfe ein. Dabei wurde das E-Mail-Postfach des Geschäftsführers sowie weiterer Arbeitnehmer*innen untersucht und relevante E-Mails gesichert. Diese E-Mails wurden an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie an eine Rechtsanwaltskanzlei weitergeleitet, welche die Arbeitgeberin bei den Untersuchungen unterstützten.

Der Betriebsrat vertat die Auffassung, bei der Auswertung, Sicherung und Weiterleitung der E-Mails habe ihm ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zugestanden. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG knüpft an die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen an, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dieses sei durch die Arbeitnehmerin verletzt wurde. Er begehrte daher Auskunft über die betroffenen Arbeitnehmer*innen, gestützt auf seine Überwachungsaufgabe aus § 80 Abs. 1, 2 BetrVG sowie § 12 BV. Die Arbeitgeberin sei zudem aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verpflichtet, den durch die Weiterleitung der E-Mails entstandenen Zustand – durch Löschung der E-Mails bei den Empfängern – zu beseitigen und weitere Speicherungen bzw. Weiterleitungen zu unterlassen.

II. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Das BAG hat die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats jedoch abgewiesen. Die Arbeitgeberin sei nicht verpflichtet, die begehrten Auskünfte zu erteilen. Die Kenntnis der konkreten Namen der Arbeitnehmer*innen, deren E-Mails ausgewertet wurden, seien nicht erforderlich zur Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BetrVG (iVm § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG). Auch der Unterlassungsanspruch stehe dem Betriebsrat nicht zu. Dem Betriebsrat habe zwar ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung und Anwendung der E-Mail-Kommunikation im Betrieb zugestanden, denn die hierzu erforderliche Software sei geeignet zur Überwachung von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer. Dieses Mitbestimmungsrecht habe er jedoch auch ausgeübt, indem er der Einführung der Software zustimmte. Für die Mitbestimmung bei der Anwendung der Software sei kein Raum mehr, weil in der Rahmenbetriebsvereinbarung (§ 10 BV) ausdrücklich die Unzulässigkeit von Leistungs- und Verhaltenskontrollen mittels der Software vereinbart wurde. Durch die Weiterleitung der E-Mails wurde daher kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt.

Letztlich bestehe auch der Folgenbeseitigungsanspruch nicht. Aus § 87 BetrVG folge zwar ein Beseitigungsanspruch, dieser sei aber nur auf Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands und nicht auf eine weitergehende Folgenbeseitigung gerichtet. Der Betriebsrat hätte daher gestützt auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nur die Einführung und Nutzung der technischen Überwachungseinrichtung verhindern können – dieser hatte er aber gerade zugestimmt. Die Löschung der weitergeleiteten E-Mails sei hingegen nicht von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gedeckt.

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Betriebsratssitzungen per Videokonferenz? Neuregelung im Entwurf des §129 BetrVG-neu

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Die Corona-Krise hat die Arbeit von Betriebsräten erschwert. Vor allem die Kontaktverbote haben dazu geführt, dass vielfach Betriebsratssitzungen nicht wie gewohnt, als Präsenzsitzungen abgehalten werden konnten, sondern als Telefon- oder (zumeist) als Videokonferenz. Solcher Art durchgeführte Sitzungen bergen allerdings Risiken - vor allem, wenn es um die Wirksamkeit von dort getroffenen Beschlüssen geht. Die althergebrachte Auffassung geht schließlich davon aus, dass Betriebsratsbeschlüsse im Rahmen von Video- oder Telefonkonferenzen nicht wirksam gefasst werden können.

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