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Der Tarifvorbehalt des § 77 III BetrVG

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Tarifrecht Betriebsverfassung

In der arbeitsrechtlichen Normenhierarchie können Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen konkurrieren. Die Besonderheit in diesem Fall besteht darin, dass der Gesetzgeber zur Sicherung der Tarifautonomie dem Tarifvertrag grundsätzlich einen Vorrang vor der Betriebsvereinbarung einräumt.

In § 77 III BetrVG heißt es:

„Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicher Weise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.“

Diese Regelung soll sicherstellen, dass Regelungsgegenstände, die von den Tarifvertragsparteien bereits behandelt wurden, nicht konkurrierend durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden. Hierdurch sind selbst günstigere Betriebsvereinbarungen grundsätzlich unzulässig. 

Die Regelungssperre umfasst das Arbeitsentgelt und die sonstigen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen. 

Eine Regelung von Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag liegt dann vor, wenn über sie ein Tarifvertrag abgeschlossen ist und der Betrieb in dessen räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich fällt. Zudem müssen die von der Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer in den persönlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages fallen. 

Unerheblich ist dagegen die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die geltende tarifliche Regelung für die Branche repräsentativ ist. 

Sieht eine Betriebsvereinbarung allerdings für die Gewährung von Leistungen von der tariflichen Regelung abweichende Voraussetzungen vor, liegt kein Verstoß gegen § 77 III BetrVG vor.

Befindet sich ein Tarifvertrag bereits nur noch im Nachwirkungsstadium, weil er abgelaufen ist, kommt ihm keine Sperrwirkung mehr zu. Er entfaltet dann keine zwingende Wirkung mehr und kann gemäß § 4 V TVG durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Ausreichend für den Eintritt der Sperrwirkung ist bereits, wenn die zu regelnde Angelegenheit üblicher Weise tariflich geregelt wird. Entscheidend ist hier die übliche Tarifpraxis. Werden über eine bestimmte Regelung Tarifverhandlungen geführt, so liegt eine Tarifüblichkeit regelmäßig vor. Nicht ausreichend ist dagegen eine reine Negativregelung im Tarifvertrag oder wenn die Parteien lediglich beabsichtigen, zukünftig eine entsprechende Regelung zu treffen.

Handelt es sich bei dem Regelungsgegenstand um eine Angelegenheit der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 BetrVG, so greift die Regelungssperre des § 77 III BetrVG nicht ein. Das BAG erblickt in diesem Fall in § 87 I BetrVG die speziellere Regelung.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

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Hochwasser und Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Hochwasser Arbeitsrecht

Das Hochwasser hat die Menschen vor allem derzeit in Sachsen-Anhalt fest im Griff. Das kann auch unterschiedlichste Auswirkungen auf bestehende Arbeitsverhältnisse haben.

1. Der Vergütungsanspruch

Auch während einer Hochwasserkatastrophe besteht weiterhin grundsätzlich die Pflicht zur Arbeitsleistung. Arbeitsrechtlich gilt der Grundsatz "Ohne Arbeit, kein Lohn". Insbesondere trägt der Arbeitnehmer grundsätzlich das Risiko, zum Arbeitsplatz zu gelangen, sog. Wegerisiko. Kann er also wegen gesperrter Straßen oder Bahnstrecken, den Betrieb des Arbeitgebers nicht erreichen, muss der Arbeitgeber auch keine Vergütung für Zeiten zahlen, in denen der Arbeitnehmer deshalb nicht gearbeitet hat.

Von diesem Grundsatz bestehen allerdings Ausnahmen. So hat das BAG bereits im Jahr 1983 in Erwägung gezogen, § 616 BGB im Fall von Naturkatastrophen anzuwenden. Danach verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aus einem in seiner Person liegendem Grund ohne sein Verschulden an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert war. Hieran könnte zu denken sein, wenn der Arbeitnehmer auf Grund des Hochwassers seine persönlichen Sachen retten muss und deshalb der Arbeit fernbleibt. Der Verhinderungsgrund muss allerdings grundsätzlich alleine in der Sphäre des einzelnen Arbeitnehmers liegen und darf nicht auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern zutreffen. Letzteres wäre eigentlich bei einer Hochwasserkatastrophe der Fall, da diese nicht nur den einzelnen Arbeitnehmer trifft, sondern viele Menschen. Trotzdem wird eine entsprechende Anwendung hier in Betracht kommen. Zu beachten ist allerdings, dass die Verhinderung nur einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum andauern darf, d.h. im Regelfall nur wenige Tage. 

Trägt der Arbeitnehmer zwar das Risiko, zum Arbeitsplatz zu gelangen, so trägt der Arbeitgeber das Risiko, die angebotene Arbeitsleistung annehmen zu können. Kann er dies auf Grund einer Betriebsstörung nicht, so schuldet er trotzdem die Vergütung, sog. Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko. . Kann der Arbeitgeber also seine Produktion nicht aufrechterhalten, weil er von Zulieferern nicht erreicht werden kann und deshalb die benötigten Waren für die Produktion fehlen, besteht ein Anspruch auf die Vergütung für die ausgefallenen Zeiten.

2. Freistellungsansprüche der Katastrophenhelfer

Die ehrenamtlichen Helfer von THW und Feuerwehr, die über mehrere Tage in den Katastrophengebieten im Einsatz sind, erbringen ihre eigentliche Arbeitsleistung in dieser Zeit regelmäßig nicht. Die jeweiligen Landesgesetze und das THW-Helferrechtsgesetz sehen für diese Fälle einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber vor. So heißt es in § 3 I THW-Helferrechtsgesetz etwa:

"Nehmen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer während der für sie maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit an Einsätzen oder Ausbildungsveranstaltungen teil, so sind sie für die Dauer der Teilnahme unter Weitergewährung des Arbeitsentgeltes, das sie ohne die Teilnahme erhalten hätten, von der Arbeitsleistung freigestellt"

Eine ähnliche Regelung für ehrenamtliche Feuerwehrfrauen/ -männer findest sich in Hessen beispielsweise in §11 II des Hessischen Gesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HessBrandKaSG).

Der Arbeitgeber ist daher nach diesen Vorschriften verpflichtet, den Arbeitnehmer insbesondere für Einsätze freizustellen und die Vergütung fortzuzahlen. Der private Arbeitgeber kann sich aber auf Antrag die geleistete Entgeltfortzahlung erstatten lassen, vgl. § 11 VIII (HessBrandKaSG).

Fällt der Katastropheneinsatz in den Erholungsurlaub des ehrenamtlichen Helfers, so sind die Urlaubstage, an denen der Einsatz statt fand, nachzugewähren. 

3. Direktionsrecht des Arbeitgebers

Denkbar ist in Katastrophenfällen auch, dass der Arbeitnehmer nicht als freiwilliger Helfer in der Feuerwehr oder dem THW, sondern auf Anordnung des Arbeitgebers Notstandsarbeiten erbringen soll.

Normalerweise darf der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts den Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, wobei das Direktionsrecht allerdings seine Grenzen an den arbeitsvertraglichen Bestimmungen findet. Ist ein Mitarbeiter also als kaufmännischer Angestellter eingestellt, dürfen diesem auch nur Aufgaben, die zu einer solchen Tätigkeit gehören, übertragen werden. Auch bei Vorliegen einer sog. Versetzungsklausel, mit der Arbeitgeber sich die Übertragung anderweitiger Aufgaben, die den Fähigkeiten und Qualifikationen des Arbeitnehmers entsprechen, vorbehält, wird sich die Zuweisung grundverschiedener Tätigkeiten nicht rechtfertigen lassen.

Tritt nun allerdings der Katastrophenfall ein, ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers erweitert. Er kann dann vom Arbeitnehmer verlangen, Notstandsarbeiten, wie etwa das Befüllen von Sandsäcken, zu übernehmen, um den Betrieb vor dem Hochwasser zu schützen. Allerdings darf auch diese Tätigkeit dem Arbeitnehmer, etwa aus gesundheitlichen Gründen, nicht unzumutbar sein.

Im Katastrophenfällen können die sonst durch das ArbZG vorgegebenen Arbeitszeiten ausnahmsweise überschritten werden, § 14 I ArbZG.


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Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung

Rechtsanwalt Arbeitsrecht Eltville Gießen

Stichworte: Kündigungsschutzrecht

Betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung liegen vor, wenn durch eine unternehmerische Entscheidung die Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer weggefallen ist. Die Beschäftigungsmöglichkeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer auf Grund betrieblicher Umstände nicht mehr vertragsgerecht eingesetzt werden kann.

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Risiko, den Arbeitnehmer vertragsgemäß beschäftigen zu können. Das bedeutet, dass bei betriebsbedingten Kündigungen grundsätzlich die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten werden muss. Betriebsbedingte Kündigungen sind daher regelmäßig nur als ordentliche Kündigung möglich. Auch das BAG (Urt. v. 24.01.2013 - 2 AZR 453/11) hat jüngst wiederholt betont, dass eine außerordentliche Kündigung bei einem ordentlich kündbaren Mitarbeiter grundsätzlich nicht in Frage kommt und ausgeführt:

"Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich 
kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten."

Nur in eng umrissenen Ausnahmefällen kommt eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung in Betracht. Relevant wird dies insbesondere bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern. Ordentliche Unkündbarkeit kann sich etwa aus tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften ergeben. So enthalten zum Beispiel die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes eine altersbedingte Unkündbarkeit.

Will der Arbeitgeber nun einen Betrieb oder Betriebsteil schließen und ist eine Versetzung in einen anderen Betrieb nicht möglich, so könnte der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zu dem Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber trotz Wegfall des Beschäftigungsbedarfs das Arbeitsverhältnis nicht beenden könnte. In diesen Ausnahmefällen kommt eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Der Arbeitgeber muss diese jedoch unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist, die der längsten gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist entsprechen muss, aussprechen.

Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist kann nach Auffassung des BAG grundsätzlich auch in Betracht kommen, wenn in der betroffenen Einheit  - Betrieb oder Betriebsteil -  ein hoher Prozentsatz von ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern beschäftigt ist und sich der Arbeitgeber entschließt Tätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben und dadurch der Beschäftigungsbedarf entfällt.

Noch höhere Anforderung an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung sind dann zu stellen, wenn keine Betriebsschließung geplant ist, sondern der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs sich nur auf einen konkreten Arbeitsplatz bezieht. Hier hat der Arbeitgeber eine quasi Sozialauswahl mit anderen vergleichbaren Arbeitnehmern zu treffen. Sind andere vergleichbare Arbeitnehmer ordentlich kündbar, so diese ggf. vorrangig zu kündigen und der ordentlich unkündbare Mitarbeiter auf diesen Arbeitsplatz zu versetzen. Der Arbeitgeber ist - allgemein gesprochen - verpflichtet, mit allen ihm zumutbaren Mitteln eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Erst wenn tatsächlich keinerlei Möglichkeit besteht, kann eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist in Betracht gezogen werden.

Ist der Mitarbeiter befristet beschäftigt und eine ordentliche Kündigung deshalb nicht möglich, ist zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Befristung zugemutet werden kann. Hierfür reichen Zahlungsschwierigkeiten alleine nicht aus. Regelmäßig wird in einem solchen Fall eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nicht in Frage kommen.

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Social Media und Direktionsrecht des Arbeitgebers

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Stichworte: Social Media Direktionsrecht

Social Media wird auch im Arbeitsleben und damit auch im Arbeitsrecht immer wichtiger und gleichzeitig auch brisanter. Nicht nur Kündigungen wegen negativer Äußerungen über den Arbeitgeber in sozialen Netzwerk sind insofern praxisrelevant, sondern auch die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Bereich Social Media.

Das Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsvertrags Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen festzulegen. Weisungen, die Social Media betreffen sind in mehrerer Hinsicht denkbar. Zum einen kann der Arbeitgeber ein Interesse daran haben, die Nutzung von sozialen Netzwerken zu verbieten, etwa weil er eine Rufschädigung oder eine Vernachlässigung der Arbeitspflicht fürchtet. Andererseits kann der Arbeitgeber auch ein Interesse daran haben, dass Mitarbeiter soziale Netzwerke für ihn zu PR- und Werbezwecken nutzen. Man denke nur an die weit verbreiteten Facebook-Fanpages.

Einfach zu beantworten ist die Frage, ob der Arbeitgeber die Nutzung von Social Media außerhalb der Arbeitszeit verbieten darf. Da es sich hier nicht um Arbeits- sondern Freizeit handelt, ist insofern ein Verbot nicht möglich.

Während der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber grundsätzlich generell die Nutzung des Internet zu privaten Zwecken verbieten und damit auch die private Nutzung von Facebook, Xing und Co.
Besteht kein derartiges Verbot, so ist der Arbeitnehmer auch während der Arbeitszeit grundsätzlich zur Nutzung von sozialen Netzwerken berechtigt. Es gelten die Grenzen, die die Rechtsprechung allgemein für die Internetnutzung am Arbeitsplatz aufgestellt hat.

Quasi spiegelbildlich stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine bestimmte Nutzung von Social Media zu dienstlichen Zwecken anordnen kann. Problematisch erscheint hier, dass der Arbeitnehmer dann typischerweise einen Account anlegen und dort seine persönlichen Daten ggf. nebst Foto eingeben muss. Hier gilt der Grundsatz, dass die Nutzung von Social Media Diensten nur dann einseitig angeordnet werden kann, wenn sich eine entsprechende Pflicht aus dem Vertragsverhältnis herleiten lässt. Dies dürfte etwa bei Mitarbeitern im PR-Bereich typischerweise der Fall sein, oder bei Mitarbeitern einer Personalberatung, die sich auf die Internetsuche von potentiellen Bewerbern spezialisiert hat.

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Freiwilligkeitsvorbehalt und Transparenzkontrolle - BAG bestätigt Rechtsprechung

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Stichworte: Freiwilligkeitsvorbehalt Transparenz

Der 10. Senat des BAG hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 17.04.2013 erneut  mit einer arbeitsvertraglichen Formulierung zur Freiwilligkeit eines 13. Gehalts befasst. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag hieß es hierzu:

"Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann."

In einer kurze Zeit später getroffenen Vereinbarung war folgendes festgehalten:

"Die Mitarbeiterin erhält ab o. g. Datum ein mtl. Bruttogehalt von DM 4.000,00. Des Weiteren wird vereinbart, dass das 13. Monatsgehalt in Höhe von DM 4.000,00 voll gezahlt wird.“

Die Beklagte weigerte sich im Jahr 2010 eine Sonderzahlung zu erbringen. Sie war der Auffassung, wegen der ursprünglichen Formulierung im Arbeitsvertrag bestehe kein Anspruch auf ein 13. Gehalt.

Das BAG teilte diese Auffassung nicht. Die vertragliche Formulierung lasse mehrere Interpretationsmöglichen zu, so dass unter Anwendung der Unklarheitenregelung (§305c BGB) der für den Arbeitnehmer günstigsten Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben sei. Die streitgegenständliche Klausel lasse einerseits die Auslegung zu, dass ein 13. Gehalt gewährt werde, das anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt werden könne. Andererseits könne die Klausel auch so zu verstehen sein, dass gerade kein Anspruch auf das 13. Gehalt begründet werden sollte.
Da keine von beiden Auslegungsvarianten den klaren Vorzug verdiene und erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestünden, sei der für die Klägerin günstigsten Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben. Der geltend gemachte Anspruch stehe ihr danach zu.

Auch diese Entscheidung zeigt wieder, welch hohen Voraussetzungen das BAG an die Formulierung für die sog. "freiwilligen sozialen Leistungen" im Hinblick auf deren Transparenz stellt. Es darf nicht im Ansatz der Eindruck erweckt werden, dem Arbeitnehmer stehe ein Anspruch auf die Leistung zu. Hier ist bei der Vertragsgestaltung höchste Vorsicht angebracht!

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Die Massenentlassungsanzeige

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Stichworte: Massenentlassung


Beschäftigt ein Arbeitgeber mehr als zwanzig Mitarbeiter und möchte er mehrere Kündigungen aussprechen, sollte er in jedem Fall prüfen, ob er eine sog. Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit erstatten muss. Gem. § 17 I KSchG muss der Arbeitgeber, eine solche Anzeige erstatten, bevor er
  • in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Der gesetzgeberische Gedanke hinter der Regelung war, die Agentur für Arbeit in die Lage zu Versetzen, bei anstehenden Massenentlassungen rechtzeitig und effektiv Maßnahmen zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit ergreifen zu können. Also insbesondere frühzeitig mit einer Arbeitsvermittlung beginnen zu können. Vor allem die europarechtlichen Entwicklungen haben aber dafür gesorgt, dass die §17ff. KSchG nun auch in gleicher Weise dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers dienen. Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften ist nicht möglich.

Die Massenentlassungsanzeige ist grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungen.
Nicht anzeigepflichtig sind Entlassungen in Betrieben mit in der Regel 20 oder weniger Arbeitnehmern. Auch Saison- und Kampagne-Betriebe sind ausgenommen, sofern die Entlassungen im kausalen Zusammenhang im der Eigenart als Saison- oder Kampagne-Betrieb stehen, § 22 I KSchG.

Den Betriebsbegriff fasst der EuGH im Bereich der Massenentlassung deutlich weiter als das BAG. Insbesondere verlangt der EuGH weder eine rechtliche oder wirtschaftliche Verselbständigung der Einheit, noch eine einheitliche Leitung.

Entlassung im Sinne des § 17 KSchG ist nach Auffassung des EuGH die Kündigungserklärung des Arbeitgebers bzw. der Ausspruch der sonstigen Beendigungserklärung. Unerheblich ist dagegen, wann die Kündigung wirksam wird. Dies ist entscheidend für den 30-Tage-Zeitraum. Es kommt somit entscheidend darauf an, wie viele Kündigungen der Arbeitgeber binnen 30 Kalendertagen ausspricht. Hierzu zählen auch Änderungskündigungen, sofern der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt hat. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer bereits eine Anschlussbeschäftigung gefunden hat. Nicht als Entlassung anzusehen ist dagegen der Eintritt in der Ruhestand oder Vorruhestand, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht.

Keine Rolle für die Massenentlassungsanzeige spielen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf oder Eintritt einer Bedingung.

Für Aufhebungsverträge enthält § 17 I 2 KSchG eine besondere Regelung. Diese gelten dann als Entlassung, wenn sie vom Arbeitgeber veranlasst werden. Eine Veranlassung durch den Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung durch Eigenkündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags in Kenntnis der konkreten Kündigungsabsicht des Arbeitgebers zum selben Zeitpunkt vornimmt, zu dem anderenfalls der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen würde. Dies setzt zum einen voraus, dass der Personalabbau konkret geplant ist und der Arbeitnehmer auch davon betroffen ist.

Fristlose Kündigungen werden gem. § 17 IV 2 KSchG bei der Berechnung der Anzahl der Entlassungen nicht mitgezählt. Eine Ausnahme dürfte aber für außerordentliche betrieblich oder wirtschaftlich bedingte Kündigungen gelten, wobei es sich hier um Extremfälle handeln muss.
Gem. § 17 II 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, sofern ein Betriebsrat gebildet ist, diesem rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte über die beabsichtigten Entlassungen zu erteilen und ihn schriftlich zu unterrichten über
  • die Gründe für die geplanten Entlassungen,
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Arbeitnehmer,
  • die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer,
  • die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien
Der Arbeitgeber hat dann mit dem Betriebsrat die Möglichkeiten der Verhinderung oder Einschränkung der Entlassungen zu beraten und ihre Folgen zu mildern. Der Betriebsrat sollte möglichst eine Stellungnahme zu den vom Arbeitgeber vorgelegten Informationen verfassen.
Bei den Beratungen muss kein Einvernehmen zwischen den Betriebsparteien erzielt werden, vielmehr ist der Arbeitgeber auch berechtigt, an seinen Planungen festzuhalten oder die Vorstellungen des Betriebsrats nur teilweise mit einfließen zu lassen. Die Beratungen müssen jedoch vor dem Ausspruch der Kündigungen abgeschlossen sein.

Die Stellungnahme des Betriebsrats ist gem. § 17 III KSchG der Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit beizufügen. Geschieht dies nicht, ist die Anzeige schon deshalb unwirksam. Die Stellungnahme kann aber nachgereicht werden, wenn der Betriebsrat spätestens zwei Wochen vor Vervollständigung der Anzeige unterrichtet worden ist. Erst mit dem Nachreichen der Stellungnahme ist die Anzeige vollständig. Gibt es keine Stellungnahme des Betriebsrats, muss der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 II 1 KSchG unterrichtet hat. Zudem muss er den Stand der Beratungen darlegen.
Inhaltlich muss die Anzeige gem. § 17 III 4 KSchG folgende Angaben enthalten:
  • Name des Arbeitgebers
  • den Sitz und die Art des Betriebes
  • die Gründe für die geplanten Entlassungen
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
Außerdem soll die Anzeige im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer enthalten.

Der Arbeitgeber muss eine Abschrift der Anzeige am Betriebsrat zuleiten. Dieser ist berechtigt, seinerseits eine (weitere) Stellungnahme an die Agentur für Arbeit zu übermitteln.

Ist die Anzeige eingereicht, beginnt die sog. Sperrfrist nach § 18 I KSchG. Danach  werden Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam. Die Agentur für Arbeit kann die Zustimmung auch rückwirkend erklären. Die Sperrfrist kann im Einzelfall gem. § 18 II KSchG verlängert werden. Endet die Sperrfrist, so beginnt mit dem Tag ihres Ablaufs die sog. Freifrist. Diese beträgt 90 Tage innerhalb derer die Kündigungen ausgesprochen werden könnte. Danach müsste – sofern die Voraussetzungen des § 17 KSchG vorliegen – für weitere Kündigungen eine neue Anzeige eingereicht werden.

Nicht jeder Fehler in einer eingereichten Massenentlassungsanzeige führt allerdings zu ihrer Unwirksamkeit und damit der Unwirksamkeit einer eventuellen Kündigung. Vielmehr ist zwischen Soll-Bestimmungen und zwingenden Bestimmungen zu unterscheiden. So handelt es sich etwa bei der Angabe der zu entlassenden Arbeitnehmer um eine Muss-Angabe, deren Fehlen grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Anzeige führt. Nach einer aktuellen Entscheidung des BAG (Urt. v. 28.06.2012 - 6 AZR 780/10, abrufbar unter www.bundesarbeitsgericht.de)  können sich aber nur solche Arbeitnehmer auf diesen Fehler berufen, die nicht von der Anzeige erfasst wurden.

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